Faschismus und Zweiter Weltkrieg im Spiegel ausgewählter Kinofilme, Teil IV
Kinowelt legt ein Film-Tripel des deutschen Nachkriegs-(Kriegs-)Films der 50er Jahre auf DVD vor. Der Stern von Afrika thematisiert das Schicksal des deutschen Jagdflieger-Asses Hans-Joachim Marseille, der im Afrika-Feldzug mit den höchsten Orden ausgezeichnet wurde und bei einem Fallschirmabsprung ums Leben kam.
Als der Film im August 1957 in den bundesdeutschen Kinos startete, stand die junge Bundesrepublik Deutschland im Zeichen des Kalten Kriegs und der Wiederaufrüstung – am 1.4.1957 waren die ersten Rekruten zur „Bundeswehr“ eingezogen worden. An der Kinokasse ging der Film recht gut, die Kritik hingegen schlug von Anfang an recht herbe Töne an: zu Recht, wie man auch heutzutage nur feststellen kann. Die historische Wirklichkeit ist verzeichnet, insbesondere durch die Titelfigur werden soldatisches Helden- und Draufgängertum verklärt und überhaupt kommt keine ernsthafte, über Phrasen hinausgehende Kritik am Sinn und den Folgen des Krieges auf.
Hans-Joachim Marseille war mit seinen 158 Abschüssen bereits ein Schmuckstück der NS-Propaganda; und dieser Film gerät, mit seiner banalisierenden, unterhaltsamen Darstellung von Krieg als Abenteuer, in dem sich junge in fesche Uniformen gekleidete Männer bewähren dürfen, durchaus in die Nähe der nationalsozialistischen Propagandafilme. Hierbei muss man sich nämlich vor Augen halten, dass die Masse der während des Krieges in Nazi-Deutschland produzierten Filme keineswegs aufdringliche, zynische Propaganda-Epen wie z. B. Jud Süß oder Hitlerjunge Quex sind, sondern zum Großteil vielmehr in die Kategorie „hohle, die Verhältnisse verharmlosende (Abenteuer-)Unterhaltung“ gehören. Außerdem gilt, dass nur wenige der britischen und amerikanischen Kriegsfilme – sowohl aus der ära des Zweiten Weltkriegs als auch des Kalten Kriegs – weniger tendenziös und peinlich sind. (Als ein modernes Pendant passt Michael Bays und Jerry Bruckheimers Pearl Harbor sehr gut ins Bild.) Insofern taugt Der Stern von Afrika heutzutage allein noch als rein nostalgischer Blick auf manche seiner (jungen) Darsteller – wie Marianne Koch, Hansjörg Felmy und Horst Frank.
Deutlich besser schneiden die beiden anderen Filme ab. In Regisseur Paul Mays Film Der Fuchs von Paris geht es um den Krieg der Geheimdienste hinter den Frontlinien (zu Paul May siehe auch die 08/15-Trilogie). Hardy Krüger spielt einen jungen Hauptmann, der sich im Paris des Frühjahrs 1944 in eine Französin aus Widerstandskreisen verliebt und von verantwortungsbewussten deutschen Offizieren als Verbindungsmann zu Résistance und alliierten Stellen benutzt wird. Durch den Verrat der gegen den bevorstehenden „D-Day“ von Hitler befohlenen Verteidigungspläne, sollen überflüssige Opfer vermieden werden. In weiteren Rollen dieses nicht in allem glaubwürdigen und etwas pathetischen – aber mit achtbaren Ansätzen versehenen – Spionagedramas spielen Martin Held, Marianne Koch und Paul Hartmann.
Der mit Abstand beste Film des Tripels ist Regisseur Frank Wisbars Hunde wollt ihr ewig leben?, der sich ehrlich bemüht, ein stimmiges Bild der Katastrophe von Stalingrad zu zeichnen. Noch immer vermag der – im Vergleich zu heutigen Action-Blockbustern – natürlich mit äußerst bescheidenen Mitteln realisierte Film weitgehend zu überzeugen. Aus der Masse der (nicht allein deutschen) Kommerz-Kriegsfilme seiner Zeit ragt er weit heraus. Bezeichnenderweise lehnte es der (damalige) Verteidigungsminister Franz Josef Strauss ab, die Dreharbeiten durch die Bundeswehr unterstützen zu lassen …
In Anbetracht der (sichtbar) knappen Mittel sind sowohl die Kulissen als auch die sparsam eingestreuten Action-Szenen (es stand nur ein einziger Panzer in Form einer eher primitiven Attrappe zur Verfügung) sehr beachtlich geraten. Seine pazifistische Botschaft bringt der Film in den überwiegend ruhigeren Teilen, z. B. einer bedrückenden Lazarett-Szene, eindrucksstark herüber. Weitere Pluspunkte verzeichnet die Garde guter und bester deutscher Schauspieler: wie Joachim Hansen, Wilhelm Borchert, Horst Frank, Wolfgang Preiss, Armin Dahlen und Sonja Ziemann.
Die Filme auf DVD
Alle drei Filme werden in durchweg sehr sauberer (Schwarzweiß-)Bildqualität präsentiert. Gelegentlich gibt es leichte Qualitätsschwankungen bei Kontrast und Schärfe, dazu sind vereinzelt leichte Kopienschäden sichtbar. Der Ton ist überwiegend sauber und klares Mono, wobei der erste Akt von Hunde wollt ihr ewig leben? von leichten Verzerrungen beeinträchtigt wird. Im Zusatzmaterial jeder DVD gibt es solide Hintergrundinfos zu Produktion und Stars – wobei bei Der Stern von Afrika erfreulicherweise auch die kritischen Zeitstimmen nicht ausgespart werden. Außer zu Der Fuchs von Paris gibt’s auch den jeweiligen Kinotrailer; zu Hunde wollt ihr ewig leben? sogar neben dem langen für die Erstaufführung noch einen kurzen Trailer, der zu einer Wiederaufführung vermutlich in den 70ern angefertigt worden ist. Joachim Hansen weiß in den (rund 20- bzw. 30-minütigen) Interviews, die den DVDs Der Stern von Afrika und Hunde wollt ihr ewig leben? beigegeben sind, ausführlich Interessantes und Amüsantes von den Dreharbeiten zu berichten.
Fazit: Im neuen Kinowelt-Film-Tripel in Sachen deutscher Kriegsfilm der 50er Jahre steht erfreulicherweise nicht vorbehaltlose Nostalgie im Vordergrund. Vielmehr fördern die in den Infos ausführlich zitierten kritischen Zeitstimmen im Falle des etwas problematischen Der Stern von Afrika einen sachlich-kritischen Blick. Der Fuchs von Paris und ganz besonders Hunde wollt ihr ewig leben? sind auch heutzutage sehenswerte (Ausnahme-)Beispiele des deutschen Nachkriegs-(Kriegs-)Films der 50er Jahre geblieben.
siehe auch:
Faschismus und Zweiter Weltkrieg im Spiegel ausgewählter Kinofilme, Teil I
Faschismus und Zweiter Weltkrieg im Spiegel ausgewählter Kinofilme, Teil II
Faschismus und Zweiter Weltrkieg im Spiegel ausgewählter Kinofilme, Teil III
Faschismus und Zweiter Weltrkieg im Spiegel ausgewählter Kinofilme, Teil V
Mehrteilige Rezension:
Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu: