Koch Media „Classic Western Collection“, 2. Folge
Koch Medias „Classic Western Collection“ zum Zweiten: Im Angebot sind Edward Dmytryks Broken Lance • Die gebrochene Lanze (1954) und Henry Hathaways Garden of Evil • Garten des Bösen (1954). Die beiden überdurchschnittlichen Western-Filme entstammen nicht allein der Frühzeit der CinemaScope-Ära, was sich klar in prächtiger Ausnutzung des damals sensationellen Breitwandformates zeigt (Bild-Seitenverhältnis — damals noch — 1 : 2,55). Beide verfügen außerdem über besonders hochwertige und markante Filmmusiken: Leigh Harline komponierte für Die gebrochene Lanze, eine epische Familienstory über Neid, Verfall und Rache, die Züge von Shakespeares „König Lear“ aufweist; Bernard Herrmann für Garten des Bösen, einem ungewöhnlichen, pfeilumschwirrten Psychodrama in grandios eingefangenen, sonnendurchglühten Landschaften.
In Die gebrochene Lanze geht die Zeit der Pioniertage und damit auch die Zeit der lokalen Fürsten langsam ihrem Ende entgegen. Es geht um eine im Jahr 1880 im Süden Arizonas angesiedelte Familienfehde vor dem Hintergrund von Industrialisierung und Rassenkonflikt. Gedreht wurde in der Nähe der mexikanischen Grenze. Dabei liefert das Tal von Santa Cruz, mit seinen charakteristischen roten Granitbergen und den zum Teil bizarr geformten Kakteen einen (US-)westerntypischen und zugleich sehr markanten Hintergrund.
In der Auseinandersetzung mit einer mächtigen Minengesellschaft erkennt der Patriarch Matt Devereaux (Spencer Tracy) zu spät, dass er dem mit sämtlichen juristischen und politischen Tricks arbeitenden „modernen“ Kapitalismus nicht mit roher Gewalt begegnen kann. Erschwerend kommt hinzu: Das Verhältnis zu seinen drei Söhnen aus erster Ehe ist schwierig, besonders Ben (Richard Widmark) wird zum Problem. Devereauxs Liebling ist der Jüngste, ein Halbblut: Joe (Robert Wagner) stammt aus der zweiten Ehe mit einer Indianerin — für deren Rolle die exotisch-attraktive 27-jährige Mexikanerin Katy Jurado (für die Zeit bereits recht geschickt) maskentechnisch um rund 20 Jahre gealtert worden ist. Der jugendliche Robert Wagner war seinerzeit Schwarm der „Backfische“. Nach Das Höllenriff und Prinz Eisenherz war dies sein dritter Auftritt in einem Epos der noch jungen Breitwand-Ära. Als Partnerin Wagners fungiert die reizende Jean Peters. Hier ist sie des Gouverneurs hübsche Tochter. Ihre Karriere begann einige Jahre zuvor als Partnerin Tyron Powers in Der Hauptmann von Kastilien. Richard Widmark stieg 1947 ins Filmgeschäft ein. Er startete bei 20th Century Fox mit einem Glanzlicht, als psychotischer Killer in Henry Hathaways Noir-Thriller Kiss of Death • Der Todeskuss. Auch für Widmark, der zuvor in Inferno und Garten des Bösen mitwirkte, markierte dies den dritten Filmauftritt im Breitwandformat und setzte zugleich den Endpunkt seines 7-jährigen Vertrages mit Bindung an Fox. Unterm Strich zählt Die gebrochene Lanze zu den schönen und unterhaltsamen Vertretern des Genres, obwohl seine Story nicht komplett zu überzeugen vermag. In der komplexen Tragödie ist derart (zu-)viel Schuld in der Figur des Großranchers konzentriert, dass man dem verschlagenen Ben für seine Untaten zumindest mildernde Umstände geben würde. Hingegen dessen zweite Frau und der Lieblingssohn Joe einfach allzu grundgütig und vorbehaltlos den Alten zu lieben imstande sind.
