Space 3

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
23. Juli 2000
Abgelegt unter:
Sampler

Score

(4/6)

Die neueste Silva-Doppel-CD-Kollektion „Space 3 – Beyond the Final Frontier“ ist kürzlich erschienen. Wie die Ziffer 3 im Titel bereits andeutet, hat dieses Album zwei Vorläufer, „Space: Above and Beyond“ und „Space II: Alien Invasion“. Die Prager Philharmoniker unter Paul Bateman und Nic Raine, teilweise unterstützt vom Crouch End Festival Chorus, präsentieren auf 2 CDs ein Programm von rund 132 Minuten mit Stücken und Suiten aus Science-Fiction-Kino und Fernseh-Filmen. Insgesamt ist das Album gelungen. Es fließt auch beim chronologischen Abspielen angenehm, was zum Teil sicher auf das Orchester zurückzuführen ist, das sich während der Aufnahmesitzungen in hörbar guter Form befand. Einige der eingespielten Stücke (analog Erich Kunzel auf Telarc) sind von der den Originalen übermäßig anhaftenden elektronischen Sounds befreit worden, also durchgehend sinfonisiert; andere erklingen im Neu-Arrangement mit größer besetztem Orchester – nicht zum Nachteil, wie ich meine. Die gut interpretierte Suite aus The Phantom-Menace (auf der zweiten CD) ist übrigens überraschenderweise ohne den auf dem gleichnamigen Varèse-Sampler vertretenen Main-Title eingespielt worden.

Zu den besonders reizvollen Stücken auf der ersten CD gehören Henry Mancinis It came from outer Space, eine typische Horrorfilm-Musik der Fünfziger und weitab vom Saccharin-Kitsch à la „Moon River“; sehr originell ist John Addisons zum Teil slapstickhaft anmutende Komposition zur Genre-Parodie Strange Invaders, wuchtig die gegenüber dem Original breiter orchestrierten Klänge aus Robocop; gleiches gilt für John Debneys Marsch aus The Cape. Einen lyrischen Kontrast zum Klangbombast bildet das romantische „Filby-Thema“ von Russel Garcias zum Klassiker The Time Machine und die zu Beginn und Schluss schmissig heroische, im Mittelteil sanft lyrische „End-Title-Suite“ aus Star Trek: Insurrection ist ein gelungenes Finale zur Halbzeit.

Zu den Highlights der zweiten CD gehören: der veredelte Marsch „The Space Fleet“ aus Silent Running von Peter Schickele; eine nette Rarität ist die kleine Suite von Barry Gray zu Journey to the far Side of the Sun, und dazu geht das schön interpretierte Finale von Laurence Rosenthal zu Meteor angenehm ins Ohr.

Das übrige Material finde ich zwar nicht so stark, aber größere Durchhänger sind nicht vorhanden. Hier liegt somit eine ansprechende Produktion vor, die auch für den Sammler einige hörenswerte Raritäten bietet. Da die Aufnahmetechnik vorzüglich arbeitete, ergibt sich zusammen mit dem generell günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis bei Silva-Doppel-CDs eine insgesamt eindeutig positive Beurteilung.

Die zweite Doppel-CD dieser Rezension ist Silvas „A History of Horror from Nosferatu to the Sixth Sense“. Hier wurde (wieder einmal), Silva-üblich, kräftig das bestehende Sortiment durchforstet und in Schnipseln unter neuem Etikett herausgebracht. Nur einzelne Stücke sind wohl überhaupt für diese Zusammenstellung neu eingespielt worden. Ob der etwas hochtrabende Name der Kollektion angebracht ist und ob Musik für eine Komödie wie Frankenstein Junior (1974) hier etwas zu suchen hat, darüber ließe sich trefflich streiten. Die beiden CDs bieten in jedem Fall insgesamt 138 Minuten musikalisches Programm in guten bis sehr guten Aufnahmen.

Hammers Hauskomponist James Bernard zählt zwar nicht zu den Großen der Zunft, aber er schuf bekanntlich in den Fünfzigern einige zumindest in Teilen recht markante Horror-Scores, wobei die Kompositionen zur Dracula-Film-Reihe zu seinen besten Arbeiten zählen dürften. Als Beispiele gibt es hierzu zwei Ausschnitte aus Dracula und Taste the Blood of Dracula zu hören. Bernard schrieb interessanterweise auch eine Musik zu Nosferatu, Murnaus Stummfilmklassiker von 1921. Hier handelt es sich um eine Neukomposition entsprechend der Arbeiten von Carl Davis zur 1925er Stummfilmversion von Ben Hur, in welcher der typische Hammer-Dracula-Sound drollig spürbar bleibt. Die besonders in verknappter Suitenform soliden Bernard-Klänge sind in jedem Fall hörenswert. Vom genannten Carl Davis ist ein Auszug aus der Stummfilm-Neukomposition The Phantom of the Opera vertreten, und „Die Schöpfung des weiblichen Monsters“ aus Franz Waxmans Klassiker The Bride of Frankenstein (1935) fehlt natürlich ebenfalls nicht. Den „Main-Title“ aus der völlig misslungenen Einspielung von Dimitri Tiomkins Musik zu The Thing muss man sich hier allerdings ebenfalls anhören – hier ist die Gerhardt-Fassung aus den siebziger Jahren erheblich näher am Original.

Brian Easdales nervöse Solo-Piano-Komposition zu Peeping Tom • Augen der Angst (1959) ist eine Rarität. Die Geschichte um einen psychopathischen Frauenmörder, der den Todeskampf seiner Opfer filmt, rückt damit interessanterweise in die Nähe einer Stummfilm-Begleitung. Was heute kaum noch jemanden berührt, erzeugte seinerzeit bei der offiziellen Film-Kritik einen derartigen Sturm der Entrüstung, dass mit dem Film auch der Hauptdarsteller Karl-Heinz Böhm verdammt wurde – bedauerlicherweise war damit die weitere Film-Karriere des Kaiser-Franz-Joseph-Darstellers der Sissi-Trilogie beendet.

Ebenfalls eine Seltenheit ist Humphrey Searles stimmige Musik zur 1963er Original-Version von The Haunting, dies gilt auch für die rund zehn Minuten aus Carl Davis Musik zu Frankenstein Unbound (1990), einem Film von Roger Corman. Originell und gut anhörbar ist das im Film Der Exorzist verwendete und hier neueingespielte Stück aus Mike Oldfields Rockalbum „Tubular Bells“. Interessant ist der Ausschnitt aus Christopher Youngs Hellraiser (1987) und Wojciech Kilars „Sturm-Musik“ aus Bram Stoker’s Dracula (1992). Kilar hat auf dieser CD auch das letzte Wort mit einem stimmungsvollen Auszug aus seiner aktuellen Musik zu Polanskis The Ninth Gate (2000).

Beim nicht näher genannten Material handelt es sich weitgehend um solide Hör-Bekanntschaften wie Das Omen (Goldsmith) oder um schwache Musik wie aus Goblins Susperia. Für jemanden, der reinschnuppern möchte, ist dieses Doppelpack sicher eher gedacht als für den versierten Sammler eine Schlussfolgerung, die für die meisten der auf dem Markt angebotenen Sampler zutrifft.

Das dritte Doppel-CD-Set „The Silents“ widmet sich fast ausschließlich den Arbeiten von Carl Davis zu diversen Neuvertonungen von Stummfilmen. Dieses Album baut auf einer Silva-CD aus dem Jahr 1988 auf, die schon eine stimmige Zusammenstellung von weitgehend gut kompilierten Suiten aus Davis Schaffen unter demselben Titel enthielt; diese CD ist denn auch die erste der Box – wobei die Suite aus Napoleon hier gegenüber der ursprünglichen Ausgabe um knapp drei Minuten verlängert ist. Präsentiert wird außerdem Musik aus Broken Blossoms, Show People, The Crowd, The Big Parade, Flesh and the Devil, Greed, Thief of Baghdad, Old Heidelberg, The Wind.

Die zweite CD wurde zum einen mit Suiten aus dem Archiv (Ben Hur, The Phantom of the Opera, City Lights) und zum anderen mit einigen neu eingespielten Suiten (rund 41 Minuten) ergänzt: The Wedding March, The Four Horsemen of the Apocalypse, Wings, The Iron Mask. Bei einigen der Musiken handelt es sich um Arrangements aus adaptiertem Musik-Material (The Wedding March) oder neu arrangierten originalen Stummfilm-Musiken, wie zu City Lights von Charlie Chaplin und zu Broken Blossoms von Louis F. Gottschalk.

Carl Davis hat ein Händchen für derartige Musik. Dies habe ich vor einigen Jahren bei einer Präsentation von Ben Hur mit ihm als Dirigenten feststellen können. Die 1926-iger Ben-Hur-Version wäre ohne die Davis-Komposition wohl kaum ein derartiges Erlebnis gewesen. Abseits der immer noch eindrucksvollen Massenszenen wirkt der Film, obwohl natürlich filmhistorisch bedeutend, heute weitgehend patiniert und außerdem in vielem geradezu unerträglich verkitscht. Vor Jahren war in einer Fernseh-Präsentation des Films die noch erhaltene Original-Overtüre von William Axt zu hören. Diese wirkte auf mich nur völlig unmonumental und nicht „römisch“, also mit einem Wort: „überholt“. Die restliche Fernseh-Musik-Untermalung bestand aus einem Flickenteppich irgendwelcher Archiv-Stücke inklusive Teilen aus Rozsas Musik zum 1959er Ben Hur. Mein Kommentar dazu: schlichtweg unpassend und damit schlecht! Der Film hinterließ so nur einen wenig nachhaltigen Eindruck. Carl Davis hat in seiner neuen Musikschöpfung dem alten Film ein klanglich üppiges, klassisch orientiertes, aber nicht „altmodisches“ neues Klanggewand verpasst, das manche Schwächen überdecken hilft und dazu auch abseits des Films eine tolle Wirkung erzeugt. Der Komponist ist dabei klug genug gewesen, einen Rozsa-Ben-Hur-Touch zu vermeiden, denn diese Klänge erweisen sich als gefühlsmäßig mit anderen Bildinhalten „besetzt“ und wirken dann nicht wie beabsichtigt, sondern eher störend.

Davis beweist auf dem vorliegenden Sampler einiges an kompositorischer Vielfalt: Von der klanglich intimen pseudo-China-Exotik in Broken Blossoms, der Zirkusmusik aus Show People, dem teils festlichen, teils grotesken Wiener-Charme von The Wedding March, dem klanglichen Bombast von Ben Hur bis zur fast schon atonalen Dissonanz in Greed. Insofern ist diese erweiterte Neu-Edition von „The Silents“ trotz fast 20 minütiger Überschneidung mit dem älteren Ben-Hur-Album Silvas durchaus willkommen. Besagtes Ben-Hur-Album sollte sich der Interessierte aber in jedem Fall noch zusätzlich gönnen. Ein ordentliches Booklet rundet den stimmigen Eindruck ab.

Ein letztes Mal eine Silva-CD, zumindest in diesem Artikel. Lawrence of Arabia ist die ebenfalls willkommene Wiederveröffentlichung der Tony-Bremner-Einspielung aus dem Jahre 1989. Zur Musik muss wohl kaum etwas geschrieben werden, denn Maurice Jarres kraftvolle Komposition gehört zweifelsohne zu den Klassikern, und das berühmte „Lawrence-Thema“ dürften darüber hinaus auch viele gehört haben, die sich mit Filmmusik ansonsten überhaupt nicht beschäftigen. Die vorliegende Neueinspielung bietet knapp 52 Minuten Musik in sehr guter Tonqualität und Interpretation. Das alte Original-Album kann hier besonders beim Klang absolut nicht mithalten und ist dazu noch rund 22 Minuten kürzer als diese gut ergänzte Neueinspielung – daher gibt es eine besondere Empfehlung.

Sämtliche vorgestellten Silva-Titel sind in HDCD-Dolby-Surround abgemischt worden. Tja, es ist wohl reine Geschmacksache: ich bin zwar für knackigen Sound durchaus zu haben, kann mich allerdings mit derartigen – eher aufgesetzten – Effekten nicht anfreunden. Das Klangbild wird hierdurch verhallt und damit konturschwach und schwammig. Was beim Kinoton beeindruckt, empfinde ich beim Nur-Musik-Hören fast ausschließlich als aufdringlich, künstlich und störend. Erfreulicherweise sind die neuen Abmischungen außerdem Normal-Stereo-kompatibel, allerdings klingen sie dabei etwas anders als die ursprünglichen Fassungen.

Die beiden letzten CDs „Notre Dame de Paris“ und Der König und Ich bilden zu den übrigen weitgehend bombastischen Musiken einen eher sanften Kontrast. „Notre Dame de Paris“ ist keine Filmmusik, sondern eine sinfonisierte Fassung eines erfolgreichen Bühnen-Musicals, eingespielt durch I Fiammenghi, einer namhaften belgischen Orchesterformation. Das Resultat ist angenehm anhörbare Pop-Sinfonik, bei der ein paar ordentliche Themen ins Ohr gehen. Allerdings vermisse ich beim Stoff um den Glöckner von Notre Dame in der vorliegenden Musik doch eine gehörige Portion Dramatik. Bei Der König und Ich handelt es sich um eine sympathische Adaptation der originalen Musical-Musik von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II durch William Kidd für eine Disney-Zeichentrick-Version, die allerdings ausschließlich auf Video veröffentlicht worden ist. Erfreulicherweise ist die Musik nur im ersten Stück der CD und dort immerhin einigermaßen zurückhaltend mit Synthieklängen und Popelementen für die Ohren der Kiddies „aufbereitet“ worden. Das Ergebnis macht beim Hören daher einen ansprechenden Eindruck. Die Songs, bis auf Track 1 sogar in deutsch gesungen, reichen bis zur guten Hälfte der CD, und mit Track 12 beginnt der bis auf ein kurzes Chorstück rein orchestrale Teil der Komposition. Hier gibt es ein wenig hübsche Klangexotik, slapstickhafte Cartoon-Musik und obendrauf eine Prise Dramatik. Speziell die orchestralen Teile sind besonders schön und heben die bis dahin schon positiv angesetzte Bewertung noch um einen weiteren halben Stern. Die CD zu Der König und Ich ist außerdem noch mit einem recht liebevoll gestalteten Booklet ausgestattet, in dem sämtliche Songtexte aufgeführt sind. Der Titel ist insgesamt mehr als nur ein besonders ansprechendes Souvenir, und das nicht ausschließlich für Kinder. Bei beiden Alben reicht es zwar nicht für eine 4-Sterne-Bewertung, aber mit 3 Sternen ist die Musical-CD sicher nicht schlecht und mit 3 ½ Sternen ist Der König und Ich sogar fast schon eine kleine Perle.

Fazit: In einer Übersicht zu sechs in der letzten Zeit veröffentlichten Titeln belegt die Wiederveröffentlichung der Silva-Neueinspielung von Jarres Lawrence of Arabia den Spitzenplatz. Dicht gefolgt von den gelungenen Doppel-CD-Neukompilationen „The Silents“ und „space 3“. Die sinfonische Fassung des Musicals „Notre Dame de Paris“ und die Doppel-CD „A History of Horror“ bieten soliden Durchschnitt. Die charmante CD zur Disney-Video-Produktion Der König und ich hingegen verfehlt nur knapp die 4-Punkte-Marke.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Diverse

Erschienen:
2000
Gesamtspielzeit:
131:23 (2 CDs) Minuten
Sampler:
Silva
Kennung:
FILMXCD 332

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