Selten wurde von der Filmmusik-Kritik in den letzten Jahren auf einen Score so verbal eingedroschen wie auf Graeme Revells Musik zur ambitionierten Miniserie Frank Herbert’s Dune (2000). Ein Rundblick auf die üblichen Informationsseiten im englischsprachigen Internet lässt, mit einigen wenigen Ausnahmen, von diesem Score geradezu Katastrophales erwarten. Angefangen mit dem Attest eines „völlig belanglosen Hauptthemas“ ist alles zu haben, was sich gut liest und dabei gründlich niedermacht: von Pauschalurteilen wie „nicht in der Lage, auch nur die geringste emotionale Reaktion hervorzurufen“, über die wütende Frage, wie der Komponist nur auf ein solch unvorstellbar niedriges Niveau sinken konnte, bis hin zum noch ein ganzes Stück skurrileren Vorwurf, Revell hätte, da ihm schon das voll besetzte City of Prague Philharmonic für die Aufnahmen zur Verfügung stand, doch bitte eine orchestral etwas üppiger dimensionierte Partitur schreiben sollen.
Eine überragende Leistung hat Graeme Revell mit Dune freilich nicht vorgelegt. Weshalb aber eine so durch und durch solide gearbeitete, hörbar mit großer Sorgfalt komponierte TV-Musik von den meisten meiner Kollegen an das untere Ende der Bewertungsskalen verbannt wurde, ist für mich schlicht nicht nachvollziehbar. Ein Platz im verdienten guten Mittelfeld erscheint mir hier weitaus angemessener.
Mit der Frage, ob die unter gewaltigem Aufwand produzierte dreiteilige TV-Filmfassung von Frank Herberts Sciencefiction-Klassiker der Buchvorlage gerecht wird, mögen sich Kenner der Materie auseinandersetzen. Unabhängig von der Qualität der Umsetzung bot die recht komplexe Story um den Wüstenplaneten Arrakis Revell in jedem Fall die Gelegenheit, einen im positiven Sinne eklektischen, viele Stilelemente vereinenden Score zu schreiben.
Hauptträger des musikalischen Geschehens ist das konventionelle Symphonieorchester, dem sich in ausgewählten Momenten der Chor bzw. vereinzelt Vokalsolisten zugesellen. Einen ethnischen Einschlag erhält die Partitur durch markant eingesetzte Instrumente aus Osteuropa und Nahost (hauptsächlich ausgefallene Holzblasinstrumente und Perkussion) und dementsprechendes orientalisch-exotisches Scoring für das intrigante Harkonnen-Adelshaus und das nomadische Wüstenvolk der Fremen. Revell ist bekanntlich Elektronik-Experimenten alles andere als abgeneigt. Dies macht sich auch hier, im nicht gerade sparsamen Umgang mit Synthesizern, bemerkbar. Erfreulicherweise dienen sie aber nicht als bloßer Orchesterersatz – eine „Lösung“, die dieser Komponist schon des Öfteren (zuletzt auch bei Collateral Damage) gewählt hat , sondern werden meist dazu benutzt, die Musik mit einer fremdartigen, gewissermaßen „unirdischen“ Klangaura zu überziehen.
Gegenüber dem symphonischen Gestalten mit Themen und Motiven gibt Graeme Revell in seinen Filmmusiken oft einem eher texturellen Zugang den Vorzug, der sich unter anderem auf atmosphärische, akustisch-elektronische Klanggewebe und im Allgemeinen auf das Spiel mit Klangräumen und -strukturen konzentriert. Auch auf die Dune-Musik passt diese Beschreibung in den Grundzügen, wenngleich der Vorrang hier diesmal dem filmmusikalisch altbewährten Thema-Variation-Konzept gilt. So ist den wichtigsten Handlungsträgern (den verfeindeten Adelshäusern Atreides und Harkonnen, dem Fremen-Volk sowie dem eigentlichen Helden der Geschichte, Paul Atreides) eigenes thematisches Material zugeordnet, das auf durchaus geschickte Weise verarbeitet und den jeweiligen dramaturgischen Erfordernissen angepasst wird.
Revell weist im recht informativen bebilderten Booklet ausdrücklich darauf hin, wie schwierig es für ihn war, über eine Gesamtmusikdauer von etwa zwei Stunden (für den insgesamt viereinhalbstündigen Film) nicht den Faden bei der handlungsgerechten Anwendung seines Themenmaterials zu verlieren. Der Begleittext gewährt hierzu auch einen interessanten Einblick in die Komponistenwerkstatt: Um die Arbeit zu erleichtern, bediente sich der Komponist schematischer Wanddiagramme des Handlungsverlaufs, in denen genau die Verwendung und mögliche Weiterentwicklung der Themen eingezeichnet wurden.
Die CD, erschienen auf GNP Crescendo, ist mit 60 Minuten großzügig bestückt und bietet etwa gleich lange repräsentative Musikauswahlen aus allen drei Teilen der Miniserie. Dass einer meiner Vorrezensenten das Paul-Atreides-Hauptthema als belanglos empfunden hat, mag damit zusammenhängen, dass es verschiedene im Film positiv auffallende Cues mit ansprechenden Varianten des Themas leider nicht auf die CD geschafft haben und somit gerade der vielleicht prägnanteste melodische Gedanke des Scores auf dem Album etwas unterrepräsentiert ist. Nichtsdestotrotz ist für Graeme Revells Dune eine kleine Empfehlung angebracht. Es ist ein aufwändig gestalteter Musikmix aus Symphonik, Elektronik und ethnischen Klangeinflüssen, der auch außerhalb der Fanbasis des Komponisten einen Kreis aufgeschlossener Hörer finden sollte.