Ein Geheimtipp in Technicolor: Rouben Mamoulians König der Toreros (1941)
Der Regisseur Rouben Mamoulian: Ein teilweise immer noch Unterschätzter des Metiers
Das Filmschaffen des aus Georgien stammenden Regisseurs Rouben Mamoulian (1897–1987) ist mit insgesamt nur 16 Filmen eher klein. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass er sich nicht vereinnahmen ließ und sich entsprechend niemals längerfristig, sondern stets nur für einzelne Projekte an eines der Hollywood-Studios gebunden hat. Er war aber auch ein fähiger Mann des Theaters, wo seine Laufbahn nicht nur begann, sondern wohin er während seiner Filmkarriere auch immer wieder zurückkehrte und Erfolge feiern konnte, z. B. mit den Original Broadwayinszenierungen von „Oklahoma!“ (1943) und „Carousel“ (1945). Auch George Gershwins „Porgy and Bess“ (1935) gehörte dazu. Zwar ist dieses Stück inzwischen anerkannter und hoch geschätzter Part der amerikanischen Musikkultur, aber das war längst nicht immer so. Das anfänglich höchst kontrovers diskutierte Werk verdankt letztlich ebenfalls viel der zuerst eher herablassend beurteilten Regiearbeit Mamoulians.
Sein Hollywood-Debut mit Applause (1929), fiel in den Umbruch zum Tonfilm und war der erste seiner insgesamt sechs Filme, die er für Paramount realisierte. Schnell zeichnete er sich im Filmhandwerk durch eine besondere Liebe zum Detail aus und experimentierte ausgiebig mit innovativen Techniken, etwa der besonders elegant eingesetzten Möglichkeiten der entfesselten Kamera. Dabei ist seine Handschrift eher die eines das Bestehende kreativ und kühn erweiternden Erneuerers als die eines Revolutionärs. Sein Engagement betraf aber nicht nur das Visuelle. Bereits in der frühen Phase der Tonfilmära widmete er ebenso der Gestaltung der Tonspur ganz besondere Aufmerksamkeit und leistete hier echte Pionierarbeit. Bei der Produktion von Laura (1944) wurde er zum ersten Mal während eines Drehs gefeuert. Bei den Arbeiten an der Verfilmung von Porgy and Bess (1959) kam es zu heftigen Streits mit Produzent Samuel Goldwyn, der ihn schließlich durch Otto Preminger ersetzte. Sein Rauswurf bei Cleopatra (1963) brachte zugleich seine Filmkarriere zum jähen Ende. Kurioserweise hat Rouben Mamoulian nie einen Oscar erhalten und ist auch nicht einmal nominiert worden.
Zu seinen bekanntesten Filmen zählen der herausragende Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) sowie das ebenfalls brillant inszenierte und fotografierte Mantel-und-Degen-Abenteuer The Mark of Zorro ∗ Im Zeichen des Zorro (1940). Dabei tritt bereits beim noch in die frühe Tonfilmära gehörenden Dr. Jekyll and Mr. Hyde das Besondere der besten Mamoulianfilme prominent hervor. Zu nennen sind neben den Licht- und Schattenwirkungen des deutschen Stummfilmexpressionismus etwa die vielfältig eingesetzte, so eindringlich wirkende subjektive Kameraführung. Hinzu kommen die seinerzeit nur aufwändig realisierbaren 360°-Panoramaschwenks und ebenso die raffinierten Split-Screen-Darstellungen. In der Inszenierung erstaunen die sehr direkten erotischen Anspielungen und ebenso die äußerst realistisch, schonungslos heftig dargestellten Gewaltmomente. Entsprechend vermag diese Verfilmung es trotz unvermeidbarer Patina immer noch, den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Darüber hinaus beindrucken die raffinierten Special-Effects in den so verblüffend fließend erscheinenden Verwandlungsszenen, die selbst heutzutage nur wenig von ihrer ursprünglichen Faszination eingebüßt haben. Mag auch der eine oder andere, der den Film nicht kennt, an der affenähnlichen Hyde-Maske mit ihren charakteristisch hervorstehenden Zähnen zunächst Anstoß nehmen. Diese mag heutzutage zwar übertrieben und lächerlich zugleich erscheinen, aber der erste Eindruck täuscht letztlich gewaltig. Es handelt sich hier nämlich nicht nur um eine für ihre Zeit außergewöhnlich moderne Umsetzung der Novelle von Robert Louis Stevenson (Autor von „Die Schatzinsel“), sondern zugleich um die wohl beste der mehr als 40 Verfilmungen dieses reizvollen Stoffes überhaupt. Obwohl das Alter des Films zwangsläufig unübersehbar ist, besitzt dieser nach wie vor eine außergewöhnlich dichte, ja geradezu atemberaubende Atmosphäre.
Für die Wiederaufführung 1936 fielen dem zwischenzeitlich etablierten Hays-Code rund 8 Minuten Film zum Opfer, die erfreulicherweise um 1990 wieder eingefügt werden konnten. Als MGM 1941 seine Neuadaption mit Spencer Tracy, Arzt und Dämon, vorlegte, erwarb das Studio auch die Rechte an der Mamoulian-Version, die infolgedessen fast 30 Jahre lang nicht mehr zu sehen war. Die sorgfältig restaurierte Fassung ist bisher wohl nur ein einziges Mal im hiesigen Fernsehen zu sehen gewesen: am 8. März 1993 in der ARD.
Rouben Mamoulians Blood and Sand ∗ König der Toreros
Schon in den goldenen Kinotagen waren Remakes in und in aller Regel von Erfolgen der Stummfilm-Ära inspiriert. Die 1941er Version von Blood and Sand besitzt ihren Vorläufer in Rudolph Valentinos 1922er Produktion.
Im Zentrum der Filmhandlung steht ein ehrgeiziger junger Spanier aus der Provienz (als Junge Rex Downing, erwachsen Tyrone Power), der davon träumt die glanzvolle Karriere seines in der Arena beim Stierkampf zu Tode gekommenen Vaters noch zu übertreffen. Auf dem Höhepunkt seines Star-Ruhmes angekommen wird er, der letztlich ein einfacher, naiver Junge vom Land geblieben ist, nicht nur das Opfer falscher Freunde, die ihn ausnehmen. Er verfällt zudem dem zerstörerischen Einfluss einer verführerischen, mondänen Gräfin (Rita Hayworth) und gerät so in eine Lebens- und Sinnkrise, womit auch sein Stern unaufhaltsam zu sinken beginnt. Am Schluss besinnt er sich und findet noch zu seiner wahren Jugendliebe (als Mädchen Ann E. Todd, erwachsen Linda Darnell) zurück, bevor auch er in der Arena zu Tode kommt. Dort steht bereits der neue Mann (Anthony Quinn), pikanterweise ein ehemaliger Jugendfreund, in den Startlöchern, um seine Nachfolge anzutreten.
Die Story um Starruhm und Selbstmythologisierung ist aus heutiger Sicht schon allzu sentimental und melodramatisch angelegt. Eingestreut finden sich allerdings verschiedentlich für die Zeit erstaunlich kritische Anmerkungen zum barbarischen Geschäft des Stierkampfes. Unterm Strich wirkt die Handlung in ihren moralisierenden Anliegen überladen und merklich altbacken. Gerade Letzteres ist freilich ein Problem, das so manche (vermehrt) (Fox-)Filme des Golden Age heutzutage haben. Über die Jahre haben sie oftmals sehr viel Staub angesetzt und erscheinen so häufiger erheblich weniger frisch als vergleichbare Pendants etwa von Warner Brothers. Und das gilt m.E. auch für den aus einer irischen Einwandererfamilie mit langer Schauspielertradition stammenden Tyrone Power, damals der „Errol Flynn der Fox“, welchen ich in praktisch sämtlichen Filmen die ich mit ihm kenne als schnell etwas langweiligen, brav-biederen und uncharismatischen Prince charming empfunden habe, als einen, der seinem Warner-Gegenstück nicht wirklich das Wasser reichen konnte. Die einsame positive Ausnahme dazu bildet der ebenfalls von Mamoulian für 20th-Century-Fox inszenierte The Mark of Zorro ∗ Im Zeichen des Zorro (1940), welcher übrigens ebenfalls ein Stummfilm-Remake, nämlich der 1920er Version mit Douglas Fairbanks ist. Mit diesem hatte das Fox-Traumpaar Linda Darnell und Tyrone Power übrigens bereits zuvor für die Cent-Fox einen beachtlichen Hit gelandet. Für das Duo war im Anschluss Blood and Sand zwar bereits der vierte gemeinsame, aber zugleich der erste Farbfilm, nach Daytime Wife (1938), Brigham Young – Frontiersman ∗ Treck nach Utah (1940) und The Mark of Zorro (1940).
In Rouben Mamoulians Blood and Sand sind die grandiosen, stilistisch alten spanischen Meistern nachempfundenen Farbbildkompositionen die Hauptattraktion. Wie hier die Ästhetik der Gemälde von z. B. El Greco, Diego Velázquez, Bartolomé Esteban Murillo, oder auch Francisco de Goya mit der des Farbfilms vereint wird, das besitzt Klasse. Der prächtige Bildeindruck ist dabei in besonderem Maße geprägt von der für viele der farbigen Hollywood-Produktionen der 1940er so typischen wie unverwechselbaren Brillanz der Farbpalette des 3-Farben-Technicolorverfahrens – siehe dazu Robin Hood, König der Vagabunden (1938). Dabei ist anzumerken, dass es zwar durchaus einige Szenen gibt, die mit relativ viel üppig leuchtenden Farben aufwarten. Diesen stehen aber zugleich sehr viele gegenüber, in denen der Einsatz der Farbe wesentlich dezenter gehalten ist, mitunter eher pastellig. Hier zeigt sich wiederum, dass die zu Technicolor dominierende Feststellung, die Farbgestaltung sei durch übertrieben gesättigt erscheinende und daher oftmals grell-bunte Farbtöne bestimmt, auch Gefahr laufen kann, selbst zum Klischee zu werden. Zwei weitere Beispiele dazu sind Wem die Stunde schlägt (1943) und auch der berühmte Vom Winde verweht (1939), welcher abgesehen von ein paar satt glühenden Sonnenuntergängen von Pastelltönen dominiert ist. Natürlich hat bei König der Toreros auch das vorzügliche Kamerateam Ernest Palmer und Ray Rennahan – siehe dazu wiederum Wem die Stunde schlägt (1943). Beide erhielten dafür bei der Oscar-Verleihung 1942 die begehrte Trophäe in der Kategorie „Beste Kamera“. Mamoulian hatte übrigens bereits zuvor, allerdings eher zufällig, mit Becky Sharp (1935) auch den ersten abendfüllenden Realfilm überhaupt im zuvor (wegen eines Exklusivvertrages) ausschließlich bei (Disney-)Animationsfilmen erprobten 3-Farben-Technicolorprozess aufgenommen. Er war eingesprungen, nachdem Regisseur Lowell Sherman während der Vorbereitungen für den Dreh im Dezember 1934 infolge einer Lungenentzündung verstarb.
Die späterhin auch durch Ihre rotgefärbte Haarpracht hervorstechende Rita Hayworth war hier erstmalig in der Rolle einer verführerische Femme fatale zu sehen und errang so mit König der Toreros den entscheidenden Durchbruch. Wenige Jahre später absolvierte sie als laszive Nachtklubsängerin Gilda (1946) ihren berühmtesten Leinwandauftritt, mit dem sie endgültig zur amerikanischen Sex- und Liebesgöttin avancierte.
Bemerkenswert ist noch die Filmmusik von Alfred Newman, die sowohl ein prachtvolles Haupt- als auch ein sinnlich schmachtendes, für den Komponisten so typisches Liebesthema besitzt. Ebenso bemerkenswert ist an dieser Stelle aber zugleich ihr überaus sparsamer Einsatz (geschätzt kaum mehr als ca. 20 Minuten), der ein weiteres Mal das schwer auszurottende Klischee vom „Wall-to-Wall-Scoring“ beim US-Kinofilm der 1940er-Jahre Lügen straft.
König der Toreros in HD auf BD
Die Blu-ray-Veröffentlichung von explosive media ist als Einzel-BD in der üblichen blauen Amaray-Box erhältlich, versehen mit einem ansprechenden Filmplakatmotiv als Cover.
Bild und Ton
Das HD-Bild im Akademie-Format (1: 1,37) sieht durchweg schon sehr beachtlich aus. Nennenswerte Schäden in der Vorlage sind ebenfalls nicht auszumachen. Sehr gute Schärfe und ein vorbildlich bis hinunter zum tiefen Schwarz optimal abgestuft erscheinendes Kontrastverhältnis gehen mit fein differenzierter Farbwiedergabe Hand in Hand und sorgen für detailreiche Bilder von sehr beachtlicher Qualität. Die Farbsättigung dürfte mitunter allerdings schon noch etwas knackiger ausfallen: So wirken insbesondere Grüntöne fast durchweg etwas blass und auch offensichtlich sattem Rot fehlt ein wenig das von Technicolor-Restaurationen der Top-Kategorie geläufige unverwechselbare Leuchten und damit der Hingucker-Effekt – siehe dazu etwa Cecil B. De Milles Die Unbesiegten (1947).
Die monorale deutsche Lichttonspur ist der englischen Originaltonspur qualitativ sehr ähnlich. Weitgehend frei von unschönen Verzerrungen klingt sie zwar nicht übermäßig frisch, aber überwiegend sauber und somit respektabel.
Als Boni gibt es eine ansehnliche Bildergalerie, versehen mit Standfotos und weiteren Werbematerialien sowie einen Trailer in passabler SD-Qualität. Darüber hinaus findet sich noch die (in den Angaben auf dem Back-Cover übrigens nicht erwähnte) aus dem Jahr 1996 stammende US-TV-Doku „Tyrone Power: Das letzte Idol“. Bei diesem unübersehbar aus 4:3-TV-Zeiten stammen-den älteren Material hat man leider in das Bild hinein gezoomt, um es auf das heute übliche TV-Breitbildformat aufzublasen. Das am oberen und unteren Bildrand kräftig beschnittene Bild wirkt in dem, was es noch zeigt, zwangsläufig erheblich fehlproportioniert und sieht häufig einfach nur schrecklich unnatürlich aus. Hier wiederholt sich die Geschichte spiegelbildlich. Dieser peinliche Unsinn erinnert nämlich exakt an das, was dem Zuschauer in den 4:3-TV-Zeiten bei Breitwandfilm-bildern allzu häufig zugemutet worden ist, nämlich der mehr oder weniger drastisch vorgenommene Beschnitt der Bildseiten, um die „berüchtigten“ schwarzen Balken am oberen und unteren Bildrand möglichst zu vermeiden.
Fazit: Zwar ist Rouben Mamoulians König der Toreros kein Film, der heutzutage noch in allen Punkten zu überzeugen vermag. Aber trotz seiner etwas antiquiert melodramatischen Erzählweise besticht er gerade durch die im Stile alter Meister gehaltenen Bildkompositionen. Durch den hier bewusst angestrebten „Gemäldetouch“ tritt in ganz besonderem Maße die erhabene „Künstlichkeit“ des eingesetzten edelsten der klassischen Farbverfahren des Films prominent hervor. Hier wird jede Einstellung zum besonderen Kunstwerk und damit zu einem unverzichtbaren Leckerbissen für Liebhaber des Kinos des Golden Age. Dies macht König der Toreros zum Geheimtipp in (3-Farben-)Technicolor.
Hier geht’s zum Gewinnspiel.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.