In Henry Hathaways Garten des Bösen geht es einmal mehr um die Problematik zwischenmenschlicher Beziehungen. Zwar besitzt die Handlung Schwächen, wirkt in Teilen etwas überkonstruiert und ist im Finale wiederum arg konventionell geraten, auch wenn Gary Cooper philosophiert: „Garten des Bösen: Ich glaube, wenn die Erde aus Gold wäre, dann würden die Menschen sterben für eine handvoll Dreck!“ Auch die irokesenhaften Rothäute wirken recht befremdlich, der Film ist aber in jedem Fall sehenswert. Hier sind es in ganz besonderem Maße die Panoramen extravaganter Landschaften, welche visuell reizvolle Hintergründe für ein ebenso außergewöhnliches Psychodrama liefern. Bereits der maritime Startpunkt der Handlung ist für einen Western eher atypisch: Drei Glücksritter sind in einer Bucht im Süden des Golf von Mexiko gestrandet und lassen sich für eine hoch bezahlte Rettungsaktion im Landesinneren anwerben. Was der Zuschauer in den folgenden rund 100 Minuten an eigenwilligen, zum Teil bizarren Landschaften zu sehen bekommt, ist bemerkenswert. Der „Garten des Bösen“ macht seinem Namen alle Ehre: Darin finden sich der mit Bananenbäumen und üppiger tropischer Vegetation versehene Dschungel von Acapulco, die schroffen Felsengebirge von Tepatzlan, Urnapan und Guanajuato, und neben einer Stadtruine aus der Zeit der Konquistadoren ist auch ein vollständig mit schwarzem Sand bedecktes Gebirgsplateau vertreten. Im Zentrum des Films steht das Gebiet um den Vulkan Parientin, dessen Ausbruch rund 10 Jahre vor den Dreharbeiten die Region in eine phantastische Lavawüste verwandelte — mit herausragendem Kirchturm. Die in eigenwilligen farblichen Schattierungen erstrahlenden exotischen (Seelen-)Landschaften verleihen dem Geschehen vieles seiner insgesamt packenden Atmosphäre. Sie wirken prachtvoll und bedrohlich zugleich, was sowohl auf das Konto von CinemaScope geht als auch Bernard Herrmanns ebenso wenig westerntypischer, wie prachtvoller Musik zu verdanken ist. Herrmann gestaltete seinen meisterlichen musikalischen Kommentar zu den Filmbildern als brodelndes, machtvoll bläserbetontes Psychodrama, wobei er zu einer frühen, recht pastoralen Reit-Szene mit einem Thema überrascht, das verdächtig an Victor Youngs Hauptthema zu Shane (1953) erinnert — wobei es sich vielleicht um ein ironisch gemeintes Plagiat handelt. Dies ist übrigens die einzige wahre Western-Filmmusik, die Benni jemals für die große Kinoleinwand komponiert hat. Weitere Infos zum jeweiligen Film finden sich im Rahmen der an anderer Stelle vorgestellten (oben verlinkten) CD-Alben.
Etwa 1967 gingen beide Spielfilme im Rahmen des Ausmusterns älterer Verleihtitel von 20th Century Fox an Inter Film-Verleih — siehe auch Koch Media „Classic Western Collection“, 1. Folge. Unter dem neuen Titel Arizona ist Die gebrochene Lanze noch bis etwa 1974 in Programmkinos ausgewertet worden.
Samuel Fullers Forty Guns • Vierzig Gewehre (1957) erschien bereits 2004 auf DVD, allerdings noch als „Koch Classic Movie Collection“. Dieser ebenfalls wichtige klassische Breitwandwestern besticht besonders durch seine virtuose Schwarz-Weiß-Fotografie und seine markante Hauptdarstellerin, Barbara Stanwyck. Stanwyck, die manchem noch aus der TV-Western-Serie Big Valley (aus den späten 1960ern) geläufig sein dürfte, verkörpert in Fullers Western Jessica Drummond, eine starke, extrem dominante Frauengestalt. Jessica ist die Herrin von Cochise County in Arizona und lässt sich bei ihren Auftritten von einer Leibgarde von 40 bewaffneten Reitern eskortieren. Ihr Schicksal wird markiert durch das absehbare Ende des Wilden Westens. Man schreibt nämlich bereits das Jahr 1887: „Das hier ist die letzte Station! Es gibt keine Städte und keine Männer mehr zu zähmen; jetzt werden sie sich selbst zähmen müssen“ resümiert die Protagonistin. Entsprechend ist der sich bereits abzeichnende Verfall ihrer Macht und ihres Einflusses nur noch eine Frage der Zeit. Die tragische Situation der machtbewussten Jessica Drummond erinnert sowohl an die des Großranchers Matt Devereaux (Spencer Tracy) als auch an die des Senators McCanles in King Vidors Duell in der Sonne (1946, Musik: Dimitri Tiomkin).
In der raffinierten, kontrastreichen Schwarz-Weiß-Cinemascope-Fotografie des Kameramanns Joseph Biroc ist so manches vertreten, was man späterhin auch in den Italo-Western (wieder-)findet: Ungewöhnliche Kamerawinkel, ein die große Scope-Bildwand füllendes Augenpaar, Großaufnahmen von Pferdehufen, unscharfe durch aufgewirbelten Staub verwischte Bilder sowie einen genüsslichen Blick durch einen Gewehrlauf, vorbei an spiralförmigen Zügen, auf das Gesicht von des Büchsenmachers holdem Töchterlein.
Musikalisch zieht der Dritte im Bunde — allerdings gegen gnadenlos harte Spitzenkonkurrenz (!) — schon den (etwas) Kürzeren. Harry Sukmans Score ist derzeit leider nur per Film zu beurteilen. Die Musik besitzt ein sehr einprägsames Hauptthema, das sich (Dimitri Tiomkins High Noon lässt grüßen) auch als gesungene Ballade findet: „High ridin’ Woman with a Whip“ fungiert übrigens charmanterweise als Hintergrundmusik für das DVD-Hauptmenü. Ein zweiter Song, „God has his arms around me“ stammt übrigens von Harold Adamson und Victor Young. Alles in allem dürfte Sukmans Musik ein durchaus lohnenswerter Kandidat für ein CD-Album sein und könnte, mit etwas Glück, auch in guter Stereo-Qualität im Fox-Archiv überlebt haben.
Die Western auf DVD
Von den drei hier vorgestellten Koch-Media-DVD-Boxen sticht Vierzig Gewehre optisch von den übrigen Titeln etwas (s. o.) ab. Ein wenig schlichter ist auch die Ausstattung. Geboten wird immerhin ein Original-Scope-Trailer in sehr überzeugender Qualität. Demgegenüber ist das kontrastreiche, scharfe und überaus detaillierte Schwarz-Weiß-Bild des Films aber sogar noch eine ganze Klasse besser.
Broken Lance und Garden of Evil sind im TV bislang nur farbtechnisch bescheiden und nicht im originalen Scope-Format (vielmehr mit deutlich abgeschnittenen Ecken) gezeigt worden. Die vorliegenden DVD-Präsentationen schneiden hier um Längen besser ab. Das weitgehend fehlerfreie und saubere Bild zeigt gute bis sehr gute Farben und ist auch sehr detailliert. Hier und da ist mal ein klein wenig Körnung zu sehen und ein Quäntchen mehr an Schärfe könnte nicht schaden. Infolge der genannten kleinen Einschränkungen reicht es zwar nicht für den Spitzenplatz auf der Wertungsskala, aber für viereinhalb bis fünf (von sechs) Sternen reicht es zweifellos.
Der deutsche (Licht-)Ton kommt in ordentlichem, wenn auch nicht immer ganz sauberem Mono daher — zu den hier gelegentlich hörbaren Problemen siehe Mein Name ist Nobody. Umso erfreulicher ist es um den englischen Ton bestellt. Dieser kann in solidem 4-Kanal-Stereo genossen werden — was übrigens auf der jeweiligen Box nicht eindeutig vermerkt ist. Besonders positiv wirkt sich das bei den beiden kraftvollen Musiken aus, die so apart im Raum zu stehen scheinen. Bei den Effekten muss man im Vergleich zu modernen Surround-Abmischungen natürlich gewisse Abstriche machen.
Vom Garten des Bösen konnte man offenbar keinen Trailer ausfindig machen, dafür gibt’s bei Die gebrochene Lanze sogar deren zwei, wenn auch in bescheidener Qualität: einen amerikanischen Originaltrailer und einen eher schaurigen Atlas-Trailer, der versucht, Arizona (s. o.), versehen mit komplett neuer Trailer-Musik, angenähert an den Zeit-Geschmack (die Italowestern), an den Mann zu bringen. Darüber hinaus gibt’s auch hier die schon aus den beiden ersten Titeln der „Classic Western Collection“ bekannte nostalgische „Bildergalerie“ mit Plakatmotiven, Aushangfotos und zeitgenössischen Werbematerialien. Auch hier sind die visuellen Wanderungen durch die Werbematerialien mit einer Portion Filmmusik (sogar in Stereo) unterlegt. Rund 6 Minuten gibt’s dazu von Morgan/Strombergs Neueinspielung zu Garden of Evil und sogar eine satte Viertelstunde vom FSM-Album zu Broken Lance.
Fazit: Auch bei den beiden neuen Vertretern von Koch Medias „Classic Western Collection“ handelt es sich um zwei sehr gelungene DVD-Produktionen für die heimische Kollektion klassischer US-Western. Wobei darin auch Vierzig Gewehre nicht fehlen sollte. Alle drei überdurchschnittlichen Filme belegen zugleich, dass der Reiz des Westernkinos nicht einfach und allein von den erzählten Geschichten abhängt, sondern (mindestens) ebenso von der Art und Weise, wie sie visuell umgesetzt sind. Wobei eine gute Kinematografie, noch dazu, wenn sie durch eine gute Musik unterstützt wird, über so manche Schwäche eines Drehbuches hinweghelfen kann. (Garden of Evil zählt zu den Favoriten des Rezensenten und erhält darum noch eine besondere, ganz persönliche Empfehlung mit auf den Weg.)
Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2005.
Mehrteilige Rezension:
Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu: