Krieg und Frieden

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
20. Dezember 2003
Abgelegt unter:
DVD

Film

(5/6)

Bild

(5/6)

Ton

(3/6)

Extras

(3.5/6)

Krieg und Frieden und „Turandot“: Dino de Laurentiis opernhaftes Kinospektakel und Puccinis Oper

Krieg und Frieden

1037Die von Dino de Laurentiis produzierte italienisch-amerikanische Koproduktion von Krieg und Frieden entstand mit großem Aufwand in Oberitalien in den Jahren 1955/56. Unter der Regie von King Vidor (Duell in der Sonne) brillieren in den Hauptrollen Audrey Hepburn, Henry Fonda und Mel Ferrer. Aber auch Herbert Lom als Napoleon ist einer der überzeugendsten Darsteller des berühmten Korsen überhaupt.

Beim resultierenden Film-Epos muss man zwar von einer stark gestrafften „Readers-Digest-Version“ des berühmten russischen Mammut-Romans sprechen, die allerdings gekonnt inszeniert worden ist. (Der Autor, Leo Tolstoi, verfasste Teile davon übrigens während des Krim-Krieges — bei der Belagerung von Sebastopol.)

1038Es ist praktisch unmöglich, der gewaltigen Romanvorlage im Rahmen eines knapp dreieinhalbstündigen Films umfassend gerecht zu werden. Das Pendant zu Vidors Version ist Sergej Bondartschuks Inszenierung des Stoffes, Wojna i Mir (1965-67). Bondartschuks Film erstreckt sich (ungekürzt) über rund sieben Stunden und ist das wohl gewaltigste Prestigeobjekt des sowjetischen Kinos der 60er Jahre geworden. Auch wenn die russische Filmversion in vielen Details klar besser abschneidet und damit insgesamt dem Roman gerechter wird, die King-Vidor-Fassung ist im Vergleich nicht einfach zweitklassig. Vielmehr profitiert die Vidor-Version trotz gewisser Einschränkungen auch vom unleugbaren Hollywood-Touch in der professionellen Machart. Sie bietet handwerklich perfektes Ausstattungskino (mit tadellosen darstellerischen Leistungen) und imponiert dabei auch durch eine Reihe faszinierend choreographierter Massenszenen. So in der Schlacht von Borodino, bei der optisch brillanten Attacke der französischen Kavallerie, die durch die zurückflutende Infanterie hindurch (!) gegen russische Geschützstellungen voranstürmt.

Der hochdramatisch in Szene gesetzte Rückzug der französischen Armee in der Öde des russischen Winters ist berühmten Gemälden eindrucksvoll nachgestaltet. Und wenn die von den Russen bedrängten und unter Artilleriefeuer genommenen Franzosen verzweifelt versuchen, über den Grenzfluss Beresina zu entkommen, dann ist auch für den letzten Zuschauer die Niederlage Napoleons eindrucksvoll belegtes Faktum. Gerade in diesen Szenen ist Vidors Version nicht nur besonders stark, sondern der vorzüglichen russischen Fassung an Aussagekraft und Wucht sogar eindeutig überlegen.

Der Film auf DVD:

Die Paramout-DVD präsentiert den Film in sehr beachtlicher Qualität. Die transferierte Archivkopie zeigt sehr saubere, satte Farben und Kontraste, ist sehr detailfreudig und darf auch in Sachen Schärfe mit „gut“ bis „sehr gut“ bewertet werden. (Im deutschen Fernsehen ist Krieg und Frieden immer in recht ordentlicher Qualität, allerdings immer nur in Vollbild gezeigt worden.) Die DVD zeigt den Film erstmalig im 16:9-Widescreen-Format, und damit in einem dem VistaVision-Verfahren gerecht werdenden Bild-Seitenverhältnis, mit mehr Bildinformation an den Seiten. Mit stereofonem Ton wartet leider weder die deutsche noch die englische Tonfassung auf. Geboten wird ausschließlich ein klares und sauberes Mono, bei dem Nino Rotas Musik besonders in der deutschen Fassung recht eng und belegt klingt — vermutlich gab es selbst in den USA nie etwas entscheidend Besseres.

Der schwarz-weiße Produktions-Trailer — im Segment „Special Features“ fälschlich als Theatrical Trailer bezeichnet — ist eine willkommene Rarität. Hier wird man nicht allein „Augenzeuge“, wie einige der monumentalen Szenen der Schlacht von Borodino inszeniert worden sind, auch der Regisseur wendet sich „höchstpersönlich“ werbend an den (potentiellen) Kinogänger. Der originale Kinotrailer ist dann unter „Rerelease Trailer“, ebenfalls in Breitbild, mit leicht verblassten Farben, in insgesamt aber sehr ordentlicher Qualität zu begutachten.

Nino Rotas prächtige, melodisch reichhaltige, breit orchestrale Filmmusik (inklusive Chor) liefert für das opernhafte Kostümspektakel die perfekte musikalische Untermalung. Sie gehört zwar zu den bekannteren Arbeiten des italienischen Maestros, ist aber nichtsdestoweniger bislang allein in äußerst bescheidener Qualität auf Tonträger präsentiert worden. Zweifellos wäre sie ein Kandidat für eine Neueinspielung — vielleicht zum 50. Jubiläum des Films im Jahr 2006. Wie wär’s Silva? (Diese Frage ist allerdings mit der Erwartung optimaler Produktionsbedingungen verknüpft. Krieg und Frieden ist nicht Romeo und Julia! Für die komplexere Musik ist ein ähnlich gut disponiertes Orchester erforderlich wie bei der ersten Jerome-Moross-CD und zusätzlich ein tadelloser Chor.)


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Regisseur:
Vidor, King

Erschienen:
2003
Vertrieb:
Paramount
Kennung:
DVD 452300
Zusatzinformationen:
USA/Italien, 1955/56

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