Klassische Britische Filmmusik – Folge 3: Mit leichter Hand
Auch der dritte Artikel widmet sich dem Thema Britische Filmmusik nicht in ganz strengem Sinne. Dieses Mal geht es außerdem um mit „leichter Hand“ entworfene Kompositionen sinfonischer Unterhaltungs-Musik und damit um Stücke, die zwar auf Eingängigkeit hin konzipiert sind, aber deswegen beileibe nicht als minderwertig angesehen werden sollten. Im angelsächsischen Raum sind die Grenzen zwischen U- und E-Musik traditionell fließender als hierzulande (siehe hierzu auch das erste Telarc-Special). Häufig trifft man im Repertoire der seriösen Komponisten eine ungewöhnlich große stilistische Bandbreite: von Arbeiten zu Jazz-, Konzert-, Oper- über Film- bis Unterhaltungsmusik. Wobei die letztgenannte Kategorie speziell in Großbritannien als so genannte „British Light Music“ eine besondere Tradition besitzt. Eine Musikrichtung, die viel Wohlklingendes und auf ihre Art auch Edles zu bieten hat, die unmittelbare Wirkung entfalten kann und die nicht zuletzt durch die häufig anzutreffende tonmalerische Gestaltung der Stücke viele Berührungspunkte zur Filmmusik aufweist.
The Film Music of Sir Richard Rodney Bennett
Richard Rodney Bennett (geboren 1936) komponiert neben „seriösen“ Werken auch vielseitige Filmmusik, von der diese neue CD der Serie „Chandos-Movies“ Auszüge aus sechs Partituren vorstellt. Murder on the Orient Express • Mord im Orient Express (1974) ist eine etwas behäbige Agatha-Christie-Kriminal-Verfilmung mit Starbesetzung. Im Zentrum der Suite steht der Dampflokomotiven-Walzer, der sehr naturalistisch das Anfahren des Orient Expresses symbolisiert. Far from the Madding Crowd • Die Herrin von Thornhill (1967) ist eine von Bennetts eindrucksvollsten Tonschöpfungen für das Kino geworden; sie fasst die Liebe und Leidenschaft der (etwas spröden) Filmhandlung in pastoral-sinnliche, von authentischen Folksongs und stimmigen Holzbläsersoli geprägte, betörend schöne Klänge. Die Musik zu Lady Caroline Lamb • Die große Liebe der Lady Caroline (1972) gehört ebenfalls zu den filmmusikalischen Perlen des Komponisten. Die hier präsentierte Konzertfassung „Elegie für Bratsche und Orchester“ ist ein intimes, sehr delikat instrumentiertes Werk von innigem Ausdruck. Vergleichbares gilt für die nostalgische und zugleich abgeklärte Klangschöpfung zu Enchanted April • Verzauberter April (1991). Hier verleiht der Tonschöpfung einigen Reiz die – mir ansonsten eher unsympathischen – Ondes Martinot z. B. im Zusammenwirken mit Flageoletts der Violinen.
Gegenüber diesen stärker klassizistisch angehauchten Werken sind die kurzen Auszüge aus dem Fernsehfilm Tender Is the Night (1985) und Four Weddings and a Funeral • Vier Hochzeiten und ein Todesfall (1994) deutlich stärker der zeitgenössischen Unterhaltung verpflichtet. Während „Nicole’s Theme“ aus Tender Is the Night noch passabel ist, fällt die recht poppig gestaltete „Love Scene“ aus Four Weddings and a Funeral doch ein deutliches Stück gegenüber dem Rest des Gebotenen ab – hier hätte sich sicher interessantere Musik angeboten.
Die Auswahl aus Bennetts Filmmusiken präsentiert zwar Material, das manch einer der älteren Sammler bereits auf LP oder CD in seiner Sammlung haben dürfte. Dies gilt primär für Murder on the Orient Express und Far from the Madding Crowd; hingegen waren Lady Caroline Lamb und in abgeschwächter Form auch Enchanted April auf Tonträger immer relativ schwierig zu beschaffen. Das Album ist daher im Interesse nachwachsender Interessenten (an Richard Rodney Bennets schönen Filmmusiken) auch in der vorliegenden Zusammenstellung durchaus willkommen. Rumon Gamba und das bewährte BBC Philharmonic Orchestra verrichten auch hier einen guten Job. Insgesamt ist das Album jedoch nicht ganz so überzeugend gelungen, wie von den übrigen der Chandos-Movies-Serie gewohnt. Zum einen hätte ich mir partiell andere Musik und auch etwas mehr gewünscht (Platz wäre noch vorhanden gewesen), zum anderen wirkt manches der eingespielten Suiten, besonders Murder on the Orient Express, etwas blass. Zum Teil geht dies sicher ein wenig zu Lasten der einen natürlichen Konzertsaal-Klang anstrebenden Aufnahmetechnik, aber auch den Interpretationen fehlt gelegentlich doch etwas Drive. Dies sind jedoch relativ kleine Einschränkungen gegenüber einer Produktion, deren positive Aspekte deutlich überwiegen.
Hier gibt es eine Übersicht der bisher besprochenen Chandos-Movies-CDs.
Mehrteilige Rezension:
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