TV-Natur-Dokumentarserien, 27. Folge: Das Reich des russischen Bären aus der Vogelperspektive
Hierzulande zählt die TV-Doku-Reihe sowie der im Jahr 2012 daraus hervorgegangene Zusammenschnitt fürs Kino, Deutschland von oben, zu den derzeit mit Abstand erfolgreichsten und damit auch populärsten Naturdokumentationen. Der aus Dortmund stammende Journalist und Dokumentarfilmer Freddie Röckenhaus (*1956) und seine langjährige Kollegin und Lebensgefährtin Petra Höfer haben mit Russland von oben nun ein weiteres packendes Dokumentarfilmopus vorgelegt. Petra Höfer ist allerdings während der laufenden Produktion im Alter von nur 54 Jahren völlig unerwartet verstorben. Produziert wurde für colourFIELD, die eigene Produktionsgesellschaft von Freddie Röckenhaus. Neben Arte und dem ZDF war auch Gazprom am Projekt beteiligt, was zweifellos nicht nur vieles erleichtert, sondern manches wohl überhaupt erst möglich gemacht haben dürfte.
Nach dem auch von Anderen längst kopierten Erfolgsrezept von Deutschland von oben wird somit nun das russische Riesenreich eindrucksvoll und mitreißend porträtiert. Die enormen Weiten Russlands, in welche die Bundesrepublik fast 50 mal hineinpasst und welche 11 Zeitzonen umfasst, sind von Kameras kaum zu begreifen, am ehesten noch von oben, also aus der Vogelperspektive. Diese direkt zu Beginn proklamierte These wird anschließend eindrucksvoll mit opulenten, zum Teil atemberaubenden High-Tech-Bildern belegt. Dabei sind auch interessante Satellitenbild- und Computeranimationen eingefügt, um Zusammenhänge zu verdeutlichen. Es fehlen aber auch die vertrauten, an die junge Generation adressierten, modischen Gags nicht, etwa ruckartige Kamerabewegungen oder die verschiedentlich mit stampfender Poprhythmik wie ein Dampfhammer agierende Filmmusik von Boris Salchow.
Die erste Episode beginnt im westlichen Teil mit St. Petersburg – der Schönen an der Newa – und natürlich dem sogenannten „Goldenen Ring“ altrussischer Städte nordöstlich von Moskau, welcher zu den beliebtesten Zielen von Russlandtouristen zählt. Natürlich fehlen auch Eindrücke des modernen Moskaus nicht, das mit seinen glitzernden gewaltigen Glaspalästen und gigantischen Autobahnkreuzen schon ein wenig an L.A. gemahnt. Neben der Wolga (für die Russen die Mutter aller Flüsse) mit ihrem geradezu kolossal anmutenden, 200 km breiten Delta geht es auch zum Elbrus, dem höchsten Berg im Kaukasus, und in die Kalmückensteppe. Die erste Episode porträtiert damit den europäischen Teil Russlands in dem die Masse der Russen lebt. Die übrigen vier Teile wenden sich so anteilig annähernd stimmig dem flächenmäßig insgesamt weitaus größeren asiatischen Teil Russlands zu, wo auf 77 Prozent der Gesamtfläche nur 15 Prozent der Bewohner leben. Dort finden sich die zum Teil unwirtlichen und nur schwer zugänglichen Regionen von Mütterchen Russland: etwa das mit bizarren, urwüchsigen Schönheiten aufwartende Kamtschatka.
Aber auch wenn mehr in die Tiefe der jeweiligen Region und deren Besonderheiten gehende Infos fehlen, so sehe ich darin kein wirkliches Manko. Wenn man anhand einer derartigen Fülle vielseitiger Bildeindrücke größere Regionen porträtiert, dann geht es nicht anders. Man kann zum einen längst nicht alles zeigen, was sehenswert ist, und muss sich zum anderen erst Recht in der Menge mitgelieferter Hintergrundinformationen auf das Wesentlichste beschränken. Das Ergebnis eines derartigen Projekts kann daher „nur“ ein erster großer Überblick sein, bei dem zwangsläufig vieles an Detailinformation auf der Strecke bleiben muss. Und wenn dabei fast ausschließlich von hoch oben drauf geschaut wird, dann gilt dies auch für die dort lebenden Menschen, über die man hier zwangsläufig nur am Rande ein paar Informationen bekommt. Verschiedentlich wird zudem das Fehlen von Kritik an der russischen Politik festgestellt und sogar der Leiter der ZDF-Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft entschuldigt sich dafür zumindest unterschwellig im Vorwort der Pressemappe. Vielleicht sollte man sich an dieser Stelle jedoch auch mal fragen, warum Deutschland von oben das völlige Fehlen kritischer politischer Anmerkungen nie angekreidet worden ist.
Somit erfüllt auch Russland von oben durchaus glanzvoll seinen Zweck: Es ist ein visuell brillanter Appetizer in Sachen Natur, ein lebendiges, prachtvolles Plädoyer für die einzigartigen Besonder- und Schönheiten von Mütterchen Russland, des größten Lands der Erde. Und dieses hat man zumindest in der Gesamtheit niemals zuvor derartig eindrucksvoll gezeigt bekommen – was wohl auch die Russen bestätigen dürften.
Die vorliegende Blu-ray-Edition umfasst die vollständige Reihe Russland von oben mit insgesamt fünf Teilen und einer Netto-Laufzeit von insgesamt rund 215 Minuten. Im deutschen Fernsehen ist die Serie zuerst ab November 2018 auf Arte und dazu fast parallel auch in der Terra-X-Reihe des ZDF gezeigt worden. Der 90-minütige Zusammenschnitt für die Kinos war bereits zuvor, im Juli 2018, ebenfalls auf Arte zu sehen.
Das Bild ist fast durchweg von sehr guter bis erstklassiger Detail- und Schärfentiefe. Die tadellose Farbwiedergabe sowie der überwiegend satte Schwarzwert (nur hin und wieder ist er kurzzeitig etwas zu hell) tragen das ihre zum insgesamt edlen Bildeindruck bei. Obendrauf kommt ein in der Regel recht dezent agierender DTS-HD MA 2.0-Sound, der nur einzelne betonter atmosphärische Akzente setzt, in der Regel aber auf eine raumfüllende Wiedergabe der in Teilen bombastischen Musikuntermalung fokussiert. Die Boni-Sektion ist dagegen schlicht geraten: Sie wartet nur mit einigen Trailern für weitere Polyband-Naturfilme auf, und auch das beiliegende Heft fungiert, wenn auch durchaus eindrucksvoll, als ein reiner Werbeträger für den mittlerweile sehr beachtlichen Fundus hochkarätiger Naturdokumentationen von Polyband. Die Fülle grandioser Bilder in HD-Demoqualität lässt zugleich darauf hoffen, dass eine UHD-Blu-ray-Version nachgereicht wird.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.