Plymouth Adventure

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
18. Oktober 1999
Abgelegt unter:
CD

Plymouth Adventure/Lust for Life/The King’s Thief/Valley of the Kings/Tip on a Dead Jockey

Fünfmal klassischer MGM-Rózsa der Fünfziger auf einen Streich? Nicht ganz, liebe Leser: Valley of The Kings erschien als erste CD im späten Frühjahr, The King’s Thief, Lust for Life und Tip on a Dead Jockey folgten dann in recht kurzer Folge. Ironischerweise konnte die gute alte Mayflower des Quäker-Epos Plymouth Adventure erst kürzlich soweit hergerichtet werden, dass sie in den Archiven der Sammler vor Anker gehen kann. Für eine Fregatte aus dem siebzehnten Jahrhundert ist das aber auch nicht verwunderlich, oder?

Gleich vorneweg: das tickertape-Label hat hier eine erstklassige Kollektion hochwertiger Rózsa-Scores vorgelegt. Bei allen handelt es sich um die vollständigen Originaleinspielungen, die von Miklós Rózsa mit dem MGM-Orchester für den jeweiligen Film aufgenommen worden sind. Darüber hinaus gibt es noch vorhandene Outtakes und Alternativ-Tracks in bestmöglicher Tonqualität zu hören. Die leicht variierende Qualität der Master spiegelt auch die voranschreitende Entwicklung in Sachen Sound dieser Ära wieder. Dazu kommt noch der generelle Alterungsprozess, der nicht unbedingt gleichmäßig verläuft, so dass hier und da innerhalb der gleichen Aufnahme, von Track zu Track, leichte Qualitätsschwankungen hörbar sind.

Plymouth Adventure wurde entweder noch auf Lichtton eingespielt oder die einmal vorhandenen, frühen Stereo-Magnetton-Master existieren nicht mehr. Letzteres gilt wohl auch für die Musik zu Tip on a Dead Jockey, die zweite monaurale CD. Die anderen drei Musiken dagegen liegen, für im Breitwandformat CinemaScope gedrehte Filme dieser Zeit typisch, in frühen Stereoaufnahmen vor. Deren Qualität ist schon sehr beachtlich, und die gute räumliche Auflösung ist auch für HiFi-verwöhnte Ohren sehr angenehm. Tip on a Dead Jockey liegt klanglich ein wenig dahinter, da die Rauminformation infolge Mono begrenzter ist. Die Akustik der Plymouth Adventure-Einspielung ist rauer und insgesamt etwas uneinheitlich. Überwiegend ist das Klangbild aber präsent und klar, obwohl der Zahn der Zeit hier einige, trotz moderner Computer-Restaurationstechniken nicht vollständig entfernbare Spuren hinterlassen hat.

1949 unterschrieb Miklós Rózsa einen langjährigen Vertrag mit MGM, dem größten und opulentesten der Hollywood-Studios. Hier wurden die meisten Ausstattungsfilme und aufwändigsten Musicals produziert: „More Stars than in the Heavens“ war MGMs Superlativ für lange Zeit. Mit Rózsa erwarb man sich einen Spitzenkomponisten, für den das Komponieren für historische Ausstattungs- und Kostümfilme schnell zur Spezialität und zum Markenzeichen wurde. Für Miklós Rózsa selbst war es die Glanzzeit seiner Hollywoodkarriere.

Speziell Plymouth Adventure • Schiff ohne Heimat (1952), aber auch die Künstlerbiografie über den Maler Van Gogh, Lust for Life (1956), gehören, sowohl filmisch wie musikalisch, in die A-Kategorie. Beide Musiken zählen zum Wertvollsten, was Rózsa für das Kino komponiert hat und gehören in jede ernsthafte Sammlung sinfonischer Filmmusik. Für die auf das Jahr 1620 datierte Fahrt der Mayflower von Plymouth in die Neue Welt lieferte Miklós Rózsa eines seiner überaus gelungenen Beispiele in Sachen Musikarchäologie für die Komposition eines Kostümfilmes. Als Thema für das Schiff Mayflower verwendete er ein Originallied der Quäker, den „136. Psalm“: Wie man hören kann, hat der Komponist eine sehr gute Wahl getroffen. Das von starkem religiösen Ausdruck und einer kraftvollen, kämpferischen Grundstimmung geprägte Lied entfaltet in geschickten Arrangements und Variationen, rein orchestral und auch für Chor und Orchester gesetzt, eine mitreißende Wirkung. Einen Höhepunkt erreicht der Psalm in der tonmalerisch reich gestalteten Ausfahrt der Mayflower aus Plymouth, die auch das musikalische Vorbild für die Ausfahrt der Bounty im 1962er Mutiny on the Bounty • Meuterei auf der Bounty (Komponist hier: Bronislau Kaper) bildete. Die Themen für die Personen entwarf Rózsa im Stile der Lautenmusik des siebzehnten Jahrhunderts, ohne hier allerdings direkt auf Originalthemen zurückzugreifen. Es gelang ihm so auf faszinierende Weise, den subjektiven Eindruck von musikalisch-historischer Authentizität weiter zu vertiefen.

Originaltitel:
Schiff ohne Heimat

Komponist:
Rózsa, Miklós

Erschienen:
1999
Gesamtspielzeit:
73:25 Minuten
Sampler:
tickertape
Kennung:
tt 3014

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