Soltis Parsifal als High-Tech-Reissue, neben der CD-Version auch auf Blu-ray Audio
Neben Soltis schon legendärer Gesamtaufnahme der Ring-Opern zählt auch die Einspielung des Parsifal m. E. zu den must-haves der Wagner-Opern-Kollektion. Unmittelbar hervor sticht auch hier der fantastisch volle Sound der exzellent aufspielenden Wiener Philharmoniker, wiederum exzellent aufgenommen in den Wiener Sophiensälen im Jahr 1972. Zwar war John Culshaw seit 1967 nicht mehr Mitglied im Decca-Aufnahmeteam, aber sein bemerkenswerter Geist bleibt auch im Ergebnis dieser Einspielung durchaus spürbar. Das betrifft zum Beispiel den nochmals aufgefrischten, jetzt besonders warmen, üppigen und zugleich so ungemein detailliert aufgefächerten Orchesterklang der prachtvoll intonierenden Wiener Philharmoniker, bei dem auch keinerlei Spuren von Verzerrungen das Hörerlebnis zu trüben vermögen. Hier stehen aber nicht nur die zur feierlichen Gralsenthüllung im 1. Akt machtvoll und strahlend aus den Wogen des großbesetzten Klangkörpers herausragenden Posaunen und Trompeten weihevoll im Raum. Auch die dazu entrückt wirkenden Glocken der Gralsburg sind hier geradezu perfekt, weder zu blass noch zu aufdringlich (wie übrigens an einer Stelle von Karajans ansonsten ebenfalls hochwertiger Version) platziert. Ebenso beeindruckend erscheinen die in häufigen, eher intimen Stellen so betörend samtweich konzertierend hervortretenden Holzbläser, Und das gilt auch für die faszinierend zur Geltung kommenden zum Teil irisierenden, den Impressionismus bereits erahnen lassenden Mischklänge.
Bemerkenswert ist zudem der kaum vernehmbare Rauschpegel. Ob dieser ausschließlich vom von der Decca bereits seit 1967 eingesetzten Dolby-A-Rauschverminderer in Verbindung mit technischen Verbesserungen der Aufnahmekonsole und des eingesetzten Bandmaterials herrührt oder ob hier zusätzlich (wie beim Solti-Ring) noch mit moderner Rauschverminderungstechnologie etwas nachgeholfen worden ist, dazu fand ich keine eindeutigen Hinweise.
Neben dem vorzüglichen Klang lässt auch die Besetzung kaum Wünsche offen, mit Dietrich Fischer-Dieskau als Amfortas, Hans Hotter als Titurel, Gottlob Frick als Gurnemanz, Zoltan Kélémen als Klingsor, Christa Ludwig als Kundry und René Kollo als Parsifal. Wobei sich selbst unter des dämonischen Klingsors verführerischen Blumenmädchen praktisch durchweg späterhin bedeutende Nachwuchssängerinnen finden wie Kiri Te Kanawa und Lucia Popp. Auch im Spiegel der Kritiken steht Soltis Parsifal (im Gegensatz zu seiner recht umstrittenen Einspielung von Tristan und Isolde) durchweg bestens da, erhält teilweise sogar Referenzstatus. Einzelne Einwände, etwa es mangele an Tiefe und spirituellem Ausdruck, sind nach meinem Empfinden derart schwierig objektivierbar und eher rein geschmacklicher Natur, so dass man diese nicht überbewerten sollte.
Handlungsmäβig ist Parsifal noch deutlich verinnerlichter, reduzierter als Tristan und Isolde. Richard Wagners eher seltsames Verhältnis zu Religion und dessen musikalische Spiegelungen hin oder her: Das „Bühnenweihfestspiel“ besitzt gerade im Musikalischen seine starken Momente und Soltis Parsifal-Interpretation war und ist ein akustisches Erlebnis der Top-Klasse, insbesondere, wenn sie derart vorzüglich klingend zum Genießen einlädt wie jetzt. Karajans ebenfalls zu Recht vielgelobte Einspielung für die Deutsche Grammophon kann hier m. E. unterm Strich nicht ganz mithalten.
Die aktuelle High-Tech-Wiederveröffentlichung ist state-of-the-art, d.h. mit 24-Bit/96-kHz gemastert, und enthält die insgesamt fünf Discs in Papptaschen an den Deckeln eines bereits optisch sehr ansprechenden Hardcover-Buchs untergebracht. Die vier exzellent klingenden CDs warten mit dem von der Reihe „The Originals“ vertrauten LP-Look auf. Bei einer Gesamtspieldauer von rund 260 Minuten war ein Umschneiden auf drei CDs – analog wie bei der aktuellen Wiederveröffentlichung des Solti-Tristan (s. o.), wo jetzt jeder Akt komplett auf einer CD untergebracht ist – leider unmöglich. Hier hilft die Blu-ray Audio die unschönen Unterbrechungen beim CD-Wechsel zu vermeiden, erlaubt es jetzt erstmalig die drei Akte in einem Rutsch durchzuhören. Allein das dürfte für manche Verehrer von Soltis Wagner-Interpretation schon Grund genug sein sich diese Wiederveröffentlichung zuzulegen. Neben dem kompletten Libretto ist ein in das Werk detailliert einführender Essay von Carl Dalhaus mit enthalten.
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