Das alte Jahr 2010 neigt sich seinem Ende zu, und im Sinne gepflegter Cinemusic.de-Tradition werden ein weiteres Mal einige zur Jahreszeit besonders passende CD-Alben vorgestellt.
„Christmas With The Pops“ & „Christmastime Is Here“
Am 1. September 2009 verstarb der 1935 in New York geborene amerikanische Dirigent Erich Kunzel infolge eines langen Krebsleidens. Der Name Erich Kunzel ist vielen Musikfreunden durch die Vielzahl seiner für das Telarc-Label produzierten (nicht ausschließlich) Filmmusik-Kompilationen geläufig — siehe dazu auch „Cinemusic.de meets Erich Kunzel and the Cincinnati Pops“.
Im Sinne eines späten Nachrufs auf den beachtlichen Künstler sollen nun die beiden auch nebeneinander betrachtet sehr gelungenen Telarc-Weihnachtskompilationen Eingang in das Archiv von Cinemusic.de finden. Beide Alben enthalten eher traditionelle denn experimentelle Zusammenstellungen weihnachtlicher Musik und heben sich doch auch voneinander ab. Wer die typisch amerikanische, orchestral wie choral üppig und zugleich rauschhaft angelegten Weihnachtsklänge schätzt, der kommt in beiden Fällen voll auf seine Kosten. Was aber nicht heißt, dass es nicht auch intimer angelegte Stücke zu hören gibt. Beide CD-Alben sind zwangsläufig „mixed bags“, aber gerade das macht sie ja dank ihrer stimmungsmäßigen Vielfalt doch so reizvoll.
So bestreiten die warmen Flügelhornsoli Doc Severinsens auf „Christmas With The Pops“ den 1946 entstandenen und zuerst von Nat King Cole aufgenommenen „The Christmas Song (Chestnuts Roasting on an Open Fire)“. Und Filmmusikalisches findet sich ebenfalls, in Form des charmanten Liedes „Walking In The Air“ von Howard Blake, komponiert für den Animationsfilm The Snowman (1982), hier interpretiert vom Knabensopran Stephen Van Dyck.
Auf „Christmastime Is Here“ tragen die King’s Singers das unverwüstliche „Stille Nacht“ sogar in Deutsch vor und ein „Jingle Bells Rock“ stimmt mit drolliger Dixieland-Eröffnung ein. Ebenfalls originell ist die Variante des „Little Drummer Boy“, welche die bekannte Melodie mit dem Rhythmus des Ravel’schen Boleros kombiniert und dazu in einer wiederum Bolero-artigen Steigerung überzeugend zum Abschluss geführt wird. Und auch der John-Williams-Weihnachtssong aus Home Alone (1991), „Somewhere in My Memory“ ist unter dem Titel „Precious Moments“ vertreten. Ein persönliches Highlight bildet das von Ann Hampton Callaway nachdenklich und von Erich Kunzel und den Mitgliedern der Cincinnati Pops ausdrucksstark begleitete Lied „I Wonder As I Wonder“.
Sechzehn Jahre liegen zwischen der 1990er Kompilation „Christmas with The Pops“ und dem 2006er Album „Christmastime Is Here“. Trotzdem sind sie nicht durch Welten voneinander getrennt, setzen sich vielmehr durch geschickte Auswahl der jeweiligen Stücke, wie auch der Arrangements auch da voneinander ab, wo es einzelne Überlappungen gibt. Sowohl klangtechnisch wie auch interpretatorisch sind beide Alben auf tadellosem Niveau.
„A Family Christmas“
Was für die Engländer die Weihnachtskonzerte John Rutters (s. u.) sind, das sind für die Schotten offenbar die vergleichbaren Konzerte des Royal Scottish National Orchestra (RSNO), des RSNO Chorus sowie des RSNO Junior Chorus unter der Leitung von Christopher Bell. Mit besonders flinken Tempi und Präzision legen sich die Schotten, nicht nur beim eröffnenden Medley „A Christmas Festival“ von Leroy Anderson, ins Zeug. Entsprechendes gilt ebenso für den Spielzeugmarsch aus der Operette Victor Herberts „Babes in Toyland“. Und auch die Mitglieder des mittlerweile auf eine 30-jährige Tradition blickenden Junior-Choruses, erweisen sich als überaus souverän, z. B. im Abendsegen aus Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“, im auch hier zu findenden John-Williams-Weihnachtssong aus Home Alone, im Britten’schen Christmas Carol „This Little Babe“ und nicht zuletzt in „Christmas Hope“ von Daniel Harrison. Der fein gespielte Walzer „Schlittschuhläufer“ von Émile Waldteufel schlägt dabei, wie schon zuvor der Auszug aus der Humperdinck-Oper, erneut die Brücke zum Kontinent.
Sicherlich ist das Album „A Family Christmas“ in erster Linie für die Besucher der Weihnachtskonzerte Christopher Bells und damit die Freunde des RSNO Junior Chorus als ein klingendes Souvenir gedacht. Darüber hinaus ist diese von sämtlichen Beteiligten hörbar engagiert vorgetragene wie auch akustisch prima ausgeleuchtete Gala der jungen schottischen Gesangsstars nebst schmissig aufspielendem RSNO aber auch ein sehr respektables Weihnachts-CD-Album — eines, das neben Bekanntem ebenso mit ein paar seltener zu hörenden Spezialitäten aufwartet.
J. S. Bach: Christmas Oratorio, WDR Bigband, Bill Dobbins
Spätestens seit „Play Bach“, den von Jacques Loussier ab Ende der 50er Jahre für ein Jazz-Trio eingerichteten Bearbeitungen, sind Bach und Jazz miteinander vereint. Und nun hat sich Bill Dobbins, Komponist und Arrangeur, an das Bach’sche Kantatenwerk, genauer an eine swingende Bearbeitung eines großen Querschnitts aus dem berühmten Weihnachtsoratorium des Thomaskantors herangewagt. Auf Signum Classics ist dazu nun ein Live-Mitschnitt einer Aufführung aus der Kölner Philharmonie, vom 30. November 2009, mit dem populären britischen Gesangs-Sextett „King’s Singers“ und begleitet von der 18-köpfigen WDR Bigband unter Bill Dobbins erschienen. Dobbins, der in den Jahren 1994 bis 2002 die WDR Bigband leitete, gibt dazu im englischsprachigen Begleitheft zu seiner frischen Lesart Bach’scher Musik lesenswerte Informationen.
Für nicht von vornherein Jazz-Begeisterte dürfte zwar die Welt der „Bach’schen Grooves“ zuerst schon etwas gewöhnungsbedürftig sein, aber etwas durchzuhalten lohnt sich durchaus, wurde dem weihnachtlichen Evergreen doch keine Gewalt angetan. Das Kölner Publikum jedenfalls reagierte nicht erst am Schluss unüberhörbar begeistert. Der von Teilen desselben leider auch zwischendrin gelegentlich gespendete Szenen-Applaus ist schon etwas störend. Nun denn, überdramatisiert werden soll dieses Wermutströpfchen auch nicht. Und so verbleibt als Fazit für diese insgesamt doch gelungene, swingende Bescherung: „Jazzet, Frohlocket!“, so titelt passend dazu die Werbung des Vertriebes Note 1. Dem bleibt (fast) nichts hinzuzufügen.
„A Song In Season“ (John Rutter)
Den Abschluss bildet ein neues Album von John Rutter (siehe „A Christmas Festival“), eines, das fast durchweg neuere geistliche Chorkompositionen des Briten aus der letzten Dekade enthält. Von den vertretenen Stücken ist dieses Mal nur das „Carol of the Magi“ dem Weihnachtsfestkreis gewidmet. Das Motto des vielschichtigen Albums lautet vielmehr „To everything there is a season“. Sehr geschmackvoll und zugleich gefällig ist auch diese auf dem hauseigenen Collegium-Label veröffentlichte Zusammenstellung des Briten, die sich in der Wahl der eingesetzten Mittel wiederum so undogmatisch wie auch vielseitig gibt und sich dabei, ohne anspruchslos zu sein, einem leicht zugänglichen, raffinierten Schönklang nicht verweigert.
Fazit: Hört man die nicht nur an dieser Stelle vorgestellten angelsächsischen Weihnachtskompilationen hintereinander, dann bemerkt man markante Unterschiede. Da treten eindeutige, mitunter auch mal recht eigenwillige Akzente und Schattierungen in den jeweiligen Arrangements zutage, aber ebenso in den nicht einfach gleichförmig und damit austauschbar angelegten, vielmehr individuellen Interpretationen. Das verleiht letztlich den guten und sehr guten Vertretern des Genres, trotz aller grundsätzlichen Verwandtschaft und der zwangsläufigen Wiederbegegnungen mit landläufigen Weihnachtsklassikern, ein ausreichendes Maß an Variabilität. Und das wiederum macht sie auch neben- wie nacheinander im jährlichen Rhythmus hörenswert. Und für diese gilt: Das Gebotene ist sehr unterhaltsam und auch gefällig. Im übertragenen Sinne trifft das ebenso zu für das ungewöhnliche, nämlich jazzige Arrangement des berühmten Weihnachtsoratoriums von J. S. Bach.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2010.
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