The Egyptian
Good News aus Moskau: die lange angekündigte Neueinspielung von The Egyptian • Sinuhe der Ägypter liegt nun endlich für den interessierten Sammler bereit. Im Frühjahr 1954 sah sich Darryl Zanuck, Boss der 20th Century Fox, in der Zwickmühle: Als Komponisten der Musik für den neuen CinemaScope-Film The Egyptian hätte er gerne das beste Pferd im Stall, Alfred Newman, verpflichtet; doch dieser war gerade mit den Arrangements für das Musical There’s No Business Like Show Business (neben kleineren Arbeiten) mehr als ausgelastet. Newman war sich der Bedeutung des ersten Fox-Musicals im CinemaScope-Format und 4-Kanal-Magnetton bewusst und wollte die Arbeit nicht aus der Hand geben. Aus Loyalität zu Zanuck zog er seinen Bruder Lionel hinzu, der die Chorarrangements der Musicalbearbeitung für ihn übernahm. Dies reichte jedoch noch nicht aus, um genügend Zeit zu gewinnen: Ein Co-Komponist musste gefunden werden. Hier waren von Anfang an Franz Waxman und Bernard Herrmann im Gespräch. Herrmann hatte bis Anfang der fünfziger Jahre einer Konzertkarriere in New York den Vorzug gegeben. Nach der Auflösung des CBS-Symphonieorchesters, dessen Leiter er lange Jahre war, übersiedelte er ganz nach Los Angeles und war bis Ende 1954 sogar ausschließlich für die Fox tätig. Zanuck favorisierte zwar Waxman; da dieser aber aus Termingründen nicht rechtzeitig verfügbar war, wurde Bernard Herrmann für das Projekt gewonnen. Zuerst sollte dieser, basierend auf einigen von Newman entworfenen Basisthemen, die übrige Arbeit allein machen; doch eine erneute Verschiebung des Premierendatums für The Egyptian – die Arbeiten an There’s No Business Like Show Business waren zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen – führte schließlich zur legendären Zusammenarbeit Herrmann-Newman bei dieser Filmmusik. Dank dem exzellenten Niveau beider Komponisten entstand eine hochinteressante Partitur – rund 100 Minuten epische Filmmusik vom Feinsten: gesetzt für großes, mit exotischen Instrumenten angereichertes Orchester inklusive Chor. Obwohl die charakteristische Handschrift beider Komponisten partiell durchaus heraushörbar ist, gibt es weder störende Übergänge noch stilistische Brüche. Dies ist um so überraschender, wenn man bedenkt, dass Alfred Newman seine Teile der Partitur von Edward B. Powell orchestrieren ließ, wobei Herrmann dies wie immer ausschließlich selbst erledigte.
Das erfolgreiche Bemühen um ein musikalisch-historisches Flair, das für den Hörer überzeugend ist, gipfelt im „Sonnenhymnus“ für den Gott Aton, den Newman auf einen antiken Text komponierte. Für Bernard Herrmann ist der Einsatz von Chören im Bereich Filmmusik eine Ausnahme geblieben: Außer im Egyptian verwendete er Chöre nur noch in seiner Musik zu Obsession (Veröffentlichungsjahr des Films: 1975). Erfreulicherweise ist bei den hier eingespielten Tracks die jeweilige Autorenschaft vermerkt. Was die aufgenommenen Teile der Musik angeht, ergibt das Addieren der Tracklaufzeiten einen ausgewogenen Anteil von etwa 50 Prozent pro Komponist; ob dies auch für die nicht eingespielten rund 30 Minuten gilt, ist im ansonsten sehr detaillierten Booklet leider nicht vermerkt.
Der Film ist heutzutage vor allem wegen seiner luxuriösen Ausstattung, der guten Farbfotografie und natürlich seiner Musik sehens- und hörenswert. Er schildert sehr frei das Leben des ägyptischen Arztes Sinuhe – einer literarischen Figur des 20. Jahrhunderts vor Christus, mit der der Film allerdings nicht viel zu tun hat – zur Zeit des Pharaos Echnaton (600 Jahre nach dem „echten“ Sinuhe!). Echnaton versuchte, in Ägypten eine monotheistische Religion einzuführen, in der ausschließlich die Sonne als Gottheit (Aton) verehrt wurde und die königliche Familie als einzige Vermittler zu diesem Gott auftrat. Dass dies als Quasi-Vorankündigung des Christentums gedeutet wird, ist unglaubwürdig. Sinuhes Suche nach dem Sinn des Lebens gleitet denn auch durch die permanent unterschwellig vorhandene christliche Erlösungs- und Vergebungsbotschaft völlig ins Naive. Mit dem Hinweis auf die spätere Geburt Christi, der vor dem Abspann eingeblendet wird, ist dann der Prä-Bibelkitsch perfekt. Vermutlich konnte dies die Kinobesucher schon damals wenig überzeugen, denn die Einspielergebnisse blieben weit hinter den Erwartungen zurück.
John W. Morgan und William T. Stromberg sowie das Moskauer Sinfonieorchester (inklusive Chor) haben hervorragende Arbeit geleistet. William T. Stromberg ist es gelungen, der Originaleinspielung überzeugend nahe zu kommen: Es klingt, als wäre diese Art von Musik den überaus geschmeidig spielenden Moskauer Sinfonikern geradezu auf den Leib geschrieben. Das Resultat ist ein würdiger Ersatz für das immer wieder aufgelegte rund 50-minütige Film-Plattenalbum, das zum Einen nur in Mono und dazu überwiegend selbst eine Nachspielung war. Fazit: eine sehr gelungene Produktion und jedem Freund der Musik des Golden Age wärmstens zu empfehlen.