Themen der jüngeren Zeitgeschichte, adaptiert für die Kinoleinwand im Gewand eines rasant inszenierten Politthrillers: In diese Kategorie gehört ebenfalls Regisseur Uli Edels Der Baader Meinhof Komplex — siehe auch Operation Walküre. Die Aktivitäten von Produzent Bernd Eichinger in Sachen deutscher Großproduktionen erregen besonders seit Der Untergang (2004) und Das Parfum — Die Geschichte eines Mörders (2006) einiges Aufsehen. Gerade Der Untergang hat dabei einigen Staub aufgewirbelt. Und wie bei der filmischen Betrachtung der letzten Tage Hitlers im Berlin des Jahres 1945 ist auch der Zeitpunkt für Der Baader Meinhof Komplex entsprechend geschickt gewählt. Vergleichbar kontrovers fielen die Reaktionen denn auch zu dieser filmischen Umsetzung eines wichtigen Kapitels der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte aus.
Regisseur Uli Edel geht an die Sache im Stile des modernen Action- und Starkinos heran. Dafür stehen rund zwei Dutzend bekannter Namen aus Film und Fernsehen. Die Anwendung dieses Erfolgsrezepts kann man zwar ablehnen, aber Stars wirken nun einmal als Publikumsmagnet. Und ohne möglichst großen Kassenerfolg läuft eben auch beim Filmemachen nichts. Ob es allerdings wirklich nötig war, praktisch alle Nebenfiguren, von denen manche nur Sekundenauftritte erhalten, mit einem prominenten Gesicht zu besetzen, sei dahingestellt.
Sicher, Der Baader Meinhof Komplex packt in seine zweieinhalb Stunden Kinolaufzeit arg viel hinein — in Kürze folgt übrigens noch, analog wie bei Der Untergang, die um ca. 20 Minuten längere TV-Version. Das Wichtigste aus den aktionsreichsten Jahren der RAF, vom Sommer 1967 bis zum deutschen Herbst 1977, und das ist nicht gerade wenig, passiert im Zeitraffertempo und schlaglichtartig Revue. Damit ist es dann bis zum Vorwurf der Nummernrevue nicht mehr weit. Und da liegt sicher auch eine (allerdings kaum umgehbare) Schwäche dieses ganzheitlichen Versuchs, die zentrale Geschichte der RAF in einen Spielfilm zu packen.
Aufgrund seiner professionellen Machart ist der Film in vielem faszinierend anzuschauen, etwas, das nicht zuletzt auf dem äußerst sorgfältig rekonstruierten Flair der 60er und 70er Jahre beruht. Ereignisse und Schauplätze, wie die Schah-Proteste oder die berühmte Dutschke-Rede im Audimax der Technischen Universität Berlin, sind beeindruckend nachgestellt. Auch die Darstellerriege wirkt durchweg sehr überzeugend. Besonders eindringlich und der realen Figur ähnlich erscheint Martina Gedeck als Ulrike Meinhof. Johanna Wokalek beeindruckt ebenfalls, bringt sie doch sowohl das Fanatische als auch die emotionale Kälte der Gudrun Ensslin sehr gut herüber. Sicher sind Darsteller wie Moritz Bleibtreu gerade beim jüngeren Publikum zuerst einmal positiv besetzt. Ob damit allerdings der von ihm ebenfalls interessant, als herrischer Polit-Macho mit prolligem Sexgehabe, gegebene Andreas Baader beim Nachwuchs eventuell ein Quasi-Heldenimage zu erhalten vermag, sehe ich eher nicht. Äußerungen von Schulklässlern, die nach dem Besuch des Films befragt wurden, sprechen ebenfalls nicht dafür. Vielmehr waren offenbar die meisten jugendlichen Zuschauer von der rücksichtslosen, menschenverachtenden Brutalität des RAF-Terrors verstört und abgestoßen. Und da liegt wiederum eine Stärke dieses Films. Der ungeschminkte, harte Realismus der Darstellung der Gewalttaten und ihrer Konsequenzen lässt keinen Raum zum Verharmlosen oder Beschönigen, auch wenn der Zuschauer dabei nicht bis zur Ekelgrenze getrieben wird.
