Neeme Järvi auf Chandos: „Julius Fučík“ & „Jaques Offenbach“
Der Name des böhmischen Kapellmeisters Julius Ernst Wilhelm Fučík (1872 – 1916), der immerhin Kompositionsunterricht bei Antonín Dvořák erhielt, ist immer noch in allererster Linie mit dem als Zirkusmarsch geläufigen „Einzug der Gladiatoren“ aus dem Jahr 1899 verknüpft. Im Bekanntheitsgrad folgt ein Stück dahinter noch der „Florentiner Marsch“. Abseits davon ist jedoch das über 400 Kompositionen zählende Œuvre des Tschechen, dessen Polkas, Walzer und Märsche ins musikalische Umfeld der Strauß-Familie gehören, bislang wenig erschlossen. Neeme Järvi hat nun zusammen mit dem Royal Scottish National Orchestra für das Chandos-Label einen so bemerkens- wie hörenswerten Anlauf unternommen, Fučík mehr ins Bewusstsein der Musikliebhaber zu bringen, und einen in jeder Beziehung prachtvollen Sampler vorgelegt. Järvi und die schottischen Musiker befanden sich bei den Aufnahmesitzungen hörbar in Topform. So ungemein spritzig, spielfreudig und zugleich mit unüberhörbarer Präzision und Eleganz wird hier aufgespielt.
Neeme Järvi betont selbst in den präsentierten Märschen stärker das Sinfonische als das Tschingderassabum und nimmt somit die schnell etwas aufdringlich wirkende militärische Komponente angenehm zurück. Er macht daraus so eine reiz- und effektvolle, in leuchtkräftigen Orchesterfarben schillernde klingende Begegnung, der man sich kaum zu entziehen vermag. Ob nun marschiert wird oder nicht, ist egal. Von der Polka mit den Fagottsoli „Der alte Brummbär“ bis zur mehrsätzigen Walzerfolge „Ballettratten“, erweist sich das Gebotene durchgehend als unmittelbar gut ins Ohr gehend. Dabei zeigt sich rasch, dass bei Fučík die wienerische Walzerseligkeit gar nicht weit entfernt liegt, denn selbst die Märsche haben beträchtliches tänzerisches Potential, wenn sie so leichtfüßig federnd gespielt werden wie hier. Und so manche eingängige Melodie, verschiedentlich ohrwurmverdächtig, ist ebenfalls darunter.
Was unterm Strich bleibt ist ein mit seinen knapp 80 Minuten schmissig dargebotenes CD-Album, das auch dank der vorzüglichen Aufnahmetechnik einen wahrhaft festlichen akustischen Blick in die böhmische K-u.-K.-Tradition gestattet. Ruhig noch mehr davon!
In eine vergleichbar feine Kategorie gehört auch Neeme Järvis Ausflug in die melodisch so üppigen wie süffigen Klangwelten Jaques Offenbachs in Form der Opern-Ouvertüren und -Balletmusikeinlagen. Auch wenn das Programm nicht mit Ersteinspielungen aufwartet, sich vielmehr durchweg in sehr vertrauten Gefilden bewegt, so stimmt auch hier nicht nur die wiederum üppige Spieldauer. Das mit Verve und Präzision aufspielende, von Ernest Ansermet 1918 gegründete Orchestre de la Suisse Romande und die edle Akustik der Genfer Victoria Hall tun ein Übriges, den Hörer vorbehaltlos für sich einzunehmen.
Die hier vorgestellten Järvi-Alben sind übrigens dank des hochauflösenden SACD-Formats auch für Klang- und Technikfreaks von Interesse.
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