The Film Music of Ralph Vaughan Williams, Volume 3

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
30. Dezember 2006
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

The Film Music of Ralph Vaughan Williams, Vol. 3

Rumon Gamba und das BBC Philharmonic Orchestra in Sachen Filmmusik von Ralph Vaughan Williams, zum Dritten; dieses Mal unterstützt vom Ladies-of-Manchester-Kammerchor. Mit dem Volume zwei der Vaughan-Williams-Reihe innerhalb des Chandos-Movies-Zyklus hat auch das dem bedeutenden britischen Tonsetzer gewidmete dritte Album einiges gemein: So, dass die Filme zu den vertretenen Filmmusiken hierzulande praktisch unbekannt sind. Weder das Weltkrieg-II-Propaganda-Epos über den Widerstand belgischer Bürger gegen die Nazi-Okkupanten, The Flemish Farm (1942), noch der Streifen um die Liebschaften einer Bäuerin im britischen Romney Marsh, The Loves of Joanna Godden (1946), und ebenso wenig die Story um einen Treck in der australischen Wildnis, Bitter Springs (1950), ist hierzulande bislang regulär gezeigt worden.

Noch immer gilt (leider), dass der Verkauf von Filmmusik auf Tonträgern in erster Linie durch den Bekanntheitsgrad der zugehörigen Filme bestimmt wird. Für den bislang in Sachen Filmmusik (noch) wenig erfahrenen Leser, der sich hierher verirrt haben mag, bleibt dem Schreiber dieses Artikels wiederum nur der behutsame Appell: sich über die ausgetreten Pfade des Repertoires hinaus auf musikalische Entdeckungsreisen zu wagen. Gerade der Terminus „entdecken“ führt hier nämlich zum Ziel. Erscheinen doch die vertretenen drei Musiken anfänglich vielleicht ein wenig unscheinbar, da sie nicht über unmittelbar Ohrwurmträchtiges verfügen. Hier wird der etwas Geduldige allerdings voll belohnt. Besonders die vorzüglich gearbeiteten Partituren zu The Flemish Farm und The Loves of Joanna Godden sind im Ausdruck eher verinnerlicht, sehr atmosphärisch gehaltene Tonschöpfungen, welche die Stimmungen der beiden Filmhandlungen spiegeln. Dabei reflektieren sie zugleich das „seriöse“ Schaffen des Sinfonikers Ralph Vaughan Williams dieser Jahre und damit die Klangwelten von der vierten bis zur sechsten Sinfonie. The Loves of Joanna Godden verweist in der Passage mit dem vokalisierenden, ätherisch wirkenden Frauchenchor gar bereits auf die siebte Sinfonie, „Sinfonia Antartica“, und damit zugleich auf die Filmmusik zu Scott of the Antarctic • Scotts letzte Fahrt (1948, Regie: Michael Bacon).

Beide Filmkompositionen stehen sinfonischen Dichtungen näher als dem, was man landläufig mit Filmmusik assoziiert. Sie entfalten die in ihnen verborgenen Schönheiten mit gewissem zeitlichem Versatz, blühen dann jedoch prächtig auf.

Als interessantes und zugleich drolliges Kuriosum entpuppt sich die Musik zu Bitter Springs. Diese stammt letztlich nur sehr bedingt von Vaughan Williams, ist vielmehr Ernest Irving (1878-1953), dem musikalischen Leiter der Ealing-Studios, zuzuschreiben. Von Vaughan Williams stammt einzig ein 38-taktiges Marschthema, das dieser augenzwinkernd als Irvings-Marsch bezeichnete. Dem Widmungsträger stellte es der Komponist mit dem ebenso augenzwinkernden Hinweis zur Verfügung, dass er, wenn er mehr brauche, es selber machen müsse. Und was Irving aus diesem Thema gemacht hat, das hat anschließend nicht nur Vaughan Williams gelobt, es vermag auch den Hörer besonders schnell zu begeistern. Zeigt sich Irving über die rund 26 Minuten der Suite doch als ein Meister der Variationskunst und zugleich als äußerst versierter Instrumentator. Vom stampfenden, in der Rhythmik ein wenig an Miklós Rózsa gemahnenden trotzigen Marsch, bis hin zum charmanten Walzer ist hier alles vertreten, hübsch gemachte Pseudo-Exotik mit Marimbas in „Boomerang“ sowie ein reizendes Känguru-Scherzo inklusive. Sicher kann man in der Ausführung von „traditionell“ und damit auch „konventionell“ sprechen. Allerdings im Sinne einer wahrhaft erfrischenden Tradition äußerst geschickt ausgeführten Handwerks. Frisch, weil derartiges über Qualitäten verfügt, die sich letztlich nicht wirklich abnutzen, sondern vielmehr zeitlos genannt werden dürfen.

Von den drei hier in Suitenform vereinten Filmmusiken ist die vom Komponisten für den Konzertgebrauch kompilierte Suite „The Story of a Flemish Farm“ aus der Filmpartitur The Flemish Farm bereits im Jahr 1995 auf Marco Polos „Vaughan Williams: Film Music“ (MP 8.223665), interpretiert vom RTE Concert Orchestra unter Andrew Penny, erschienen. Penny liefert im Vergleich eine immer noch respektable Interpretation, kann aber mit der Rumon Gambas nicht voll mithalten.

Auch bei The Loves of Joanna Godden handelt es sich nur in Teilen um eine Ersteinspielung. Bereits 1947 spielte Ernest Irving eine Suite von rund achteinhalb Minuten ein, die seinerzeit als Schellack-Schätzchen (mit 78 Umdrehungen pro Minute) erschienen ist. Stephen Hogger hat diese Suite für die vorliegende Einspielung auf knapp 16 Minuten erweitert. The Loves of Joanna Godden steht der über weite Strecken düster brodelnden 6. Sinfonie von Vaughan Williams besonders nahe, in der sich übrigens auch ein Thema der Filmmusik in variierter Form wiederfindet.

1923(Stephen Hogger ist übrigens auch eine faszinierende Rekonstruktion der Urfassung der 2. Sinfonie, „ A London Symphony“, aus dem Jahr 1913 zu verdanken. Diese bietet rund 20 Minuten mehr Musik als die spätere endgültige Fassung des Komponisten. Eine Einspielung mit dem London Symphony Orchestra unter Richard Hickox ist erschienen auf Chandos 9902.)

Damit ist auch das dritte Ralph-Vaughan-William-Album der Reihe Chandos-Movies eine feine, runde Sache, eine, die in der Kollektion eines ernsthaften Sammlers sinfonischer Filmmusik nicht fehlen sollte. Daran haben auch die vorzüglichen Interpretationen des bewährten ausführenden Teams klaren Anteil, des BBC-Philharmonic unter Rumon Gamba, das mit ausdrucksstarker und straffer Spielweise aufwartet.

Das geradezu originelle „Beutestück“ des Albums ist die Musik zu Bitter Springs. Diese Komposition ist bereits bei den ersten beiden Hördurchgängen besonders in der Lage, den Hörer zu beeindrucken. Sie bietet damit zugleich einen interessanten Anknüpfungspunkt für weitere wünschenswerte Ausgrabungen in der Reihe Chandos-Movies. Ernest Irving wird in der Filmmusikliteratur eher in Randbemerkungen erwähnt. Ein Blick in die IMDb verzeichnet ihn ab 1930 bei ca. 90 Filmprojekten als „Musical Director“. Darüber hinaus hat er knapp fünfzig Filme komplett selbst vertont. Zusammen mit seiner bekannten Dirigententätigkeit scheint er bei Ealing in etwa das gewesen zu sein, was Alfred Newman bei 20th-Century-Fox gewesen ist. Das filmmusikalische Schaffen Ernest Irvings dürfte daher mindestens einer eigenen Album-Kompilation würdig sein. Nun, lassen wir uns überraschen.

Hier gibt es eine Übersicht der bisher besprochenen Chandos-Movies-CDs.

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2006.

© aller Logos und Abbildungen bei Chandos Music (All pictures, trademarks and logos by Chandos Music).

Erschienen:
2006
Gesamtspielzeit:
66:37 Minuten
Sampler:
Chandos Movies
Kennung:
10368

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