Jetzt brüllt er auch in der dritten Dimension: Disneys Der König der Löwen
Parallel zur im Kino seit dem 10. November 2011 dreidimensional erfolgten Wiederaufführung des 1994er Disney-Films ist Simba ebenfalls für daheim in der dritten Dimension auf 3D-Blu-ray und überhaupt erstmalig in HD erhältlich. Der König der Löwen zählt zu den nachträglich in 3D konvertierten Animationsfilmen aus der Disney-Werkstatt, die zum Großteil noch in Handarbeit (Zeichen- bzw. Puppentrick), aber zugleich mit Unterstützung von Computersoftware, mit den Vorläufern der modernen CGI-Technik, produziert worden sind.
Produzent Don Hahn und die Regisseure Roger Allers & Rob Minkoff haben den Konvertierungsprozess gemeinsam mit dem Stereographen Robert Neuman — ausgezeichnet für seine Arbeit bei Rapunzel — Neu verföhnt — eingehend überwacht. Der digitale perspektivische Bildaufbau in verschiedenen Schichten ist die Voraussetzung dafür, dass eine 3D-Konvertierung auch nur ansatzweise zu überzeugen vermag. Das bedeutet, man geht nicht etwa von 2D-Filmmaterial, sondern von den einzelnen digital gespeicherten Computerdateien aus (erstellt mit dem in den späten 80ern entwickelten und erstmalig bei Arielle, die Meerjungfrau eingesetzten „CAPS“) und „baut“ daraus das 3D-Bild komplett neu auf. Das ist schon etwas völlig anderes als nur in ein komplett flaches 2D-Filmbild einen Raum nachträglich hineinzurechnen, wie es in 3D-Fernseher integrierte Software auf Wunsch macht. Disney schickte Produzent Don Hahn noch zusätzlich ins PR-Rennen, der in Interviews u. a. von einem völlig neuen Gefühl bei der 3D-Version spricht (s. u.).
Ganz ohne Zweifel ist in den 3D-Konvertierungsprozess von Der König der Löwen, ähnlich dem bei Die Schöne und das Biest und The Nightmare before Christmas 3D viel Arbeit hineingesteckt und diese ist auch mit Liebe zum Sujet erledigt worden. Aber trotzdem: Auch dieses Mal vermochte mich das Ergebnis nicht wirklich zu überzeugen.
Man merkt nämlich rasch, dass einiges nicht stimmt.Was auf den ersten Blick vielleicht noch gut wirkt, das lässt spätestens auf den zweiten mehr oder weniger große Unstimmigkeiten und Schwächen erkennen. So ist in den räumlich gestaffelten Hintergründen die hinterste Ebene lediglich völlig flache, unübersehbar gemalte Kulisse. Das gilt in einzelnen Szenen sogar für Teile, die in vorderen Bildbereichen liegen. Ebenso erscheint die räumliche Staffelung zum Teil einfach nur platt ausschauender Bildelemente (Gras etc.) dann erst recht unharmonisch und damit merkwürdig. Ganz besonders deutlich sichtbar werden die Grenzen des Machbaren bei den noch von Hand gezeichneten Figuren. Bei diesen hinkt der 3D-Effekt praktisch durchweg in mehr oder weniger unübersehbar großem Maße. Und so kommt gar nicht so selten auch beides zusammen: wird detailarmer Hintergrund gepaart mit praktisch flächigen Tierfiguren. Das erzeugt dann einen Bildeindruck, bei dem sich 2D- und 3D-Version kaum noch unterscheiden. Dazu gehört übrigens auch die von Don Hahn auf PR-Tour als 3D-Eyecatcher gerühmte Szene, wenn Simba Mufasas Geist in den Wolken erscheint.
Dem gegenüber stehen ein paar Einstellungen, die schon recht gut ausschauen, z. B. in der Eröffungssequenz „Der ewige Kreis“ oder auch im Schurkensong, in denen die 3D-Bilanz, trotz gewisser Einschränkungen, insgesamt ein Plus verbuchen kann. Aber reicht das unterm Strich aus, die im Übrigen kaum zu übersehenden Schwankungen und Mängel in der 3D-Qualität vergessen und aus der 3D-Konvertierung eine tolle Sache werden zu lassen? Hier dürften sich die Geister scheiden. Es kommt ja auch noch ein Effekt nachteilig hinzu: Je länger man hinschaut, umso geübter wird man darin, die Schwächen im 3D-Bild zügig zu erkennen.