Hinzu kommen Momente überzeugender Atmosphäre. So wird, wenn sich Gudrun Ensslin auf den Weg in die Hamburger Boutique macht, wo sie verhaftet werden wird, die vom gewaltigen Fahndungsdruck jener Tage genährte Angst, erkannt zu werden, förmlich spürbar. Entsprechendes gilt für die visualisierte Beklemmung in der Isolationshaft der Ulrike Meinhof in der JVA Köln-Ossendorf. Beklemmend ist aber auch der Blick in die bedrückende Realität der Erziehungsheime im Wirtschaftswunderland, wenn ein von dort entflohener Zögling, der junge Peter-Jürgen Boock (Vinzenz Kiefer), zur Gruppe um Baader und Ensslin stößt. (Aus dieser Klientel beabsichtigte die RAF ihren Nachwuchs zu rekrutieren.) Dass der herausgeforderte Rechtsstaat in den Jahren der RAF überreagiert und schwerwiegende Fehler gemacht hat, wird am Schicksal des Holger Meins (Stipe Erceg) zumindest angerissen. Natürlich bleiben Dinge wie die Folgen des Radikalenerlasses außen vor. Aber gerade wenn man den Film zum wiederholten Male ansieht, erkennt man, wie gut er trotz seiner Schwächen letztlich doch geraten ist. Und wenn Ulrike Monhaupt am Schluss des Films die RAF-Terroristen der zweiten Generation anschreit: „Ihr habt die Leute nicht gekannt! Hört auf, sie so zu sehen, wie sie nicht waren“ — dann dürfte dies wohl auch für die Masse der Zuschauer den Schlussstrich unter eventuell noch nachwirkende Reste der Mythen um die ehemalige RAF setzen.
Zur unleugbaren Sorgfalt im Streben nach Authentizität und historischer Korrektheit passt allerdings nicht der peinliche Lapsus, wenn Stefan Aust (Volker Bruch) fälschlich als Interviewer der Eltern von Gudrun Ensslin ins Bild gesetzt wird. Da fragt man sich schon, wer so etwas, das einen geradezu idealen Ausgangspunkt für polemische Kritik abgibt, verbrochen bzw. durchgewinkt hat.
Wie bereits eingangs festgestellt, taugt der in Form einer rasanten Nummernrevue, dabei geschickt agierende Film nicht als umfassendes, kaum Fragen offen lassendes Lehrstück zum Thema. Letztlich ist das aber ein Anspruch, den eh keine noch so ambitioniert gemachte filmische Aufbereitung wirklich zu leisten in der Lage wäre. Geschichtliche Zusammenhänge sind immer komplexer Natur. Sie eingehender zu begreifen, erfordert zwangsläufig mehr, als selbst mehrere Filme vermitteln können. Gerade über einen zeitgemäß aufbereiteten (Action-)Film sehe ich allerdings eine Chance, so manchen Nachwüchsler zu erreichen und dabei eben auch für dieses wichtige Kapitel nachhaltig zu interessieren.
DVD- und Blu-ray-Edition von Der Baader Meinhof Komplex
Professionalität und Qualitätsbewusstsein, diese Ingredienzien zeigen sich sowohl in der Blu-ray-Edition als auch in der konventionellen DVD-Edition. Das bereits von DVD sehr kontrastreiche und detailfreudige, wie auch scharfe Bild des Spielfilms legt in der Blu-ray-Ausgabe nochmals deutlich zu. Hier vermag gerade die deutlich verstärkte Detailzeichnung der Bilder zu begeistern. Nur einzelne Einstellungen und zwangsläufig die eingestreuten Archivaufnahmen halten da nicht mit. Die Farbgebung ist durchweg zurückhaltend. In der Eröffnung auf Sylt wirken die Farbtöne am natürlichsten, späterhin sind sie häufiger im Sinne der jeweiligen Atmosphäre stärker gedämpft und wirken besonders kühl. Dezent sichtbar ist besonders von der Blu-ray eine leichte Körnigkeit in unstrukturierten homogenen Flächen.
Auf eine adäquate Akustik hat man ebenso viel Wert gelegt. Neben AC3-5.1 ist der Surroundmix auch in DTS 5.1 vertreten. Neben seiner in den Actionpassagen (mitunter etwas reißerischen) bassstarken Effektfülle überzeugt der Tonmix gerade in den ruhigen Szenen durch seine ausgeprägte Natürlichkeit. Eine Hörfilmfassung für Blinde und Sehbehinderte ist erfreulicherweise in beiden Sets vorhanden.
Ebenso hochkarätig kommen die Boni daher. Den Interessierten erwarten 150 Minuten Material, das bereits von DVD erahnbar durchweg in HD-Qualität produziert ist. Das ist etwas, das derzeit noch längst nicht Standard ist. Zum entsprechend guten Bildeindruck findet sich in den einzelnen Featuretten praktisch durchweg sehr viel Informatives zur Entstehung des Films und den vielfältigen Aspekten der Produktion, z. B. „Über Authentizität“ oder „Die Schauspieler und ihre Rollen“. Außerdem finden sich diverse Interviewsegmente mit Produzent Bernd Eichinger und ebenso mit Stefan Aust, dem Autor des gleichnamigen Buches.
