Goyana

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
30. September 1999
Abgelegt unter:
Klassik

Dass Franz Waxman nicht nur für Hollywood komponiert hat, dürfte den meisten Filmmusikfreunden nur anhand spärlicher Hinweise aus der Fachliteratur und vielleicht durch die bereits früher auf LP und später auch auf CD veröffentlichte „Sinfonietta for Strings and Timpani“ bekannt sein. Jetzt kann man hier erstmals eingehendere Hörerfahrungen sammeln. Auf der überaus willkommenen Neuveröffentlichung von Koch International leitet Lawrence Foster das tadellos spielende Orquestra Sinfonica de Barcelona i National de Catalunya. Die ambitionierten Darbietungen verschiedener Instrumentalsolisten runden den Eindruck angenehm ab. Außer der ebenfalls eingespielten Sinfonietta dürfte es sich hier ausnahmslos um Erstveröffentlichungen handeln.

Ein Hauch von Hollywood findet sich in der „Roumanian Rhapsody“, welche in dieser Form ein Arrangement des Originals von George Enescu für den Film Humoresque ist. Die „Carmen Fantasie“ ist wohl Waxmans bekanntestes Orchesterstück. Allerdings gilt dies primär für die USA, in Europa ist die gleichnamige von Sarasate zweifellos erheblich populärer. Ursprünglich dem Geiger Jascha Heifetz gewidmet, wird diese hier erstmals in der Fassung mit obligater Trompete präsentiert. Ein sehr dynamisches und durch die bekannten „Carmen“-Melodien auch unmittelbar eingängiges Stück. Ebenfalls für den befreundeten Jascha Heifetz komponierte Waxman als Zugabestück die sehr intime Version (Violine und Klavier) der „Love Music“, basierend auf dem Liebesduett aus dem 3. Akt von Wagners „Tristan und Isolde“. Die „Sinfonietta for Strings and Timpani“ ist besonders durch die ungewöhnliche Verwendung der Pauken geprägt. „Introduction & Scherzo for Cello and Orchestra“ sollte der Ausgangspunkt für ein Cellokonzert werden, das der Komponist leider nicht mehr vollenden konnte. Das rhythmisch akzentuierte, interessante Bruchstück lässt erahnen, was daraus hätte werden können.

Die Herzstücke der CD sind die „Goyana“, „The Charm Bracelet“ und die „Auld Lang Syne Variations“. Alle drei Stücke zeigen besonders eindrucksvoll, welch gewandter und äußerst farbiger Komponist Franz Waxman war. „Goyana“ ist eine Kollektion von vier Skizzen über Bilder Francisco Goyas. Waxman beschwört hier dezent exotisch spanisches Kolorit (Kastagnetten in „Bal Champetre“) und erzeugt eine Reihe bemerkenswerter Klangeffekte. Ein sakral exotisches Flair bewirken in „The Miracle of St. Anthony“ Mischklänge von Klavierakkorden mit Stabglocken und in „The Witches Sabbath“ setzt er ein Xylophon in hoher Lage ein. „The Charm Bracelet“ war ursprünglich ein Zyklus von fünf kleinen Klavierstücken für Kinder, die Waxman, da spieltechnisch doch zu anspruchsvoll, so für kleines Orchester bearbeitete, dass die Komposition auch von jungen Spielern aufgeführt werden kann. Arnold Freed vollendete diese Bearbeitung. Untertitel wie „Two Little Shoes“, „The Little Soldier“ und „The Golden Heart“ beschwören die Welt der Kinder und der Märchen in diesem überaus charmanten, kleinen Werk.

Der Höhepunkt der CD sind für mich die „Auld Lang Syne Variations“ für Streicher, Violine und Klavier. Das bekannte, angelsächsische Neujahrslied präsentiert Waxman à la Mozart, Beethoven, Bach, Schostakowitsch und Prokofieff. Das Lied erklingt im Stile des jeweiligen Komponisten und wird zum Teil durch Einsprengsel aus Originalkompositionen ergänzt. „Moonlight Concerto“ beginnt, wie der Name schon sagt, mit Beethovens Mondscheinsonate im Klavier und verwendet im weiteren Verlauf auch ein Zitat aus dem bekannten Violinkonzert. „Chaconne à Son Gout“ zitiert aus Bachs Partita Nr. 2 und das „Hommage to Shostakofiev“ (eine Stilsynthese aus Schostakowitsch und Prokofieff) zitiert aus der ersten Sinfonie von Schostakowitsch. Waxman hat hier ein faszinierendes, musikalisches Chamäleon geschaffen, ein kleines Meisterwerk.

Franz Waxman begründete und leitete das Los Angeles Musikfestival in den Jahren von 1947-1966 und in den Konzerten wurden eine Vielzahl von Kompositionen des 20. Jahrhunderts erstaufgeführt. Auf Reisen dirigierte er neben anderen U.S.- Orchestern auch in Europa und Israel. Sein früher Tod – Waxman starb 1967, im Alter von nur 60 Jahren an Krebs – verhinderte unglücklicherweise ein verstärktes Engagement für Konzertsaal und Oper. Nur zwei größere Werke, ein Oratorium und der Liederzyklus „The Song of Terezin“ wurden fertig gestellt. Die oben veröffentlichten Werke sind halt „nur“ Miniaturen und dürften aus diesem Grund im Konzertbetrieb zum überwiegenden Teil kaum überlebensfähig sein. Dies macht die vorliegende CD um so wertvoller und zur echten Repertoirebereicherung.

Komponist:
Waxman, Franz

Erschienen:
1998
Gesamtspielzeit:
71:32 Minuten
Sampler:
Koch International
Kennung:
3-7444-2

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