Der Untergang: DVDs
Oliver Hirschbiegels Film über Hitlers letzte Tage im Führerbunker im Berlin des Jahres 1945, Der Untergang, ist seit dem 17. März auch auf DVD erhältlich. Fast exakt 60 Jahre nach den historischen Ereignissen kann der Interessierte nun den zum Teil hitzig und kontrovers diskutierten Film in Ruhe zu Hause auf sich wirken lassen. Ganz sicher handelt es sich bei diesem sehenswerten Kinoereignis nicht um einen Kriegsfilm im üblichen Sinne, sonder um einen, der vor- und/oder nachbereitet werden sollte, zu einer eingehenderen kritischen Auseinandersetzung mit seiner Thematik anregen will. Eine Hilfestellung dazu gibt der im Herbst 2004 zum Film und zu den wichtigsten Materialien publizierte Artikel: siehe hier.
Die DVD-Präsentation von Highlight Communications und Constantin Films ist in zwei Versionen erhältlich: Als recht üppig ausgestattete Premium Edition und als Standard Edition mit abgespecktem Zusatzmaterial. Der Film wird im Breitbild-TV-üblichen 16:9-Format präsentiert. Einzelne Einstellungen lassen ein wenig Schärfentiefe vermissen und gelegentlich scheinen auch Bilddetails etwas verschluckt zu werden. Ansonsten sind Schärfe, Kontrast und Detailliertheit in Ordnung. In jedem Fall bewegen sich Einschränkungen beim Bild qualitativ auf einem hohen Niveau, fallen entsprechend geringfügig aus. Ob dies nun systembedingt mit den — infolge räumlicher (Bunker-)Enge — oftmals zwangsläufig mit der Handkamera realisierten Einstellungen und/oder auch an den im Interesse historischer Authentizität kaum zusätzlich ausgeleuchteten Interieurs zusammenhängt, kann ich nicht sagen. Beim Bildeindruck reicht es daher nicht für die Spitzenwertung, er erreicht insgesamt knapp die fünf-Sterne-Marke und damit ein „sehr gut“. Beim eher dezenten Surround-Stereo-Sound (nur in Deutsch) gibt es nichts zu beanstanden. Um den dokumentarischen Charakter nicht zu stören, hat man völlig stimmig auf überwiegend eher sehr subtilen Einsatz der Effekte gesetzt. Nur in den einzelnen, eher knappen Kampf- und Beschussszenen tritt der Sound aus der Reserve. Dabei tun sich sowohl Dolby-Digital-AC3-5.1 als auch dts qualitativ praktisch nichts, agieren auf einem ähnlich hohen Qualitätsniveau — der sonst häufig höhere Lautstärkepegel bei dts ist nicht feststellbar.
Zum Vor- bzw. Nachbereiten der Thematik bietet das Bonusmaterial einen guten Einstieg. Besonders interessant ist hierfür natürlich die Premium-Edition, die neben einem zum Film wählbaren Audiokommentar von Regisseur Hirschbiegel zusätzlich mit insgesamt knapp drei Stunden weiteren Materials ausgestattet ist. Im Zentrum steht das auch im TV gezeigte rund einstündige Making of „Die Entstehung von Der Untergang“: ein eindrucksvoller Bericht vom Dreh, dessen Außenaufnahmen (fast ausschließlich) im russischen St. Petersburg, dem ehemaligen Leningrad, erfolgten. (Nur auf der Premium Edition ist das „Making of“ übrigens in voller Länge und außerdem mit einem zusätzlich anwählbaren Audiokommentar des Regisseurs unterlegt.) Es ist schon ein interessanter Aspekt, dass die Mehrzahl der im Film zu sehenden „Berliner“ durch Russen aus einer im Zweiten Weltkrieg vergleichbar dramatisch in Mitleidenschaft gezogenen Großstadt stammen. Einer Stadt, deren Architektur so entscheidend von deutschen Architekten (mit-)geprägt worden ist und in der daher ganze Straßenzüge denen im alten Berlin besonders ähnlich sind. Im kleineren Segment „Dreharbeiten in Russland“ finden sich praktisch keine Überschneidungen, es besteht primär aus wissenswerten Zusatzinfos. Im ausführlichen Segment „Interviews“ kommen neben Regisseur und Produzent sämtliche deutschen Schauspieler zu Wort. Hierbei gibt es allerdings schon gewisse Dopplungen mit im „Making of“ eingeschnittenen Ausschnitten. Weitere Infos sind auf Texttafeln bereitgehalten: Biografien der historischen Personen und der Schauspieler.
Die Standard Edition ist beim Bonusmaterial beachtlich, aber zwangsläufig deutlich bescheidener geraten: Sie wartet nur mit einem Teil der Interviews, einem rund 10-minütigen „Blick hinter die Kulissen“ und einer Doku von ca. 30 Minuten auf.
Insgesamt erhält der Interessierte Aufschlussreiches zu den Absichten der Macher, wobei der Regisseur besonders wertvolle Hinweise liefert. Er zeigt auf, wie sorgfältig und behutsam man vorgegangen ist, um falsches Pathos oder gar Heroisierendes zu vermeiden. Hirschbiegel erläutert, wie sehr man sich bemüht hat, Entscheidendes herauszuarbeiten: will zeigen, dass im unaufhaltsam zum Mikrokosmos Führerbunker zusammenschrumpfenden Dritten Reich und damit selbst in der Agonie des Zusammenbruchs die typischen menschenverachtend-rücksichtslosen Mechanismen der 12-jährigen NS-Herrschaft ungebrochen wirksam sind, ja sogar besonders ungeschminkt hervortreten.
Nach dem Studium dieser Materialien dürften eigentlich kaum mehr Zweifel an den rein aufklärerischen Absichten dieses Films aufkommen, der, obwohl der „fortwährend warnend erhobene moralische Zeigefinger“ fehlt, weder zum „nostalgischen“ Personenkult um den „Führer“ und „Größten Feldherr(n) aller Zeiten (GröFaZ)“, Adolf Hitler, noch zur Ikone für Neonazis taugt. Besonders interessant sind dazu auch die (nur in der Premium-Edition) enthaltenen ausführlichen Statements der Buchautoren Joachim Fest („Der Untergang“) und Melissa Müller („Bis zum letzten Atemzug“). Wie Der Untergang vom jeweiligen Betrachter aufgenommen, in wieweit dabei die Intentionen der Macher als überzeugend realisiert bestehen bleiben, das steht freilich auf einem anderen Blatt.
Zur zweifellos noch anhaltenden Kontroverse um den Film seien an dieser Stelle zwei lesenswerte Artikel genannt, welche die beiden extremen Positionen interessant ausleuchten: pro in Frank Schirrmachers „Die zweite Erfindung Hitlers: Der Untergang“ in FAZ, 215/2004 und contra in „Tja, dann wollen wir mal“, Wim Wenders in DIE ZEIT, 44/2004.
Ich zähle zu denjenigen, welche den Film zwar eindeutig für sehenswert halten, ihn aber nicht vorbehaltlos als „Meisterwerk“ einstufen würden — überhaupt erscheint mir für eine „endgültige“ Wertung die Zeit noch nicht reif. Auch wenn mich längst nicht alles in der (erfreulich) sachlich gehaltenen Polemik von Wenders überzeugt, ein paar (kleinere) Vorbehalte sind bei mir besonders beim erneuten Sehen des Films ebenfalls haften geblieben: So habe ich die Filmmusik jetzt noch eindeutiger als überflüssig, in Teilen sogar als eindeutig störend empfunden. Von dem, was Wenders als „sich als Sprachrohr der Geschichte gebend“ bezeichnet, ist m. E. der Szenenkomplex um den gespenstischen Besuch der berühmten Pilotin Hanna Reitsch und des Ritters von Greim im Führerbunker — den der Führer noch zum „Oberbefehlshaber“ einer praktisch nicht mehr existenten Luftwaffe ernannte — recht obskur und kaum glaubwürdig geraten. Hier (und überhaupt) empfiehlt sich ein Vergleich mit Der letzte Akt (1955), wo jene Szenen zwar (heutzutage) vielleicht etwas theatermäßig dramatisiert erscheinen, in ihrer Aussagekraft m. E. aber doch erheblich packender geraten sind. Und auch das etwas sehr konventionelle, „typisch kinomäßig“ und damit klischeehaft inszenierte Finale ist wenig überzeugend: Traudl Junge flieht an der Hand von Hitlerjunge Peterle durch die russischen Linien. Sie erreichen schließlich die in optimistisch stimmende Frühlingssonne getauchten Außenbezirke Berlins.
Schirrmacher lobt zwar gerade die Szenen um Greims Besuch besonders, aber auch er attestiert dem Film in Teilen Schwächen. Und wenn er dazu auffordert, man solle die Antwort auf die Frage, was selbiger zum Verständnis des Dritten Reiches leiste, verschieben, gebe ich ihm Recht und ebenfalls wenn er schreibt: „Das Interesse der Menschen gewinnt man nur durch Geschichten.“
Bereits im Januar 2005 ist Der Untergang dreifacher Sieger beim Bayerischen Filmpreis geworden: verliehen wurden der „Produzentenpreis“, der „Darstellerpreis“ (an Bruno Ganz) sowie der „Publikumspreis“. Nun hat der Film zwar den 25 Zentimeter hohen und vier Kilogramm schweren, mit Gold überzogenen Oscar als „Bester ausländischer Film“ doch nicht gewonnen. Allerdings dürfte ihm bereits die Nominierung (besonders international) auch längerfristig stärkere Beachtung einbringen. Dies möge zugleich — im In- und Ausland — einer stärker versachlichten Auseinandersetzung mit nicht nur Der Untergang, sondern generell mit den zweifellos heiklen, aber auch zukünftig wichtigen Themen Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg förderlich sein.
Mehrteilige Rezension:
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