Saddle the Wind
Saddle the Wind • Vom Teufel geritten (1957) von Regisseur Robert Parrish zeigt nicht nur den vom TV kommenden John Cassavetes in einer frühen Film-Rolle, er demonstriert zugleich den Einfluss des Fernsehens auf das Kino-Genre Western. TV-Drehbuchautor Rod Serling (Twilight Zone) verfasste das Script zu diesem CinemaScope-Western nach einer Geschichte von Thomas Thompson. Im intelligent mit psychologischen Untertönen angereicherten Plot geht es um zwei charakterlich sehr unterschiedliche Brüder, von denen der ältere und besonnene, Steve (Robert Taylor), gegen den jüngeren, zu Gewaltausbrüchen neigenden Revolverhelden Tony (Cassavetes), vorgehen muss.
Jay Livingston und Ray Evans komponierten dazu einen (letztlich titelgebenden) lyrischen Song „Saddle the Wind“ und Jeff Alexander (1910-1989) — einer der vielen (weniger bekannt gebliebenen) Komponisten, die hinter den großen Namen in MGMs Music-Department agierten — erarbeitete eine Filmmusik. In der Postproduktion wurde der Film noch deutlich verändert; ist dabei zwar mit neu gedrehten Szenen versehen, in Teilen deutlich umgeschnitten und zugleich merklich gekürzt worden. Der anschließend vom Boss des Music Departments John Green mit der (notwendig gewordenen) erneuten Vertonung beauftragte Elmer Bernstein (1922-2004) erfuhr interessanterweise offenbar erst im Rahmen der Vorbereitungen für das FSM-Album davon, dass er nicht der einzige gewesen ist, der den Western vertonte. Etwas kurios ist dabei allerdings, dass das „Western-Lexikon“ von Joe Hembus als den ausführenden Komponisten sogar Jeff Alexander bezeichnet. „Music from the Movies“, die Tony-Thomas-Bibel für den Filmmusikfreund, hingegen in den tabellarischen Übersichten „Komponisten-Filmvertonungen„ unter Elmer Bernstein Saddle the Wind überhaupt nicht (!) aufführt.
Saddle the Wind gehört zur kleinen Reihe Filme, die MGM 1957-1958 trotz Breitwandformat CinemaScope nur monoral vertonte. Entsprechend wurde auch der Score nur in Mono auf 17,5 mm Magnettonfilm eingespielt. Ausschließlich der Song liegt (in der von Alexander Courage orchestrierten Original-Version, dirigiert von André Previn) stereophon vor. Die letztlich im Film verwendete Fassung, (ebenfalls) interpretiert von Julie London musste aus rechtlichen Gründen ausgespart bleiben. Wie in vergleichbaren Fällen (The Fastest Gun Alive, The Brothers Karamazov) sollte sich der Interessierte auch bei diesem FSM-Album nicht wegen des „nur“ Mono-Sounds vom Kauf abhalten lassen. Im Gegenteil: Die im Kielwasser von FSMs Meuterei auf der Bounty (1962) erschienene CD überzeugt fast durchweg durch sehr klaren und sauberen Klang. Allein der kurze, merklich angerauschte und auch deutlich matter klingende Track 24, „Requiem for Deneen„, fällt ein Stück ab.
Auch wenn besagte Bounty-Veröffentlichung diese beiden Westernmusiken überstrahlt, sollte man den ebenfalls hohen Repertoirewert dieser nur auf den ersten Blick eher leichtgewichtigen Veröffentlichung nicht übersehen. Man erhält nicht nur zwei vollständige Scores zu ein und demselben Film, sondern auch Elmer Bernsteins letzte Westernvertonung vor (!) dem berühmten, seinen Westernmusikstil nachhaltig prägenden The Magnificent Seven (1960).
Saddle the Wind ist übrigens Bernsteins dritte Westernmusik nach Battles of Chief Pontiac (1952), Drango und The Tin Star (beide 1957). Seine Komposition zu Saddle the Wind zeigt, wie auch der Jeff-Alexander-Score, dezenten Newman-Touch (siehe The View from Pompeys Head), was sich besonders deutlich in der Art und Weise spiegelt, wie die Holzbläser-Soli in den lyrisch-kammermusikalisch gehaltenen Teilen ausgeführt sind. Beide Scores liegen dabei auch stilistisch nicht besonders weit auseinander. Bernsteins Vertonung ist gegenüber der Alexanders in Teilen allerdings schon etwas markanter geraten, lässt hier und da schon ein wenig das späterhin so Bernstein-Typische aufblitzen, die Copland-Americana sowie die auffällige Rhythmik der Action-Sequenzen. Wertungsmäßig gehen an Jeff Alexander dreieinhalb, an Elmer Bernstein vier Sterne.
Jeff Bond und Lukas Kendall fokussieren im ansonsten sorgfältig editierten Begleitheft m. E. etwas (zu) sehr auf den sicher nicht uninteressanten Western, leider bleiben dabei biografische Infos zu Jeff Alexander (plus eventuell einem Foto) komplett auf der Strecke. Dieser Schwachpunkt beeinträchtigt den insgesamt sehr positiven Gesamteindruck eher geringfügig, der hohe Repertoirewert macht dies einigermaßen wett.
Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zu Ostern 2006.