Der Regisseur John Ford
„Mein Name ist John Ford: Ich mache Western!“ Auch wenn von seinen rund 130 Filmen nur etwa die Hälfte Western sind, dürfte es gerade dieses Filmgenre sein, das mit dem Namen des berühmten Regisseurs besonders eng verbunden ist. Seine lyrisch inszenierten, episch breit angelegten Filme sind opulente Stimmungsgemälde einer vergangenen, stark romantisiert dargestellten Epoche. Die konservativen Werte und Tugenden ihrer Helden sind nicht erst heutigen Zuschauern in Teilen suspekt: Das Missverhältnis zur historischen Realität ist mitunter krass.
Allzu groß und unkritisch erscheint die Verehrung der Kavallerie, allzu glatt ist deren Rolle als Beschützerin der braven weißen Siedler. In Fort Apache * Bis zum letzten Mann (1947) verarbeitet Ford (allerdings sehr frei) das Desaster der Custer-Schlacht. Der unfähige Colonel Thursday trübt hier die bis dahin nahezu völlig schwarz-weiß gemalte Idylle der frühen Western wie Trommeln am Mohawk (1939). Die vom Regisseur über alles verehrte und verklärte Legende – besonders eindeutig herausgearbeitet in Der Mann der Liberty Valance erschoss (1961) – bleibt jedoch auch weiterhin im Kern unangetastet.
Ein berühmter Hauptdarsteller
Bereits früh avancierte ein junger Schauspieler namens Marion Michael Morrison (1907-1979) zum Schützling Fords. Von seinem Mentor wurde er an Raoul Walsh für die Dreharbeiten zu The Big Trail * Der große Treck (1930) empfohlen; dieser taufte ihn in John Wayne um. Unter diesem Künstlernamen begründete Morrison seine Karriere als effektiver Charakterdarsteller; er hat zweifellos die Geschichte des Film-Genres Western mitbestimmt.
Zeitlebens war John Wayne eine umstrittene Figur. Dies war auch darin mitbegründet, dass man sich in Europa mit der amerikanischen Interpretation von Werten wie Patriotismus, Freiheit und Demokratie teilweise schwer tut. Nicht erst seit seinem filmischen Pro-Vietnam-Krieg-Statement von 1968, The Green Berets * Die grünen Teufel, ist er oft als „reaktionäre Kanaille“ verurteilt worden. Bei eingehender Betrachtung bleiben derartige „Ausrutscher“ jedoch auf eine erheblich kleinere Anzahl Filme beschränkt, als es die relativ häufig zu lesenden negativen Äußerungen vermuten lassen. So verkörpert der Schauspieler auch in den hier besprochenen vier John-Ford-Film-Klassikern keinesfalls wildes Draufgängertum und Hurrah-Patriotismus, sondern eher besonnene, nicht vollständig intakte, aus persönlichen Gründen leidende Charaktere.
Vier John-Ford-Filme
Fort Apache * Bis zum letzten Mann (1948), She Wore a Yellow Ribbon * Der Teufelshauptmann (1949) und Rio Grande * Rio Grande (1950) bilden die so genannte „Kavallerie-Trilogie“ Fords. Die Stories gehen auf Erzählungen von James Warner Bellah zurück, die dieser in der „Saturday Evening Post“ veröffentlichte. In den Filmen spielt John Wayne reifere, bedächtig und verantwortungsbewusst agierende Offiziere. Eingedeutschte Filmtitel verzerren häufig den Sinn des Originals: Ein gutes Beispiel hierfür ist She Wore a Yellow Ribbon, wo der Originaltitel (als eine Zeile aus einem Volkslied) – von einem Mädchen berichtet, welches das gelbe Band für ihren Geliebten im Haar trägt – erheblich lyrischer und nicht derart martialisch wirkt wie der deutsche Verleihtitel Der Teufelshauptmann. Gerade dieser Film erweist sich bei näherem Hinsehen als einer der wärmsten und poetischsten Ford-Western überhaupt. Auch sein „berüchtigter“ Hauptdarsteller verkörpert hier einen eher friedliebenden, kurz vor der Pensionierung stehenden Kavalleristen, der zusammen mit einem alten Indianer-Häuptling eine unbedachte Gewalteskalation junger Krieger verhindert.
Sicher ist dies keine realistische, geschweige denn historisch stimmige Western-Story – etwas, das mir bereits, als ich den Film zum ersten Mal in der zweiten Hälfte der 60er im Fernsehen gesehen habe, beim Lesen einschlägiger Literatur rasch bewusst geworden ist. Die historische Genauigkeit in der Zeichnung der Kavallerie ist allerdings sehr wohl beeindruckend und perfektionistisch. (Jeder, der das traurige Bild der Kavallerie in den meisten europäischen Western z. B. in einigen Karl-May-Filmen kennt, weiß, was ich hier meine.) Vielmehr zeigt sich Ford (nicht nur hier) als, wie ihn Joe Hembus treffend charakterisierte, „konservativer Utopist“, bei dem die Legende einen höheren Wahrheitsgehalt hat als die Realität. Dieser märchenhafte Touch wird durch eine exzellente, zeitlos schöne Kameraarbeit unterstrichen, die mich schon damals unmittelbar begeistert hat – eine Feststellung, die leicht abgestuft auch für die anderen hier vorgestellten Ford-Filme gilt. Speziell die faszinierende Bildsprache ist es, die bei den Ford-Western m. E. einen besonders wichtigen Teil ihrer Bedeutung ausmacht.
Der Teufelshauptmann gerät nicht zuletzt durch Winton Hochs traumhafte Technicolor-Fotografie zum Höhepunkt der Kavallerie-Trilogie und zum visuell-packenden Meisterwerk, das die Aktionen seiner handelnden Figuren vor faszinierenden Landschaften („Monument Valley“ in Utah) in grandiosen Bildern festgehalten hat. Winton Hoch wurde hierfür mit einem Oscar belohnt. John Wayne, der hier leer ausging, erhielt übrigens von Ford eine Geburtstagstorte mit nur einer Kerze darauf mit den Worten „You’re an actor now!“.
Auf Platz zwei der Rangliste der Kavallerie-Trilogie rangiert der Erstling Fort Apache * Bis zum letzten Mann, in dem Ford die berühmte Custer-Schlacht teilweise kritisch thematisiert. Wie hier mit den Mitteln des „nur“ Schwarz-Weiß-Films die Dramatik des bevorstehenden militärischen Desasters eingefangen wird, ist mehr als nur beachtlich. Durch Aufnahmen auf infrarot-empfindlichem Filmmaterial und Special Make-Ups für die Schauspieler resultiert eine extreme Verstärkung der Kontraste: Derart verschärft hervorgehobene, ungewöhnlich drohend und wuchtig wirkende Wolkenformationen versinnbildlichen hier die Dramaturgie und erweisen sich als eindrucksvolle Vorboten der Katastrophe.
Rio Grande hingegen ist vergleichsweise eher plump heroisierend, ein insgesamt eher schwacher Abschluss der Trilogie, der aber einige solide Spannungsmomente aufweist und insgesamt noch passabel unterhält.
Mit The Quiet Man * Der Sieger (Die Katze mit den roten Haaren) realisierte John Ford ein lange geplantes Wunschprojekt, in Irland, im Lande seiner Vorfahren, einen Film zu inszenieren. Es handelt sich um eine recht nette Komödie mit vielen skurrilen Figuren und einem entsprechenden Humor. Auch hier ist der ursprüngliche deutsche Titel „Der Sieger“ irreführend. John Wayne spielt hier zwar einen Boxer, ist aber durch einen im Kampf unglücklicherweise verübten Totschlag traumatisiert und in der Auseinandersetzung mit einem irischen Raufbold daher eher – wie der Originaltitel mitteilt – der ruhige, sanfte Gegenpart.
Der Film entstand (wie auch Rio Grande) für Republic-Pictures, ein Studio, das nahezu ausschließlich und besonders preisbewusst B-Filme produzierte. Man verwendete dort das Farbverfahren „TruColor“, dessen Resultate allerdings alles andere waren als „true“. The Quiet Man wurde erfreulicherweise auf (teurerem) Technicolor-Material aufgenommen. Auch hier gehört die Farbfotografie von Winton Hoch zu den besonderen Stärken des Films.
Anmerkungen zur Filmmusik
Filmmusikalisch legte John Ford immer Wert auf melodieorientierte und von Traditionals bestimmte Kompositionen. Für die ersten beiden Filme der Kavallerie-Trilogie lieferte Richard Hagemann weitgehend stimmungsvolle von Kavallerie- und Volksliedern dominierte Scores, die speziell in den Action-Passagen allerdings die Brillanz eines Max Steiner etwas vermissen lassen. Auf dem auch sonst sehr ansprechenden Silva-Sampler „Lonesome Dove – Classic Western Scores 2“ ist aus der Filmmusik zu She Wore a Yellow Ribbon immerhin eine knapp 8-minütige solide nachgespielte Suite zugänglich. Die Prager Sinfoniker unter Paul Bateman sind hier nicht nur durchweg in guter Form, die CD ist dazu auch sehr gut bestückt.
Für Rio Grande und The Quiet Man hat der für seine unzähligen Ohrwürmer bekannte Victor Young (1900-1956) komponiert. Während Rio Grande über ordentliche Hollywood-Routine kaum hinausgeht, ist Young für The Quiet Man eine insgesamt sehr überzeugende, warme filmmusikalische Schöpfung gelungen. Diese Partitur enthält neben sehr einprägsamen – teilweise irische Volkslieder zitierende – Themen ein besonders gelungenes auf einer klassischen Musikform basierendes Stück: Den finalen Faustkampf der Streithähne begleitet eine der schönsten Fugen der Kinomusik-Geschichte: „The Big Fight“. Die Silva-CD wird dem Anspruch „Komplette Filmmusik“ zu sein zwar nicht ganz gerecht, ist jedoch substanziell vollständig und liefert dazu eine gute Interpretation des schönen, eingängigen Scores vom Dublin Screen Orchestra unter Kenneth Alwyn. Wer sich für die Musik zu Rio Grande interessiert, kann zur Originalaufnahme auf Varèse greifen. Diese klingt zwar recht bescheiden (da abgenommen von Acetat-Platten), ist jedoch vollständig.
Die Filme auf DVD
Kinowelt präsentiert alle vier Filme in liebevoll zusammengestellten Editionen, die dem Interessierten auch einiges an wertvollem Zusatzmaterial bieten. Neben aufschlussreichen Infos auf Texttafeln – in den Produktionsnotizen – gibt es Film-Trailer und mehr: ein rund 65-minütiges 1968 geführtes „Interview mit John Ford“ (DVD Der Teufelshauptmann), die rund 40-minütige John-Wayne-Fernseh-Doku „Johnny weil Du Geburtstag hast“ (DVD Rio Grande) und den wenig bekannten John-Ford-Kurzfilm Rookie of the Year aus dem Jahr 1957 (DVD The Quiet Man). Beim Ton bietet das Quartett ohne Ausnahme sauberes solides Mono.
Die Präsentation der vier Filme belegt die Bemühungen des Anbieters Kinowelt, qualitativ hochwertige DVD-Editionen auf den Markt zu bringen. Bei Fort Apache wird neben der auf rund 90 Minuten gekürzten deutschen sogar die etwa 30 Minuten längere US-Fassung zusätzlich geboten. Zwar finden sich in den zusätzlichen Szenen keine entscheidenden Handlungs- und Action-Momente, aber diese verleihen dem Charakter Colonel Thursdays mehr Tiefe und dem Film durch deutlicher hervortretende Bezüge zum US-Bürgerkrieg mehr Atmosphäre. Bemerkenswert ist dabei auch die in der deutschen Fassung infolge Kürzung der Schlussszene spürbar zurückgenommene Heldenverehrung und Glorifizierung von „Thursdays Attacke“. The Quiet Man wird hierzulande erstmals in der ungekürzten (rund 14 Minuten längeren) US-Fassung präsentiert, wobei die nicht synchronisierten Teile deutsch untertitelt sind. Hier ist das zusätzlich zu Sehende zwar weniger wichtig, aber es ist natürlich wertvoll, beide Fassungen einander gegenüberstellen zu können.
Die Bildqualität liegt überwiegend auf hohem Niveau. Von den beiden Schwarz-Weiß-Filmen liegt Rio Grande mit einem gestochen scharfen und überaus sauber durchzeichneten, insgesamt fast makellosen Bild an der Spitze. Die beiden Versionen von Fort Apache folgen knapp dahinter. Beim Technicolor-Film Der Teufelshauptmann handelt es sich offenbar um die bereits vor einigen Jahren in den USA restaurierte Fassung. Gegenüber der zwar immer noch passablen Fernsehversion des Streifens erstrahlen die satten Gemäldefarben des legendären Farbverfahrens hier in uneingeschränktem Glanz; Schärfe und Kontrast sind ebenso hervorragend: ein visueller Hochgenuss!
The Quiet Man kann hier leider nicht ganz mithalten. Zwar zeigt die verwendete Archivkopie erfreulicherweise weitgehend solide und typisch-satte Technicolor-Farben, in Teilen hapert es allerdings an der Bildschärfe und ebenso an Detailfreudigkeit. Insgesamt schwankt besonders der Schärfeeindruck deutlich und so manche Bilddetails verschwinden schlichtweg im Schwarz. Das hohe Niveau von She Wore a Yellow Ribbon wird auch in den besten Teilen nicht erreicht. Hier bleibt zu hoffen, dass mittelfristig auch The Quiet Man eingehend restauriert wird. Bis dahin kann man allerdings mit der jetzt vorliegenden Fassung durchaus leben.
Fazit: Die vier John-Ford-Filme – in weitgehend gelungenen DVD-Präsentationen – dürften manchen Liebhaber finden. Bleibt zu hoffen, dass auch viele der heutzutage eher auf die modernen Action-Blockbuster abbonierten jüngeren Filmfreunde die Gelegenheit nutzen und die Schönheit und Poesie dieser Streifen entdecken. Auch wenn man das Unrealistische dieser Western-Märchen heute als patiniert ansehen und auch darüber hinaus einige Mängel feststellen kann, die Filme zeichnen sich durch eine liebevolle Ausstattung und überhaupt eine wuchtig-brillante Bildsprache aus, die Maßstäbe gesetzt und Filmgeschichte geschrieben hat!
Letztlich ist es beim Betrachten von Filmen doch auch das (gekonnt) Unrealistische und Märchenhafte, das damals wie heute, einen guten Teil des Zaubers von Kino ausmacht. Das zeitweilige Entfliehen aus alltäglichem Einerlei in die oftmals farbenprächtigen Film-Traumwelten führte schon seinerzeit zu dem berühmten Kino-Slogan: „Mach Dir ein paar schöne Stunden, geh in’s Kino“ – grundsätzlich hat sich daran bis heute nichts geändert.
Mehrteilige Rezension:
Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu: