Little Big Man

Cover: Little Big Man
Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
9. Juni 2004
Abgelegt unter:
DVD

Film

(5.5/6)

Bild

(5/6)

Ton

(3/6)

DVD: Little Big Man

Regisseur Arthur Penns Little Big Man (1970) gehört zu den Filmen, die sich auf besondere Art um eine Entmystifizierung der diversen Klischees des bekannten US-Heimatfilmgenres „Western“ bemühen.

Der 121-jährige Greis Jack Crabb (Dustin Hoffman) wird in einem Altersheim von einem Reporter interviewt. Als Kind der Ära der Anti-Vietnamkrieg-Proteste sieht dieser in Crabb einen eher konservativen Vertreter des alten Pioniergeistes, einen, für den nur ein toter Indianer ein guter gewesen ist. Crabb staucht den Ahnungslosen entrüstet zusammen und erzählt dem Verdutzten die wechselvolle Geschichte seines Lebens, das von den Erfahrungen mit zwei Menschen entscheidend geprägt worden ist: Der eine war der gütige Häuptling Old Lodge, der den nach einem Überfall aufgegriffenen Jungen in der Tradition der Cheyenne zum „Menschenwesen“ — so bezeichnen die Cheyenne einen der Ihren — heranreifen und aufwachsen lässt. Der andere war General Custer, der stellvertretend für die Weißen erscheint, welche die Indianer wie lästiges Ungeziefer vertreiben und notfalls vernichten wollten. Jack Crabb pendelt zwischen der fast durchweg verlogen und zugleich grotesk und morbide erscheinenden Welt der Weißen und der ehrlicheren Lebensweise der Indianer hin und her. Er erlebt General Custer als den Schlächter vom Washita River und lernt dabei diesen (Un-)Menschen zu hassen.

Custer wird von Richard Mulligan sehr überzeugend zum narzisstisch-eitlen und zum Größenwahn neigenden arroganten Fatzke stilisiert, der nicht erst im Chaos der Schlacht am Little Big Horn ähnlich besessen erscheint wie rund zehn Jahre nach Arthur Penns Film die Militärs in Coppolas Apocalypse Now. Übrigens, Disneys etwas rührselige Jugend- und Familienunterhaltung Tonka • Sie nannten ihn Komantsche (1958) dürfte für Penns Inszenierung von „Custers last Stand“ entscheidende Anregungen geliefert haben.

Gedreht nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Berger (deutscher Titel „Der letzte Held“) geht der Film mit einer wohl dosierten Mischung aus Humor, Ironie und mitunter auch bitterem Sarkasmus an die Sache heran. Dank eines guten Drehbuches und im Zusammenwirken mit einer durchweg sehr guten Besetzung — allen voran ein brillanter Dustin Hoffman — gelingt Penns Film eine bewundernswürdige Gratwanderung: Trotz erschütternder, einen Kloß im Hals erzeugender Momente, wie beim Gemetzel am Washita-River, rutscht sein Little Big Man nicht hoffnungslos ins Pessimistisch-Zynische ab, erscheint vielmehr als gekonnt ausbalancierte, insgesamt augenzwinkernde und positive Lebenserfahrung seines Protagonisten, wobei Trauer und Heiterkeit dicht beieinander stehen.

Zwar liegen die Sympathien von Arthur Penns Film eindeutig auf der Seite der so genannten Menschenwesen, also der Wilden; aber auch deren Welt ist, obwohl edler als die der Weißen, eben nicht frei von Schönheitsfehlern, grotesken Figuren und Situationen. So fungiert Crabb zwischendurch immer wieder als Off-Erzähler, berichtet beispielsweise, dass das Erste, was man von einem Indianerdorf sehe, der Dreck sei, nämlich in Form der Abfallhaufen. Häuptling Old Lodge Skins hat keine allzu gute Meinung von weißen Frauen: er habe einmal eine gehabt, aber sie habe keinen Enthusiasmus gezeigt. Und als sich der greise Häuptling zum Sterben niederlegt, beginnt es zu regnen: er muss blinzeln, richtet sich auf und fragt den anwesenden Jack: „Bin ich noch auf dieser Welt? Das habe ich befürchtet. Nun gut, manchmal wirkt die Magie, manchmal wirkt sie nicht.“ So vermeidet der Film eine übertriebene Idealisierung und Romantisierung der Indianer, der Kevin Costner in Der mit dem Wolf tanzt (1990) doch weitgehend erlegen ist.

Entsprechend unpathetisch und zurückhaltend gibt sich auch die Filmmusik von John Hammond. Nur sparsam setzt der Komponist auf von einem kleinen Ensemble gespielte, zur Zeit der Filmhandlung passende, folkige Klänge (keine Sinfonik) und setzt darüber hinaus zweimal den „Garry Owen“ (siehe dazu auch They Died with their Boots On) als Synonym für die militärische Aggressivität der Weißen und natürlich General Custer ein. Auch dieses Traditional, dass Custer zum Regimentsmarsch der 7. Kavallerie machte, erklingt im Stil einer Regimentskapelle der Ära, interpretiert allein von Snare-Drums und Querflöten.

Im Gegensatz zu Bonnie and Clyde ist Little Big Man in der Inszenierung der Gewalt und dem Einsatz von Filmblut überaus zurückhaltend. Trotzdem gelingt es dem Film, seine Botschaft überzeugend und ausgewogen zu vermitteln. Little Big Man ist natürlich auch ein klares Kind seiner Zeit, der Ära der Proteste gegen den Vietnamkrieg, aber trotzdem nicht mittlerweile patiniert. Im Gegenteil! Arthur Penns Film hat, wohl auch durch seinen interessanten historischen Ansatz, die Zeitläufe erstaunlich frisch überstanden und zählt zusammen mit Robert Altmans Buffalo Bill und die Indianer (1976) zu den bedeutenden Spätwestern und besten Western der 70er Jahre überhaupt.

Die Paramount-DVD präsentiert den Film in der Reihe „Widescreen Collection“ in sehr überzeugender Bildqualität, prima Farben und im korrekten Scope-Bildseitenverhältnis (1 : 2,35). Den Ton gibt es sowohl in Englisch in einem 4-kanaligen Upmix auf AC3-5.1 als auch in Deutsch in sehr solidem Mono. Der englische Stereo-Surround-Sound ist allerdings gegenüber der sehr guten, klar und recht knackig herüberkommenden deutschen Mono-Synchronfassung kaum räumlicher und daher letztlich wenig überzeugend. Etwas schlicht ist auch die (nicht vorhandene) Ausstattung mit (ohne) Zusatzmaterial. Das ist zwar etwas seltsam, da es seinerzeit zum Film durchaus einiges an Werbung und natürlich auch mindestens einen Trailer gab, aber trotz dieser kleinen Einschränkung ist die Edition für den filminteressierten Sammler wohl kaum verzichtbar.

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zu Pfingsten 2004.

Regisseur:
Penn, Arthur

Erschienen:
2004
Vertrieb:
Paramount
Kennung:
DVD 452411
Zusatzinformationen:
USA 1970

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