Jurassic Park

Geschrieben von:
Marko Ikonić
Veröffentlicht am:
19. Mai 2002
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

John Williams’ Soundtrack zu Steven Spielbergs erstem unterhaltsamen Dinosaurier-Spektakel Jurassic Park behauptet auch fast 10 Jahre nach seiner Entstehung noch den Rang als eine der beliebtesten Filmmusiken überhaupt. Mit seinem stattlichen Themenfundus, dessen durchgehend ohrwurmhafte Melodien in traditionell breitorchestraler Manier variiert werden, hat Jurassic Park für etliche (jetzt) Filmmusikbegeisterte der jüngeren Generation das bewirkt, was in früheren Jahrzehnten auf das Konto von Star Wars oder E.T. gegangen war: Der erste Kontakt mit solch strahlender, farbenfroher Kinosinfonik konnte bei vielen ein dauerhaftes Interesse an der Gattung „Filmmusik“ wecken.

Meistens sind nostalgische Gefühle nicht eben förderlich für die Bildung eines stimmigen qualitativen Urteils, sie führen mitunter zu erheblichen Überbewertungen. Jurassic Park von John Williams hält jedoch auch dem – bei nostalgisch überhöhten Musiken nicht selten ernüchternd ausfallenden – zweiten Blick mit kühlem bzw. wieder abgekühltem Kopf stand: Der Score bietet einen abwechslungsreichen, ausgewogenen Mix aus leicht zugänglichen Zutaten, die Williams mit seiner gewohnt bravourösen Orchestertechnik aber stets im besten Lichte erscheinen lässt.

Da gibt es anmutige, erhebende Themen – als Motto für den gesamten Film in Gestalt des wunderschönen hymnisch anmutenden Hauptthemas „Theme from Jurassic Park“ (Track 2 auf der CD, ein Konzertarrangement übrigens) und der allerdings nur einmal gebrauchten warmherzigen Melodie, die dem mächtigen erkrankten Triceratops-Weibchen zugeordnet wird (Zu hören am Beginn des insofern etwas unglücklich benannten Tracks „My Friend, the Brachiosaurus“).Ein in der ersten Hälfte triumphierend fanfarisches Thema wird in „Journey to the Island“ erstmals angestimmt. Die aufsteigenden Quinten der ersten zwei Notenpaare, oft ein musikalischer Ausdruck von sich aufbäumender Kraft, von Größe und Unbegrenztheit, der als Hörerreaktion Ehrfurcht und Staunen nach sich ziehen soll, sind schon aus Williams-Musiken wie Star Wars, Superman und E.T. hinlänglich bekannt, zähl(t)en aber überhaupt zum ständigen handwerklichen Inventar der Hollywoodkomponisten schon zu „Golden Age“-Zeiten.

Den Dreh- und Angelpunkt der Filmhandlung, den Diebstahl einiger Dinosaurier-Embryos durch den feisten Computerspezialisten Dennis Nedry, unterlegt Williams mit einem Cue („Dennis Steals the Embryo“), der angesichts der sonst rein symphonischen Konzeption des Scores ziemlich aus der Reihe tanzt: Eine merkwürdige, im Film durchaus wirkungsvolle Mischung aus dezenter synthetisch angereicherter Percussion, einem E-Bass-Ostinato und in den oberen Registern angesiedelten Figuren für Streicher, Blech und gelegentlich Naturflöten. Das Ergebnis mag man insgesamt als nicht uninteressantes Derivat des Tracks „The Conspirators“ aus Williams’ eigenem JFK-Score bezeichnen, der ja nur ein Jahr zuvor entstand.

Auf die Liste der leicht erkenntlichen Themen gehört schließlich auch noch das rührend Spieluhr-hafte „Remembering Petticoat Lane“. Die tiefe existenzielle Trauer des sicher wohlmeinenden, aber von infantilem Größenwahn klar fehlgeleiteten John Hammond (Sir Richard Attenborough), der sich vor den Scherben des Lebenswerks an seine Anfangszeit als ärmlicher Flohzirkusdirektor zurückentsinnt, findet adäquat bittere Resonanz in diesem Stück.

Der vielleicht interessanteste Baustein der Jurassic-Park-Musik von John Williams ist ein an sich unscheinbares 4-Noten-Motiv für jene Riesenechsen, die den Filmcharakteren den Insel-Aufenthalt erst zum tödlichen Horror-Trip werden lassen – für die Carnivoren, und hiervon hauptsächlich für die Velociraptoren (ein einziges Mal wird es auch direkt mit dem T-Rex in Verbindung gebracht, daher meine Verwendung des „Fleischfresser“-Überbegriffs).Williams demonstriert auch hier wieder, dass er alle Kniffe kennt, die sich ein Filmkomponist so zur emotionalen Steuerung des Publikums zu Nutze machen kann. Nicht nur, dass er mit einem auf- und einem (unter dem ersten Ton ansetzenden) absteigenden Notenpaar bereits auf Ebene der Tonhöhe ein labiles, Unsicherheit und Unberechenbarkeit ausstrahlendes Klanggebilde konstruiert; die beiden Schlusstöne ergeben darüber hinaus einen Tritonus, jenes auch „diabolus in musica“ genannte Intervall, das schon aus sich heraus Überspannung, Unbehagen und Gefahr verströmt und in der menschlichen Wahrnehmung einfach grundsätzlich unangenehm assoziiert wird. „Was Johnny kann, kann ich schon lang“, dachte sich wahrscheinlich Don Davis, der zu Jurassic Park III einen gelungenen Score unter Einbeziehung der Williams-Themen verfasst hat. Sein ebenfalls aus 4 Noten bestehendes Spinosaurus-Motiv enthält nämlich gleich zwei Tritoni.

Zurück zum ersten Teil: In den brachial-urtümlich wirkenden kurzen „Opening Titles“ wird das Motiv zum ersten Mal von Shakuhachi-artigen Flöten angedeutet. Recht beeindruckend finde ich dann, wie Williams mit diesem Musikpartikel in den dicht vertonten Actionsequenzen gegen Filmende, und besonders im rasanten Showdown im Besucherzentrum (als „T-Rex Rescue & Finale“ auf der CD) umgeht. Diese knapp 8-minütige orchestrale Tour-de-force stützt sich über weite Strecken auf das 4-Noten-Motiv, wobei der Komponist es in wildem Wechsel mal der stimmführenden Instrumentengruppe zuteilt, und mal zu „nur“ begleitender Funktion in den Hintergrund drängt.

Für die Soundtrack-CD hat Maestro Williams wieder eines seiner berühmten, in Einzelfällen wohl auch berüchtigten Höralben zusammengestellt. Mit Eingriffen in den chronologischen Musikverlauf, einigen irreführenden Tracknamen und Zusammenschnitten verschiedener Cues muss man schon leben, was angesichts der daraus resultierenden guten CD-Hörqualitäten aber nicht schwer fällt. Wirklich ärgerlich ist nur die Beigabe von Track 16, der so genannten „End Credits“. Dabei handelt es sich in Wahrheit um eine exakte Doublette der letzten dreieinhalb Minuten von „Welcome to Jurassic Park“ (Track 7), die alleine kostbaren Platz einnimmt und somit auf der CD eigentlich nichts verloren hat. Genannter Track 7 bietet nichts weniger als die in der CD-Mitte zwar reichlich seltsam positionierten, aber immerhin gesamten End Credits in der Filmversion.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Williams, John

Erschienen:
1993
Gesamtspielzeit:
70:22 Minuten
Sampler:
MCA
Kennung:
10859

Weitere interessante Beiträge:

Robots

Robots

Norwegian Rhapsody: Orchestral Favourites

Norwegian Rhapsody: Orchestral Favourites

Fairytale Pictures

Fairytale Pictures

Anton Bruckner: 0 & 00

Anton Bruckner: 0 & 00

Cinemusic.de