Automobile mit Herz im Geheimdienst Ihrer Majestät
Der Kinostart von Cars 2 war angesichts der bisherigen Pixar-Erfolgsstory überraschenderweise von viel negativer Kritik überschattet. Im Gegensatz dazu entwickelten sich die Einspielergebnisse überaus beachtlich. In den USA machte Cars 2 allein am Startwochenende rund 66 Mio $ und belegte damit auf Anhieb sogar den Spitzenplatz in den Charts, und auch international ist der jüngste Pixar keineswegs gefloppt.
Dabei ging es beim Schelten des neuesten Films recht heftig zur Sache, war etwa von Zerstörung des Pixar-Mythos die Rede. Nun, dass dies zumindest arg übertrieben ist, wurde mir bereits beim Kinobesuch im vergangenen Sommer klar, aber da ließ das Bild infolge mangelhafter Justage der Projektion bereits durch den nicht gerade optimalen Schärfeeindruck zu wünschen übrig, und auch die 3D-Präsentation war nicht perfekt. Davon kann bei den jetzt vorliegenden Videopräsentationen keine Rede sein (s. u.).
Was die Story anbelangt, ist Pixar mit Cars 2 zwar kein ganz großer Wurf, vergleichbar mit seiner Toy-Story-Trilogie, gelungen, aber eine fantasievolle, vor Einfällen überbordende und witzige Agentenstory mit 007-Touch und beträchtlichen Unterhaltungsqualitäten ist dabei in jedem Fall herausgekommen. Für die ganz kleinen Zuschauer ist die turbulente Filmhandlung im Detail vermutlich schon etwas zu verwirrend, aber sie dürften trotzdem durch die vielen drolligen Gags und temporeichen Actioneinlagen bei der Stange gehalten werden.
Und die erwachsenen Begleit- oder auch Einzelpersonen? Die werden insgesamt gut unterhalten und außerdem durch die vielen guten Einfälle amüsiert, z. B. durchs Bild flatternde Propeller-Tauben oder Mini-VW-Käfern ähnliche Insekten, die Glühlampen umschwirren. Und da ist außerdem die Vielfalt der hier vertretenen Schauplätze, geht es doch um einen World Grand Prix, der die hier natürlich ausschließlich von Autos bevölkerten großen Metropolen dieser Welt recht originell Revue passieren lässt. In der mittlerweile praktisch nicht mehr überschaubaren Detailfülle der geradezu perfekt animierten Bilder kommt man aus dem Staunen kaum noch heraus, etwa im von Neonlicht dominierten Tokyo bei Nacht. Und nicht nur in Tokyo auch in anderen Metropolen der Welt sind bekannte Sehenswürdigkeiten quasi „verautomobilisiert“, z. B. die wie groteske Autos geformten Wasserspeier von Notre Dame oder Big Ben, der hier Big Bentley heißt und aus Bentley-Kühlergrillen und -Kühlerfiguren besteht. Und außerdem finden sich noch so manches Ausstattungsdetail, diverse Anspielungen oder auch liebevoll eingearbeitete Zitate (wie das bereits aus Cars bekannte „dösige Traktoren erschrecken“), so dass der Zuschauer kaum alles davon beim ersten Anschauen des Films bewusst wahrnehmen wird.
Und oben drauf kommt auch beim nach Oben und Toy Story 3 dritten in 3D produzierten Pixarfilm die wiederum faszinierend in die Bildgestaltung einbezogene dritte Dimension, welche den Bildern auch durch die sorgfältig angepasste Lichtführung so enorme Raumtiefe verleiht. Dabei wird zwar auch hier in erster Linie auf einen möglichst natürlichen und in sich stimmig wirkenden Raumeindruck ohne Effekthascherei Wert gelegt. Aber gelegentlich gibt es schon auch Momente, in denen sich etwas dezent in Richtung Zuschauer bewegt, und das ist dann auch mal sehr ansprechend. Und nicht zuletzt in den rasant inszenierten Autorennen macht 3D viel her.
Cars 2 3D im Tripel-Blu-ray-Disc-Set
Die Produktionskosten von satten 200 Mio. US-Dollar sieht man dem Film genauso an, wie die seit dem reizenden Vorläufer, Cars, vergangenen fünf Jahre. Der technische Fortschritt zeigt sich in der Üppigkeit und Detailverliebtheit der insgesamt prachtvoll erscheinenden Bilder. Zwar waren die aus dem Computer stammenden CGI-Produktionen schon immer von hervorragender Bildqualität. Aber in solcher Brillanz hat man Derartiges zuvor noch nicht gesehen. Da ist es schon selbstredend, wenn das knackig scharfe Bild in sämtlichen Kategorien an der Spitze liegt. Und auch der in derselben Liga aufspielende Raumeindruck der 3D-Version ist schlichtweg vorzüglich. Das Gezeigte besetzt derzeit zweifellos die Marke Referenzqualität.
Und dazu passt auch die ebenfalls auf Hochglanz polierte, alle Känale optimal bedienende Akustik, welche der Technik-Freak in DTS HD 7.1 abrufen kann. Auch bei der deutschen Synchronfassung gibt es nichts zu beanstanden: Alles was in der Branche Rang und Namen hat, hat hier zum Mikro gegriffen. Mindestens ein origineller Gag findet sich auch hier: in Form des deutschen Sprechers von James Bond, Dietmar Wunder, der hier so stimmig dem mutigen britischen Geheimagenten Finn McMissile die Stimme leiht.
Der Löwenanteil der Extras befindet sich auf der dritten Disc im Set. Auf der 3D-Blu-ray finden sich neben einem kompetenten wie interessanten Audiokommentar von den Regisseuren John Lasseter und Brad Lewis, letztlich zwei 3D-Trailer sowie ein 3D-Kurzfilm mit Hook, dem Abschleppwagen. Zwar ist Hook hebt ab eine recht witzige und zugleich augenzwinkernde Eigenwerbung für den für 2013 angekündigten Planes. Allerdings ist das Fehlen der 3D-Version des im Kino vor Cars 2 gezeigten, wirklich reizenden „Toy-Story-4“-Kurzfilms, Urlaub auf Hawaii, unverständlich und schon etwas ärgerlich — in 2D ist Urlaub auf Hawaii immerhin auf der Disc mit der 2D-Cars-2-Version untergebracht.
Beim mit insgesamt drei Blu-ray-Discs umfassend bestückten Cars-2-3D-Set ist nicht etwa die Menge der wahrlich in Fülle vorhandenen Boni ein Kritikpunkt, sondern die nicht völlig befriedigende Art und Weise ihrer Präsentation. Ähnlich wie bei Toy Story 3 fehlt leider ein wohl organisiertes, die Masse der Einzelteile übersichtlich sortiert bündelndes Making-of. Stattdessen bekommt man eine Fülle kurzer Einzel-Segmente, die man in einem recht überladenen wirkenden Menü etwas mühsam aus- und anwählen muss.
In den USA kam Cars 2 bereits am 1. November in den Handel. Mit einem HD-Anteil von 47 Prozent bei den verkauften Sets setzte sich der Titel damit direkt auf den ersten Platz der US-Blu-ray-Charts. Und immerhin 17 Prozent aller verkauften Sets waren die mit den 3D-Blu-rays.
Filmmusik zu Cars 2: Michael Giacchino
Mit Cars 2 hat Giacchino, nach Die Unglaublichen, Ratatouille und Oben, nun den vierten Pixar-Film vertont. Das CD-Album enthält neben fünf Songs einen Scoreanteil von rund 45 Minuten.
Wie Giacchino im Presseheft verlauten lässt, habe ihn die Eröffnungsszene des Films ins Alter von 10 Jahren zurückversetzt, als er total auf Surfrock abgefahren sei, eine instrumentale Abart des Rock ’n’ Roll aus dem Kalifornien der frühen 60er Jahre. Diese von der E-Gitarre dominierte Musikrichtung sei dann in Form eines Probestücks für John Lasseter zur Leitlinie für die Filmmusik geworden.
Randy Newmans stärker mit Copland-Americana, rockigen sowie countryhaften Einwürfen funktionierender Ansatz zum ersten Cars und Giacchinos Komposition berühren sich ein wenig in den vergleichbar dynamisch auskomponierten Szenen der diversen Autorennen, haben aber sonst kaum etwas gemein. Klangliche Parallelen finden sich dafür in Die Unglaublichen und besonders im auch vom Sujet eng verwandten Speed Racer (2008). Cars 2 mutet durch seine Beat-Elemente und gelegentliche Einsätze der Hammondorgel retromäßig an, und auch das prägnante Gitarrenmotiv passt dazu, besitzt es doch eindeutig James-Bond-Touch.
Zweifellos ist der über rund eine Dreiviertelstunde Revue passierende Stilmix sehr solide ausgeführt und auch gut instrumentiert. Neben Giacchino waren offenbar neun weitere Instrumentatoren beteiligt. Und wenn das „Bond“-Motiv hin und wieder durch die Orchestergruppen wandert, dann ist das tadellos arrangiert. Aber besagtes Bond-Motiv allein vermag über die gesamte Spielzeit nicht recht zu tragen. Und da liegt denn doch ein wenig die Achillesferse des Albums, das im Hörcharme mit den o. g. Pixar-Vertonungen Giacchinos nicht ganz mithalten kann. Wer sich jedoch eine gestraffte Suite programmieren mag, für den dürfte das Album schon den Rang eines soliden Souvenirs zum Film belegen können.
Fazit: Trotz so manchem zu Cars 2 zu lesenden, zum Teil deftigen Unkenrufs: Der Film ist erheblich besser als das, was darüber zum Teil aus dem Blätterwald schallt. Auch wenn es dieses Mal nicht zum ganz großen berührenden Wurf gelangt hat. Sehr spritzig und unterhaltsam und wie immer optisch brillant umgesetzt ist auch diese aktuelle Pixar-Produktion allemal. Die bestechende Videopräsentation auf Blu-ray ist ein Schmaus für Augen und Ohren — schon in 2D, aber ganz besonders in der 3D-Version.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2011.
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