Snow Falling on Cedars

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
10. Mai 2000
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

Der neue Film des australischen Regisseurs Scott Hicks, Snow Falling on Cedars • Schnee, der auf Zedern fällt, startete in den deutschen Kinos bereits am 23.3.2000. Hicks, der als Dokumentarfilmer einen guten Namen hat, erhielt für sein Spielfilmdebüt Shine, die Geschichte des Pianisten David Helfgott, 1996 sieben Oscar-Nominierungen. Bereits im September 1995 machte ihn ein Mitarbeiter auf David Gutersons damals neu erschienenen Roman „Schnee, der auf Zedern fällt“ aufmerksam. Gutersons Buch, an dem der Autor 10 Jahre gearbeitet hatte, wurde inzwischen zu einem Welterfolg und in mehr als 30 Sprachen übersetzt; auch in Deutschland stand das Buch monatelang auf den Bestseller-Listen. Thematisiert wird das schwierige Verhältnis zwischen japanischen Einwanderern und der amerikanischen Bevölkerung nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor. Die politischen Verhältnisse heizten die Stimmung auf und brachten Rassenvorurteile zum Ausbruch, besonders als die japanisch-stämmigen Amerikaner in Lagern interniert wurden. Obwohl ihre Söhne in Europa gegen Nazi-Deutschland kämpften, wurde hier einer Volksgruppe bitteres Unrecht zugefügt. Nicht nur alte Freundschaften und Beziehungen zerbrachen, auch wurden durch Neid und Habgier angetrieben manche der amerikanischen Nachbarn zu Verbrechern.

Auch Jahre nach Kriegsende sind die alten Wunden noch nicht vernarbt. Als der Fischer Carl Heine tot aufgefunden wird, deuten mehrere Indizien auf einen Mord hin. Als Täter kommt der Japaner Miyamoto (Rick Yune) in Frage, ein Kollege japanischer Abstammung. Das nahe liegende Motiv: Rachsucht, da seine Familie während des Krieges von der Sippe des Toten um ihren Besitz betrogen worden war. Der junge Reporter Ishmael Chambers (Ethan Hawke) versucht, den Fall aufzuklären und wird dabei mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert: Seine große Jugendliebe Hatsue (Youki Kudoh) ist inzwischen die Frau des Angeklagten. Die beiden Teenager mussten damals wie Romeo und Julia ihre Zuneigung geheim halten und konnten sich nur in einer Wurzelhöhle unter einer gigantischen Zeder ungestört treffen …

Hicks’ Film erzählt diese Geschichte in vielen kunstvoll ineinander greifenden Rückblenden vor dem Hintergrund der Gerichtsverhandlung. Durch eine komplexe, geschickt gestaltete Erzählstruktur, welche die Ereignisse aus der Perspektive mehrerer Personen schildert, entsteht ein geschmeidig inszenierter Handlungsbogen von etwa 20 Jahren. Der Kameramann Robert Richardson erhielt für seine Arbeit an Oliver Stones Film Geboren am vierten Juli bereits eine Oscar-Nominierung. Auch hier überzeugt er durch brillante und virtuose Bildregie. Einstellungen, Rhythmus des Films, Licht und Farbgebung sind perfekt aufeinander abgestimmt und tragen damit ihren Teil zur langsamen Enthüllung der komplizierten Wahrheit bei.

Schnee, der auf Zedern fällt ist auch ein bemerkenswerter Anstoß, ein dunkles Kapitel der jüngeren amerikanischen Geschichte aufzuarbeiten. Ansatzweise, allerdings primär auf gutem, spannenden Thriller-Niveau angesiedelt, griff schon 1955 der Film Bad Day at Black Rock • Stadt in Angst dieses Thema auf. Hier macht sich ein einarmiger Fremder — brillant gespielt von Spencer Tracy — in einem Wüstenstädchen militante Bürger zu Feinden, die einen nach dem Überfall auf Pearl Harbor an einem japanischen Mitbürger begangenen Mord vertuschen wollen.

Für den Film Schnee, der auf Zedern fällt hat der Komponist James Newton Howard wohl eine seiner bislang besten Arbeiten geliefert. Ein raffinierter Klang-Mix aus orchestralen, vokalen und mit ethnischen Instrumenten erzeugten Klängen inklusive behutsam eingesetzter synthetischer Klang-Effekte bildet den insgesamt eher leisen, doch damit nicht weniger dramatischen musikalischen Stimmungshintergrund für die Filmhandlung. Eingesetzt sind vielfältige exotische Klänge aus Flöten, Gong, Glocken, Windspielen und auch der von James Horner vielfach verwendete Shakuhachi-Flöte. Die Vokalsoli und Choreinsätze sind hier noch deutlich ausgefeilter und geschickter gestaltet als in der zweifellos guten Tonschöpfung zu The Sixth Sense; die romantisch-warmen Cello- und Violin-Soli wirken zudem tief anrührend. In den Internierungsszenen erlebt die Musik einen Ihrer wenigen Klangausbrüche, besonders in Track 20 („Tarawa“), einer Musikpassage, die auch ohne Bild als eindrucksvoll erschütterndes Requiem in Erinnerung bleibt.

Grundsätzlich stehe ich dem Einsatz elektronischer Klänge eher skeptisch gegenüber. Hier allerdings hat mich James Newton Howard durchaus überzeugt, mit seinem überaus sensibel und behutsam erstellten, stark auf Stimmung und Atmosphäre zielenden „Klangdesign“. Der Komponist hat hier seine Erfahrungen als Musikproduzent im Pop-Bereich gekonnt für eine primär auf Atmosphäre konzipierte Filmmusik genutzt. Offenbar weiß er sehr genau, was man mit Elektronik machen kann und was man besser nicht tut. Die Filmmusik zu Schnee, der auf Zedern fällt ist zwar sinfonisch gearbeitet, aber trotzdem keine Kinosinfonik im üblichen Sinne. Ein wenig erinnert das Werk an John Williams’ hervorragende Arbeit zu Sieben Jahre in Tibet, zu der es besonders im exotischen Flair der ebenfalls stark atmosphärisch gestalteten Partien Berührungspunkte gibt, aber auch in Teilen der Cello-Soli. Williams’ Musik setzt gegenüber Howards Komposition allerdings verstärkt traditionell-sinfonische und romantisch-konzertante Elemente ein.

Insgesamt ist die Musik zum Film Schnee, der auf Zedern fällt eine höchst erfreuliche und sehr empfehlenswerte CD für den Liebhaber dramatischer Filmmusik, aber wohl kaum ein „Mainstream-Album“. Mit rund 68 Minuten Spieldauer — in denen keine Langeweile aufkommt — ist der Titel dazu auch noch sehr gut bestückt.

Fazit: Scott Hicks’ Film Schnee, der auf Zedern fällt ist nicht allein filmisch interessant, sondern gibt auch Einblicke in ein weniger bekanntes dunkles Kapitel amerikanischer Zeitgeschichte aus dem Zweiten Weltkrieg. James Newton Howards Musik, durchweg sehr ruhig und leise angelegt, ist dennoch eine ausdrucksstarke, dramatische und dabei primär auf Atmosphäre angelegte Komposition. Das raffiniert ausgeführte „klangliche Design“ dieser nicht im klassischen Sinne sinfonischen Filmmusik überzeugt nachhaltig und macht die CD zum Geheimtipp für den Sammler dramatischer Filmmusik. Jene, die eher laute Action-Scores bevorzugen, seien hingegen gewarnt.

Erschienen:
2000
Gesamtspielzeit:
67:30 Minuten
Sampler:
Decca
Kennung:
466 818-2

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