Im 12-minütigen Segment „Die Musik“ gibts Einblicke in die Aufnahmesitzungen. Die Komponisten Peter Hinderthür und Florian Tessloff erläutern anhand verschiedener Szenen das sehr actionlastige Vertonungskonzept. Es ist an dem orientiert, was Actionblockbuster aus Hollywood im Gepäck haben. Die nahezu durchgehend rhythmisierte und durch synthetische Einschübe pulsierende Vertonung wirkt bohrend und treibend zugleich. Sie ist dabei jedoch ausschließlich dem Film dienlich, erfüllt als integrierter Teil der gesamten Tonspur (Soundtrack) ihren Zweck. Autonom gehört besitzt sie jedoch keine musikalische Substanz, die für ein Eigenleben taugt. Entsprechend wird das eher überflüssige CD-Album an dieser Stelle ausgespart.
Das Buch von Stefan Aust
Erstmalig 1985 erschienen, liegt diese Monografie über die erste Generation der RAF jetzt als dritte revidierte und wiederum ergänzte Auflage vor. Bereits die 1997 erfolgte zweite Auflage ist durch neuere Erkenntnisse erweitert worden. Neben erst seit der Wiedervereinigung zugänglichen Akten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR waren hierfür die Neuaussagen von Peter Jürgen Boock entscheidend. Die aktuelle Neuausgabe ist nochmals kritisch durchgesehen und durch die Betrachtung geheimdienstlicher Aktivitäten um den Hochsicherheitstrakt in Stammheim erneut erweitert und erstmals mit Bildmaterial versehen worden. Der Autor geht hier unter anderem Indizien nach, die darauf hinweisen, dass die Gefangenen von Stammheim in ihren Zellen abgehört worden sind. So hat das Buch seit der Erstauflage insgesamt rund 300 Seiten zugelegt, ist zum rund 900 Seiten umfassenden Wälzer geworden. Das, was sich nach der Ermordung Hans-Martin Schleyers ereignete, was also auf den Deutschen Herbst von 1977 bis zur Auflösung der RAF 1998 folgte, wird am Schluss des Bandes knapp zusammengefasst.
Überzeugend organisierte und weitgehend flüssige, aber infolge der extremen Detailfülle auch nicht ganz einfache Lesekost bekommt man hier vorgesetzt. Sich hier durchzuarbeiten erfordert Geduld und Zeit. Nicht nur wer dazu vielleicht einen Anschub braucht, ist eventuell mit der nachfolgenden Hörbuchversion gut beraten.
Das Hörbuch
Im Umfeld des Filmstarts ist erstmalig ein Konzentrat aus Stefan Austs Buch als Hörbuchfassung auf vier CDs veröffentlicht worden. (Nicht zu verwechseln mit dem „Filmhörbuch“, das eine Hörspielfassung basierend auf der Tonspur des Kinofilms enthält.) Der Autor liefert hier das Wichtigste aus seinem Buch kompetent aufbereitet und dank vieler eingespielter Originaltöne keineswegs trocken, sondern als überaus lebendige Collage.
Die Stammheim-Bänder: Baader-Meinhof vor Gericht
Eigentlich dürfte es diese Tondokumente gar nicht geben, hätten die Tonbandmitschnitte der Stammheimer Verhandlungen bereits vor 30 Jahren gelöscht werden müssen. Im Keller des Oberlandesgerichts Stuttgart haben davon immerhin insgesamt rund 13 Stunden überlebt. Der freie Journalist Maximilian Schönherr hat das in gutem Zustand befindliche Material ausgewertet und das Interessanteste daraus chronologisch auf einer 80-minütigen CD zusammengestellt. Akustisch schwer verständliche Passagen werden aus den Prozessakten zitierend nachgesprochen.
Dies sind nicht nur klingende Zeitzeugnisse des bislang wohl umstrittensten Prozesses der Bundesrepublik und Beleg für das aufgeheizte Klima und die entsprechende Stimmung jener Tage. Erstmalig bekommt man die Äußerungen von Baader und Meinhof sowie Jan Carl Raspe zu hören, kann diese nicht nur als Niederschriften nachlesen. Das, was es hier zu hören gibt, ist entsprechend atmosphärisch dicht und durch seine unleugbare Authentizität besonders eindrucksvoll. Es spricht für sich selbst und macht das vielfach Absurde dieser dem Deutschen Herbst vorausgehenden Gerichtsverhandlungen in ganz besonderem Maße spürbar. Da wird aneinander vorbei geredet und dabei oftmals mehr geschrien als gesprochen und häufig nur wütend und/oder ausschweifend agitiert. Bemerkenswert sind dabei auch die Ausbrüche und Tiraden eines der Verteidiger, welcher späterhin ideologisch eine 180-Grad-Drehung vollzogen sowie eine bemerkenswerte Karriere gemacht hat: des späteren Innenministers Otto Schily.
Jutta Ditfurth: „Ulrike Meinhof – Die Biografie“
Ulrike Meinhof, die wohl sensibelste und tragischste Figur im Zentrum der 1. RAF-Generation, wird nicht nur in Uli Edels Film am eindringlichsten porträtiert. Jutta Ditfurth, Sozialwissenschaftlerin und Mitgründerin der Grünen, widmete der Figur ihr Buch „Ulrike Meinhof — Die Biografie“. Die Autorin sieht in Meinhof die große Schwester der 68er. Ditfurth, selbst Reizfigur, gibt sich im Pressegespräch (Stern Heft 46/2008) forsch und angriffslustig. Mit den bisherigen Veröffentlichungen zum Thema geht sie insgesamt hart ins Gericht. Offenbar hat sie sich dabei ganz besonders auf das Buch von Stefan Aust eingeschossen. Ob das nun wesentlich mehr als ein populistisches Scharmützel gegen einen konkurrierenden Autoren und ein Marketinggag ist, ist schwer zu beantworten.
Die vorliegende Publikation ist zweifellos aus linker Sicht geschrieben und gibt sich entsprechend provozierend. Sie lässt so manches zu Ulrike Meinhof in anderem Licht, den Charakter insgesamt sympathischer erscheinen. Sie thematisiert aber auch die vielen schwerwiegenden Fehler, welche der deutsche Rechtsstaat im Umgang mit den Terroristen und solchen gemacht hat, die als Sympathisanten verdächtigt worden sind. Entsprechend bietet das gut zu lesende Buch in jedem Fall interessante Ansätze und schafft Raum sowohl für anregende Diskussionen als auch für weitere kritische Analysen.
Alfred Klaus: „Sie nannten mich Familienbulle“
Der Kriminalhauptkommissar beim BKA Alfred Klaus war seinerzeit Sonderermittler bei der Soko B/M und hat sich zwischen 1971 und 1977 besonders eingehend mit den Angehörigen der ersten RAF-Generation beschäftigt. Im Gegensatz zu manch anderen hat er sich in besonderem Maße bemüht, ihre Beweggründe zu verstehen. So beschäftigte er sich nicht nur mit den Schriften, auf die sich die Terroristen beriefen, sondern befragte auch deren Angehörige. Dafür erhielt er von Ulrike Meinhof die Bezeichnung „Familienbulle“.
Gemeinsam mit der Journalistin Gabriele Droste hat Klaus seine Erlebnisse während jener Jahre zu einer dokumentarischen Erzählung kondensiert. Das Ergebnis ist ein ambitioniert anmutendes, lesenswertes Zeitzeugnis. Besonders zur Schleyer-Entführung findet sich recht Brisantes: Klaus ist der Meinung, die Ermordung Schleyers wäre zu verhindern gewesen, hätte sich die damalige Bundesregierung flexibler verhalten. Auf seine warnenden Hinweise, dass ein zu befürchtender Suizid der Gefangenen auch für Schleyer das Todesurteil bedeuten müsse, sei nicht gehört worden.
Ein weiterer Film zum Thema auf DVD: Todesspiel
Regisseur Heinrich Breloer ist als ein Spezialist für Doku-Dramen geläufig. Mit Die Manns (2001) und Speer und Er (2005) hat er besonders perfekt geratene Beispiele für seine zusammen mit Horst Königstein entwickelte, ganz typische Form der Montagetechnik geliefert: Spielszenen, Dokumentarmaterial und Gespräche mit Zeitzeugen werden dabei gleichberechtigt zu einem raffinierten Gesamtergebnis verschmolzen. Bereits 1997 beschäftigte er sich in Todesspiel mit den Ereignissen, welche den so genannten Deutschen Herbst einläuteten: der Schleyer-Entführung, der Entführung der Lufthansamaschine „Landshut“ und der Befreiungsaktion der GSG-9 in Mogadischu. Der x-fach mit TV-Preisen ausgezeichnete Film wird verschiedentlich gegen Uli Edels Der Baader Meinhof Komplex ins Feld geführt.
Das Szenario ist als Zweiteiler von jeweils rund 90 Minuten angelegt: 1. Teil, Volksgefängnis und 2. Teil, Entführt die Landshut. Breloer beleuchtet die tragischen Geschehnisse facettenreich aus der Perspektive der Täter, der Opfer und der Jäger. Er ist dabei eindeutig um Fairness in der Darstellung bemüht. Selbst die Terroristen kommen zu Wort und werden nicht schlichtweg verteufelt. Mit Hilfe eines exzellenten Drehbuches erzeugt der Film einen Spannungsbogen, der bis zum Ende nicht durchhängt. Und dank eines Top-Darstellerensembles — u. a. Sebastian Koch (Baader), Helmut Zapatka (Bundeskanzler Schmidt) und Hans Brenner (Schleyer) — erreicht Todesspiel durchgehend eine Tiefe in der Auseinandersetzung mit dem Thema, bei der Edels Film zwangsläufig nicht voll mithalten kann. Indem er sich auf einen kleinen Zeitabschnitt konzentriert, vermeidet Breloer natürlich die Edels Verfilmung angekreidete Zerfaserung des Themas durch die Überfülle des Gezeigten. Infolge des sehr geschickten Zusammenführens der Spielszenen mit Interviews Betroffener (z. B. der Schleyer-Witwe) und weiterer wichtiger Zeitzeugen ist Todesspiel ein Doku-Drama oberster Kategorie. Dem Regisseur gelingt so eine sehr überzeugende, detailreiche wie differenzierte Studie der Ereignisse, eine, die eben nicht langweilt, sondern den Zuschauer vielmehr fesselt.
Insgesamt zählt Todesspiel durch seine eindringliche Atmosphäre zum Besten, was man sich zum Thema RAF ansehen kann. Der 2. Teil, Entführt die Landshut, ist meines Erachtens sogar deutlich packender geraten als die aktuelle ARD-Produktion Mogadischu (2008). Einige werfen Breloer allerdings vor, dass er die These vom Mord in Stammheim nicht in Betracht zieht. Inwieweit besagte These, nachhaltig gefördert von der einzigen Überlebenden der Stammheimer Todesnacht, Irmgard Möller, nicht eher zu den letzten Mythen um die RAF zählt, mag jeder für sich entscheiden.
Die DVD-Ausgabe von Icestorm Entertainment präsentiert Todesspiel mit insgesamt sehr sauberem, durchweg scharfem und gut durchzeichnetem Bild. Der Ton ist im Dolby-Surround-Format (AC3-2.0) vorhanden. Im Vergleich mit Der Baader Meinhof Komplex ist der Sound beim Effekt zwar erheblich zurückhaltender. Er sorgt aber ebenfalls für eine adäquate Raumkulisse. Als Boni gibts noch zwei Bildergalerien sowie ein rund 30-minütiges Interview mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt.
Weitere Filme zum Thema
Auch andere Regisseure haben sich mit dem Thema RAF befasst und zum Teil interessante Beiträge geliefert, wie den dem Deutschen Herbst den Namen gebenden Episodenfilm Deutschland im Herbst (1978) aus Beiträgen elf verschiedener Regisseure, Margarethe von Trottas Die bleierne Zeit (1981), Volker Schlöndorffs Die Stille nach dem Schuss (2000) oder Reinhard Hauffs Stammheim (1986). Zum besonders Fragwürdigen gehört Christopher Roths Baader (2002): Nicht allein, dass der den Protagonisten verkörpernde Frank Giering mit Andreas Baader praktisch überhaupt keine Ähnlichkeit besitzt, ist bereits abträglich. Darüber hinaus ist das Szenario, abgesehen von einigen treffenden Ansätzen in der Frühzeit der Titelfigur, einfach mit einem Zuviel an Fiktion befrachtet. Im finalen Showdown nimmt Roth sich sogar die Freiheit, Baader von der Polizei erschießen zu lassen. Das macht die Geschichtslosigkeit seiner Interpretation allerdings perfekt.
Fazit: Den optimalen Film über die RAF wird es wohl auch zukünftig nicht geben. Als packender emotionaler Einstieg in die Thematik Studentenrevolte und RAF, angefangen von den Schah-Protesten 1967 bis zur Schleyer-Ermordung im Herbst 1977, ist Uli Edels Der Baader Meinhof Komplex aber durchaus geeignet. Und dies gilt wohl insbesondere für das junge Kino- und TV-Publikum der 15-bis-25-Jährigen.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
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