Krabat

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
17. November 2008
Abgelegt unter:
CD

Score

(3/6)

Schwarze Magie in der Lausitz: Krabat

Breitorchestrale Filmmusik aus deutschen Landen. Nimmt man die Herkunft der Komponistin Annette Focks als Basis, stammt diese aus dem südwestlichen Niedersachsen, genauer, aus dem im Emsland gelegenen Ort Lingen.

Im Film gehört, wirkt die Musik zwar nicht meisterwerkverdächtig, in Teilen geht sie aber recht gut ins Ohr. Hört man sich allerdings ohne visuelle Ablenkung in die Filmvertonung hinein, treten neben einer Reihe ansprechender Momente auch die Grenzen in der Gestaltung deutlich hervor. Was der Komposition entscheidend fehlt, ist ein spürbares Maß an eigener Stimme. Nicht allein die Nähe zu Howard Shores Musiken zur Trilogie Der Herr der Ringe wird als Vorbild sehr deutlich. Besonders die Bezüge zum Klangkosmos Hans Zimmers sind geradezu unüberhörbar. So fühlt man sich z. B. in „Gevatter“ oder „Erste Osternacht“ deutlich an Gladiator & Co. erinnert. Das betrifft neben der Chorbehandlung auch die, für einen in der frühen Neuzeit angesiedelten Stoff, merkwürdig erscheinende Art und Weise des Einbindens von Klangsynthetik. Besonders die verschiedentlich (wenn auch recht dezent) elektronisch erzeugten poppigen Rhythmuseffekte sowie die Ambienteinsprengsel wirken recht befremdlich. Sie erscheinen eher wie das kaum verhehlte Liebäugeln mit einer gerade für ein junges Zielpublikum vertrauten Zimmer’schen Klangästhetik denn als wirklich inspiriertes Gestaltungsmittel. Unterstrichen wird der etwas verhaltene Gesamteindruck noch durch das Klangbild, welches sich ähnlich künstlich gibt wie der Name der Studio-Klangformation mit „Philharmonic Sound Orchestra Munich“. Abmischungstechnisch ist hier, wenn auch insgesamt weniger basslastig, wiederum auf den eher breiigen Gesamtklang einer Produktion aus dem Hause Zimmer normiert worden, — annähernd vergleichbar mit dem relativ luftigen Pirates of the Caribbean — At World’s End. Im weiteren Verlauf wird der Pfad des Zimmermannes zeitweilig verlassen. Dann klingen besonders die Chöre stärker nach Orffs „Carmina Burana“. Gelegentlich fühlt man sich auch ein wenig an John Barrys The Last Valley • Das vergessene Tal (1970) erinnert.

In „Gesellen“ kommt erstmalig Howard Shore (s. o.) und ganz besonders Die Gefährten in Erinnerung: „Auf ins Auenland“ scheint hier die Devise zu sein. Durchaus angenehm, wenn auch wiederum stark der Klangwelt der Tolkienverfilmungen verpflichtet, gibt sich das wohl in sorbischer Sprache vorgetragene „Osterlied“. Ansonsten finden sich auf die Zeit der Filmhandlung besonders überzeugend abzielende Klänge allein in einem einzelnen Moment, im eher als „Source-Cue“ anzusehenden „Das Fest“. Hier geht es dann kurzzeitig mit kleinem historisierend zusammengesetztem Ensemble, mit Krummhorn und Schalmei, nett zur Sache. Vom übrigen klanglichen Geschehen bleibt diese historisierende Passage allerdings völlig isoliert.

Auffällig ist noch die recht prominente Rolle der eher selten zu hörenden, interessant klingenden Viola da Gamba. Dieses bevorzugt in der Musik des Barocks und der Renaissance zu findende Instrument wird allerdings von Focks generell geschätzt und gern verwendet — siehe auch Edition Filmmusik. Insofern ist der Einsatz der Viola da Gamba in der Musik zu Krabat zwar durchaus ansprechend, aber nur sehr bedingt als inspirierter Einfall zu werten.

Mit knapp 65 Minuten (von insgesamt etwa 80 Minuten Musik) ist das Album sehr zufrieden stellend bestückt. Allerdings erweist sich der Albumschnitt über die gesamte Spieldauer wiederum als deutlich zu lang. Das liegt auch mit daran, dass die Themen kaum entwickelt oder gar raffiniert zerlegt werden. Ebenso wird der Konflikt zwischen Krabat und dem dämonischen Herrn der Mühle musikalisch nur blass gespiegelt, aber eben nicht wirklich ausgetragen. Abseits von Tremoli der Streicher in Kombination mit dissonanten Akkorden des Blechs passiert kaum etwas. In verknappter Suitenform programmiert ergibt sich dann aber doch noch ein ordentliches Höralbum mit einer Reihe netter Momente.

Die Abspannmusik des Films wartet übrigens mit einem das Blut des friedlichen Hörers gefrieren lassenden kommerziellen Gag auf. Anstelle eines sinfonischen und/oder auch vokalsinfonischen Resümees wird nämlich nach ca. einer Minute der Song „Allein allein“ von Polarkreis eingeblendet. Derartiges Schockfrosten bleibt dem Käufer des Albums allerdings erfreulicherweise erspart.

Annette Focks (•1964) ist zweifellos eine der talentiertesten und hoffnungsvollsten Neuzugänge im deutschen Filmmusikgeschäft. Eine Feststellung, die durch ihre Komposition zu Krabat gewiss nicht unterhöhlt, aber auch nicht gerade unterstrichen wird. Dass sie allerdings, wie kürzlich in einem Interview betont, bei der Konzeption und Gestaltung des Krabat-Scores alle Freiheiten gehabt hätte, vermag man nach eingehenderem Hören kaum noch zu glauben. Vielmehr bekommt man hier doch nachhaltig den Eindruck der werbewirksamen Schönfärberei. Das ist etwas, was Informationsgehalt und Wert derartiger „Interviews“, aber damit natürlich auch die Informationspolitik diverser Medien, zunehmend fragwürdig erscheinen lässt.

Regisseur Marco Kreuzpaintners (Sommersturm) Umsetzung der vielfach ausgezeichneten Romanvorlage vom Schöpfer des berühmten Räubers Hotzenplotz und der kleinen Hexe, Otfried Preußler, ist zum immerhin respektablen Ritt auf der Fantasy-Welle geraten. Dabei geht Krabat auf eine alte sorbische Legende aus der Lausitz zurück. Sie handelt von den Verlockungen und Verhängnissen der Schwarzen Magie und der erlösenden Macht der Liebe. Otfried Preußler hat die alte Geschichte um den Meister der Mühle am schwarzen Wasser im Koselbruch und seinen Lehrbuben Krabat 1971 zum poesievollen Märchen umgestaltet — eine Lektüre, die man nicht ausschließlich Kindern, sondern ebenso Erwachsenen nur ans Herz legen kann. Wer nicht selber lesen, aber dem Original trotzdem möglichst nahe kommen möchte, für den ist die auf drei CDs angelegte Lesung des Autors, eine leicht geraffte Fassung des Romans, zu empfehlen. Preußlers Vortrag ist zwar nicht so markant wie der eines Ben Becker oder Christian Brückner. Der Autor vermag es aber durchaus, den Interessierten auf recht stimmungsvolle Art und Weise durch die Welt seines Märchenstoffes zu führen. Angenehm fällt dabei auch auf, dass in einigen Teilen der Sprachstil der verschachtelt altmodischen Ausdrucksweise der Epoche der Handlung, des frühen 18. Jahrhunderts, angenähert ist. Otfried Preußler feierte übrigens am 20. Oktober 2008 seinen 85. Geburtstag.

Das ebenfalls erhältliche Film-Hörspiel ist eine Synthese aus Originalfilmtönen und den die fehlenden Bilder ersetzenden Kommentaren des als Erzähler fungierenden Dietmar Mues. Derartiges ist allerdings auch eine Modeerscheinung, die nur bedingt in der Lage ist, eine speziell für das reine Hören konzipierte Hörspielfassung zu ersetzen. Dass man dafür die aus dem Kino vertrauten Originalstimmen wieder vernimmt, dürfte jedoch besonders jüngere Krabat-Fans ansprechen.

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Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Focks, Annette

Erschienen:
2008
Gesamtspielzeit:
64:33 Minuten
Sampler:
Jumbo/GoyaLiT
Kennung:
442 281-2

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