In der US-Kinoauswertung hat die 3D-Version jedenfalls einen überraschend guten Zuspruch gefunden und innerhalb weniger Wochen insgesamt rund 100 Mio $ eingespielt. Zwei Wochen hielt sich der Wiederaufführungsfilm gar an der Spitze der US-Kinocharts. Ob das allerdings wirklich explizit auf 3D zurückzuführen ist, wage ich zu bezweifeln. Die Gelegenheit, einen beliebten, schon etwas älteren Film auch im großen Kino wiedersehen zu können, das ist etwas, das etwa seit Mitte der 90er Jahre praktisch komplett verschwunden ist. Und exakt in der Tatsache der Wiederaufführung lag m. E. der Hauptpunkt des Interesses und damit darin, einem Film nach längerer Zeit eben nicht ausschließlich noch im Fernsehen, sondern auch mal wieder auf großer Leinwand, mit allem was für den Kinogänger dazu gehört, begegnen zu können. Entsprechend haben die vielen Fans dem Film das insgesamt eher schwache Gesamtergebnis in 3D einfach verziehen und trotzdem ihren Spaß gehabt. Und das funktioniert schon: 3D ist hier sicher nicht einfach grottig, aber eben auch keine echte Bereicherung.
Wer Der König der Löwen gern in HD besitzen möchte, für den ist die aktuelle 3D-„Diamond-Edition“ in jedem Fall eine Überlegung wert, da diese auf der zweiten Disc auch eine 2D-Fassung mit im Paket hat und man so für alle Eventualitäten gerüstet ist. Wie oft der Film dann hinterher wirklich in 3D angeschaut werden wird, oder ob man nicht letztlich doch die 2D-Version als in sich stimmiger empfinden und daher bevorzugen wird, das bleibt abzuwarten.
Was den Film anbelangt, der zweifellos zu den besonders populären Disney-Filmen zählt, liege ich in der Einschätzung offenbar etwas neben der Spur des verbreiteten Empfindens. Ich halte Der König der Löwen zwar nicht für schlecht, aber auch nicht für eine der besonders bemerkenswerten Disney-Produktionen.
Bereits das Drehbuch überzeugt mich schon nicht, das mit seinem sich gewichtig gebenden Handlungskonstrukt am tierischen Königshof sowie dem Mord an Simbas Vater in Richtung des Shakespeare’schen Königsdramas „Hamlet“ schielt. Dabei übernimmt der intrigante wie schurkische Onkel Scar eine zentrale Stellung. Er gibt aber, da als Figur völlig überzeichnet, m. E. nur einen eher langweiligen, unmittelbar erkennbaren, eindimensionalen Bösewicht ab. Unglücklicherweise wird dann mit seinen Helfershelfern, den heimtückischen Hyänen, auch noch ein längst überholtes Tierklischee zementiert. Den handelnden Figuren fehlen eindeutig die Seele und der Charme der klassischen Disney- oder auch der Pixar-Pendants. Auch Timon, das Erdmännchen, und Pumbaa, das Warzenschwein, sind in meinen Augen eher nervige Pausenclowns in einer überhaupt mit eher flachen Charakteren bevölkerten Story. Im Übrigen hat die etwas blasse Geschichte viel von einem sich nach Afrika verirrten Bambi, inklusive einer Prise von Das Dschungelbuch. Das alles vermochte und vermag es einfach längst nicht, mich im vergleichbaren Maße zu berühren, wie es so manch anderes aus dem Hause Disney bzw. Pixar durchaus kann.
Disneys Der König der Löwen auf Blu-ray als „Diamond-Edition“
Abgesehen von den genannten Schwächen beim 3D-Eindruck ist die 3D-Blu-ray in Bild und Ton vorzüglich. Da vermögen vereinzelt sichtbare leichte Doppelkonturen das positive Urteil kaum zu beeinträchtigen. Das Bild ist praktisch durchgehend von bestechender Schärfe und weist neben vielen Details, sehr ausgewogenem Kontrast sowie exzellentem Schwarzwert auch satte, völlig flimmerfrei und in den Übergängen ebenso fein abgestuft wiedergegebene Farben auf. (Man muss natürlich berücksichtigen, dass die Detailvielfalt zwangsläufig nicht mit der heutiger CGI-Produktionen mithalten kann.)
Vergleichbar fein schneidet auch die auf der zweiten Blu-ray-Disc im Set enthaltene 2D-Fassung ab. Für beide Fassungen ist ein erstklassiger neuer Tonmix in DTS-HD 7.1 vorhanden. Hier kann sich der mit gutem Surround-Equipment ausgestattete Interessent auf eine sehr gut verräumlichte, fast durchweg auf allen Kanälen aktive Abmischung freuen, die sowohl feine akustische Details einwandfrei abbildet als auch (in der Gnu-Stampede) mit dem nötigen Druck aufwartet. Der Zuschauer sitzt förmlich mittendrin im akustischen Geschehen. Dabei macht auch die von Hans Zimmer komponierte und arrangierte Musik eine angenehme Figur.
An Boni gibt’s auf der 3D-Blu-ray nur das kurze „Intro“ von Don Hahn sowie den 3D-Trailer zu Cars 2. Die zweite Disc mit dem Hauptfilm in 2D hält eine, für sich genommen, respektable Boni-Kollektion bereit. Unter dem Etikett „Diamond-Edition“ ist diese allerdings in der Quantität nicht voll befriedigend — man denke da nur an die geradezu erschöpfende Fülle feiner Boni bei der vorjährigen Diamond-Edition zu Die Schöne und das Biest. Besonders bemerkenswert sind der informative Audiokommentar zum Film, der vom Regisseur-Duo Roger Allers & Rob Minkoff sowie Produzent Don Hahn bestritten wird. Außerdem sind in jedem Fall sehenswert: die knapp 40-minütige Dokumentation „Das Erbe von Der König der Löwen“ und das 20-minütige Segment „Hinter den Kulissen von Der König der Löwen“. Wer gern Standbilder betrachtet, der mag sicher in der umfangreichen, mit mehr als 400 Bildern bestückten „Interaktive(n) Blu-ray-Galerie“ stöbern.
Nur per „BD-Live“, also per Download über das Internet (!), sind in „Disneys virtueller Tresor“ zusätzlich viele der früheren, bereits beachtlichen DVD-Boni zugänglich, natürlich nur in SD-Qualität. Wäre dieses Material auch physisch vorhanden (also auf Disc gespeichert), hätte es für die Ausstattung einen Stern mehr gegeben.
Die parallel als 2D-Version ausgewiesene, ebenfalls 2 Discs umfassende zweite Ausgabe der 2011er „Diamond-Edition“ von Der König der Löwen ist inhaltlich mit der 3D-Version identisch. Dieselbe 2D-Blu-ray ist hier mit einer DVD-Ausgabe des Films kombiniert.
Fazit: Wie The Nightmare before Christmas 3D und Die Schöne und das Biest 3D ist auch die 3D-Version des mindestens ebenso beliebten Der König der Löwen in jedem Fall sorgfältig produziert, und das macht auch diese ansehbar. Man merkt allerdings, dass der Qualität der 3D-Konvertierung Grenzen gesetzt sind, und es wird deutlich, dass der Film nicht von vornherein auf 3D konzipiert worden ist. Auch wenn die mit beträchtlichem Aufwand erfolgte Pseudo-3D-Umsetzung m. E. eindeutig zur Spielerei tendiert: Die Gretchenfrage, ob es sich dabei nun um eine eher entbehrliche oder um eine willkommene Spielerei handelt, kann jeder nur für sich entscheiden.
Das hier vorgestellte Blu-ray-Set mit der 3D-Version des Films ist abgesehen von den Einschränkungen beim 3D-Eindruck und der für sich genommen zwar guten, aber für eine „Diamond-Edition“ doch etwas mageren Boniausstattung, ohne Tadel.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2011.
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