Als Franz Waxman Anfang 1944 damit begann, die Musik für den Warner-Film Mr. Skeffington zu komponieren, war er in Hollywood schon längst kein unbeschriebenes Blatt mehr, sondern hatte bereits 1935 mit seiner Musik zu Frankensteins Braut Hollywood-Filmmusikgeschichte geschrieben. Franz Waxman, 1906 in Oberschlesien geboren, hieß eigentlich Wachsmann und sollte ursprünglich von einer Musikerlaufbahn abgehalten werden, doch dagegen rebellierte der Junge und schrieb sich als Musikstudent in Dresden ein. 1923 wechselte er an das Konservatorium nach Berlin und wurde von der vielfältigen Musikszene dieser glitzernden Metropole geprägt. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Waxman in einer Musikkapelle und danach als Pianist bei den „Weintraub Syncopaters“, einer der populärsten Jazzgruppen der Zeit. Waxman strebte allerdings eine ernsthafte Komponisten- und Dirigententätigkeit an. Ein guter Bekannter aus jenen Tagen, der Komponist Friedrich Holländer (welcher sich später in Hollywood Frederick Hollander nennen sollte), förderte ihn nachhaltig und vermittelte ihn an den später berühmten Dirigenten Bruno Walter.
Holländer führte Waxman auch bei der Ufa ein, und Waxman arbeitete so mit an Marlene Dietrichs berühmten Song aus dem Blauen Engel. Nachdem er mehrere Jahre Erfahrung als Arrangeur und Dirigent gesammelt hatte, komponierte Waxman seine erste eigene Filmmusik für Fritz Langs Film Liliom. Diese überaus moderne, mit Geräuschen und elektronischen Effekten durchsetzte Komposition hätte der Startpunkt einer großen deutschen Karriere werden können, doch meinte das Schicksal es anders: Waxman sollte zu einem von Hitlers Geschenken an Hollywood werden.
Von den deutschen Künstlern, die vor dem Naziterror nach Amerika flohen, war er derjenige, der sich (ausgenommen die österreichischen Kollegen) für die Filmmusik Hollywoods am nachhaltigsten eingesetzt hat. Daneben war Waxman ein ausgezeichneter Dirigent, der 1947 das Los-Angeles-Musik-Festival gründete, welches er mit viel Engagement bis zu seinem Tod 1967 geleitet hat. Er, der ja in seiner Berliner Zeit auch einen Sinn für das gekonnt Leichte bewiesen hatte, verstand sich immer als Sachwalter für Qualität.
So schrecklich Naziherrschaft und Krieg sich besonders für Europa auswirkten, für Hollywood waren Sie ein enormer künstlerischer Gewinn. Große Namen wie z. B. Igor Strawinsky, Arnold Schönberg und Paul Dessau, die künstlerische Elite Europas und nicht zuletzt die Deutschlands war in Kalifornien auf dem engsten Raum vertreten. Als Waxman 1943 zu Warner Brothers ging, entstand unter der kundigen Leitung von Leo Forbstein, was allgemein als die Elite der Hollywood-Filmmusik bezeichnet wird: das Triumvirat Steiner, Korngold, Waxman. Waxman konnte sich bei Warner frei entfalten und zum ersten Mal ausschließlich mit dramatischen Filmkompositionen beschäftigen. Die Musik zu Mr. Skeffington belegt sein großes Können. Der Film, ein Bette-Davis-Melodram um die Vergänglichkeit äußerlicher Schönheit, ist in Deutschland bislang nicht gezeigt worden. Die Musik zeigt den großen Einfluss, den Richard Strauss auf Waxman ausgeübt hat. So stand die Ironie in „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ Pate für viele Momente in der Partitur. Die Steigerung im Finale ist ein herrliches Echo der Oper „Der Rosenkavalier“.
Daneben ist aber auch Waxmans Verehrung für seinen älteren Kollegen Max Steiner unüberhörbar. So beginnt der Main Title mit einer Fanfare, die Steiners Warner-Fanfare von 1937 Referenz erweist. Die teilweise hervortretende Walzerseligkeit und die Art, wie die Celesta z. B. in „Skeffington Arrives“ eingesetzt wird sowie die „Baby-Montage“, sind geprägt durch Steinersches Flair. Vielleicht auch deswegen, weil das Komponieren von Musik für Melodramen eine der bevorzugten Arbeiten war, die Max Steiner ausführte. Für Bette Davis war Steiner „ihr Komponist“. Überhaupt ist die Musik äußerst delikat instrumentiert. Celesta, Glockenspiel, Xylophon und Harfe haben viel zu tun. Es ist faszinierend, wie die Musik den wechselnden Stimmungen der Handlung folgt. Diese reicht von der Ironie der Verehrer-Szene „Main Title – Suitors“ (übrigens ein charmanter, exzellent gearbeiteter, kleiner Variationszyklus), über Innigkeit und Wärme in „Trippy“ und „A Happy Event“, bis zur tiefen Tragik in „Forsaken“. Dies zeigt, wie wandlungsfähig und einfühlsam Waxman komponieren konnte. Das Groteske in „Trippy Drunk“ verweist auch auf einen berühmten Zeitgenossen, den russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch. Die in „Fanny Alone“ kurz hervorbrechende Tanzmusik mit Saxophonen ist vielleicht auch eine kleine Erinnerung an seine frühen Berliner Jahre und beweist, wie elegant Waxman verschiedenste Stile in sein sinfonisches Konzept zu integrieren vermochte. Dass Franz Waxman aber auch Komponist des unruhigen zwanzigsten Jahrhunderts war, zeigen die dissonanten Variationen des Deutschlandliedes in „War Declared“ und die grellen Harmonien in „Raid“.
Die vorliegende, rund 63-minütige CD beweist, wieviel Wertvolles beim Einspielen nur kurzer Suiten aus großen Filmscores häufig verloren geht. Dies ist die aktuellste Veröffentlichung der Marco-Polo-Filmmusikspezialisten John Morgan und William Stromberg. Die Moskauer Sinfoniker spielen in (fast schon gewohnter) Hollywood-Qualität und das 35 seitige Booklet ist eine sehr informative, respekt- und liebevolle Hommage an Franz Waxman und das Hollywood der 40er.