Nostalgisches hat ungebrochen Konjunktur. So ist kürzlich der zweite Band von „Das große Album der Karl-May-Filme“ erschienen. Michael Petzel hat die Fakten um Mythos und Entstehung dieser legendären deutschen Western-Kinomärchen der 60er bereits in seinen Büchern „Karl-May-Filmbuch: Stories und Bilder aus der deutschen Traumfabrik“ und „Der Weg zum Silbersee — Drehorte und Dreharbeiten der Karl-May-Filme“ geliefert. Entsprechend enthalten die beiden großformatigen Bildbände auch nur einen knapp gefassten Einleitungsartikel, der in erster Linie eine Hommage an die Filmfotografen der Ära sein will, deren Fotos anschließend zu sehen sind — so auch vom besonders durch den Fall Romy Schneider bekannt gewordenen Film-Journalisten Billy Kocian.
Bereits in den Sixties waren unzählige (allerdings kleinformatige) Bilderserien aus den Filmen (auch zum Sammeln) erhältlich, die Petzel treffend als Reliquien einer Sehnsucht nach der kompletten Karl-May-Kinowelt bezeichnet. Den genannten Bildveröffentlichungen sind die Reproduktionen in den beiden vorliegenden Alben der Karl-May-Filme nicht nur qualitativ haushoch überlegen, sie bestechen nicht allein durch ihre Schärfe, sondern ganz besonders durch ihre Größe. Die Druckvorlagen wurden von den originalen Großformat-Diapositiven angefertigt. Von einigen wenigen abgesehen, bei denen durch Alterung eingetretene Schäden trotz digitaler Nachbearbeitung nicht vollständig beseitigt werden konnten, sind die Reproduktionen von bestechender Brillanz.
Die mit Panoramaseiten im DIN-A2-Format ausgestatten beiden Kunstdruck-Foto-Bände ermöglichen somit Schwelgen auf höchstem Niveau in einer Vielzahl von überwiegend farbigen Bildern aus dem Kosmos des Karl-May-Film-Universums. „Nun sehen wir sie endlich von Angesicht zu Angesicht, die schon legendären Blutsbrüder Old Shatterhand und Winnetou.“ Nicht allein dieser aus dem Prolog zum ersten Film der Welle, Der Schatz im Silbersee, stammende Satz wird in den beiden Publikationen auf für den Betrachter besonders ausführliche und umfassende Weise Programm. Neben ausgewählten Motiven sämtlicher Filme sind dabei auch originelle Schnappschüsse zu sehen, Winnetou (Pierre Brice) mit Schmalfilmkamera in der Hand und Ralf Wolter alias Sam Hawkins beim Baden im Waschtrog. Aber auch mancherlei Einblicke in die Arbeit hinter der Kamera sind zu beobachten: so die kleinen Holzpflöcke im Boden, welche den Schauspielern als Markierungen dienten, um sich perfekt im CinemaScope-Bildausschnitt zu bewegen. Natürlich gibt es nicht nur die beiden legendären Karl-May-Ikonen zu bestaunen, auch die Ausflüge ins Mexiko des Kaisers Maximilian sowie die Orientabenteuer nebst den zugehörigen Figuren werden ver(sinn)bildlicht. Jedem (Film-)Kapitel sind komplette Stab- und Besetzungslisten, eine kurze Inhaltsangabe sowie eine Übersicht über die ausgewählten Bilder vorangestellt.
Ob sich in dieser Bilderflut nun immer die „richtigen“ Bilder des betreffenden Films finden oder ob man vielleicht doch das eine oder andere besonders lieb gewordene Motiv vermisst, liegt dabei zweifellos im Auge des jeweiligen Betrachters.
Der Karl-May-Freund erhält zwei zusammengehörige, sowohl preislich als auch in der Handhabung nicht leichtgewichtige, qualitativ zweifellos hochwertige Bildbände, die jeweils in einem stabilen Schmuckschuber untergebracht sind. Diese warten mit einer Fülle an Augenschmaus auf und laden den Betrachter ein, die Welt der Karl-May-Filme abseits von VHS-Cassette oder (besser) DVD im klassischen Sinne in Ruhe zu studieren. Dabei soll allerdings eine Merkwürdigkeit nicht verschwiegen werden: Der zweite Band ist überraschenderweise in der Höhe gut zwei Zentimeter kleiner geraten als sein ein Jahr älterer Bruder, was durch einen unterfütterten Schuber kaschiert wird. Dafür soll möglicherweise das beiliegende Riesenposter vom Titelcover entschädigen. Wer mit diesem kleinen Schönheitsfehler leben kann, wird zu einer faszinierenden, oftmals prachtvoll-bunten und durchweg sehr nostalgischen Zeitreise eingeladen.
Mehrteilige Rezension:
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