Martin Scorsese (Monografie)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
17. August 2002
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Roberto Lasagna hat in seiner kürzlich erschienen Monografie sämtliche Filme des Regisseurs Martin Scorsese eingehender betrachtet und einander gegenübergestellt.

Scorseses Filme sind vom Bemühen geprägt, eine persönliche und zugleich wahrheitsgemäße Sicht der zeitgenössischen Welt zu vermitteln. Sie schildern die (oft) existenziellen Konflikte ihrer innerhalb eines geschlossenen Umfeldes lebenden Figuren. Scorseses Leinwandschöpfungen erzeugen beim Zuschauer ein psychologisches Unbehagen, sie sind ein Kino der Unruhe. Die Hauptfiguren sind Antihelden, Einzelgänger, deren Träume und Illusionen oft zur Besessenheit werden. Der Fanatismus mancher seiner Figuren, der an religiöse Eiferer erinnert, reflektiert wohl auch ein wenig das ursprüngliche Vorhaben des jungen Scorsese, katholischer Priester zu werden. Die Wirklichkeit erscheint für diese Charaktere unerbittlich und erbarmungslos. Wobei die Auswirkungen eines beklemmenden sozialen Umfeldes die Protagonisten in eine immer auswegloser erscheinende Situation stürzen. Dies läutet nicht allein bei dem Taxi Driver Travis Bickle eine Deformierung der Psyche ein, was letztlich in eine ausweglose Vereinzelung und damit zur finalen Gewalteskalation führt.

In seinen Filmen bevorzugt der Regisseur vertraute Milieus, wie das New Yorker Viertel „Little Italy“ – in dem er aufwuchs. Im Laufe der Jahre hat Scorsese seine geliebte Vaterstadt in den unterschiedlichsten Werken vielschichtig portraitiert, von Taxi Driver (1976), New York, New York (1977) über Zeit der Unschuld (1993) und Nächte der Erinnerung (1999) bis zum aktuellen Gangs of New York (2001).

Roberto Lasagnas Publikation ist weniger ein Nachschlagewerk über Martin Scorseses Filme, sondern – der Komplexität der Filme entsprechend – eher ein Lesebuch, das nach eingehenderem Studium einen zusammenhängenden Blick auf das facettenreiche Werk eines der interessanten und wichtigen Regisseure des New American Cinema freigibt. Im Rahmen der wissenschaftlich-analytischen Betrachtungen wird der Regisseur als Grenzgänger zwischen der Autorenschule des Neuen Hollywood und den Konventionen des kommerziellen Mainstreams eingeordnet. Der Autor vermag im Rahmen seines Essays wichtige Zusammenhänge material- und kenntnisreich herauszuarbeiten, tendiert dabei in seiner Ausdrucksweise allerdings mitunter zu einem etwas akademisch, abstrakt wirkenden Stil. Unterm Strich ist das Buch von Lasagna eine willkommene umfassende, hilfreiche Einführung in ein Kino, das häufig unbequem ist und übliche Normen überschreitet. Scorseses Filme muss man letztlich nicht in sämtlichen Details mögen, um zu erkennen, dass man es hier mit dem insgesamt kraftvollen filmischen Werk eines intellektuellen Regisseurs zu tun hat, das den Stil der Moderne im zeitgenössischen Kino seit den 70er Jahren bedeutend mitgeprägt hat.

Erschienen
2002
Seiten:
128
Verlag:
Gremese
Kennung:
3-89472-376-9
Zusatzinfomationen:
€ 16,80 D

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