Monstrous Movie Music

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
24. Oktober 2000
Abgelegt unter:
Sampler

Score

(5/6)

Aufschlussreiche Einblicke in das Tagesgeschäft der Musik-Departments bei der Vertonung von Billig-Filmen geben die drei Monstrous-Movie-Music-Alben. Die ersten beiden der Reihe erschienen bereits im Jahr 1996; Vol. 3 hingegen ist fast noch presswarm – weitere Veröffentlichungen sind in Vorbereitung. Die Titel dieser Reihe und die bereits vorgestellten Hans-Salter/Frank-Skinner-Alben, aber auch das Roy-Webb-Album The Cat People (alle von Marco Polo) ergänzen einander. Diese CD-Editionen beschäftigen sich mit der Musik für B- und C-Movies – speziell zu den Horror- und Monster-Filmen – der vierziger und fünfziger Jahre. Die Ausstattung der Booklets zu den drei Monstrous-Movie-Music-CDs ist sogar noch ein Stück liebevoller geraten, als das bereits vorzügliche der Roy-Webb-CD. Der Käufer bekommt nicht nur sehr umfangreiche und detaillierte Informationen zu den eingespielten Filmmusiken geboten, diese werden noch durch Fotos, Plakatmotive und Notenbeispiele hervorragend ergänzt, die häufig in Farbe reproduziert worden sind. Der Hauptteil der ausgewählten Filmmusiken stammt von Universal, aber auch größere Studios sind mit kleineren Produktionen vertreten, wie MGM mit seinen Tarzan-Filmen und Warner mit Them! * Formicula (1954).

1650Mit viel Liebe zum Detail bemüht sich diese Reihe um Film-Musiken und Komponisten der B- und C-Garde, die selbst Kennern des Golden Age kaum eingehender bekannt sein dürften. Neben dem unverwüstlichen Hans Salter begegnet man auch Komponisten wie William Axt, Heinz Roemheld, Herman Stein, Irving Gertz, Mischa Bakaleinikoff, David Buttolph, Daniele Amfitheathrof und Henry Mancini. Letzterer dürfte den meisten primär durch saccharin-kitschiges Song-Gesäusel á la „Moon River“ und überhaupt durch seine leichten Komödien-Musiken bekannt sein. Es ist schon ein reizvoller Kontrast hier einmal dem „anderen“, erheblich dissonanteren Mancini zu begegnen, der auf Tonträgern sonst kaum vertreten ist: z.B. für The Creature from the Black Lagoon * Der Schrecken vom Amazonas (1954), hat der Komponist einige äußerst stimmungsvolle Stücke beigesteuert. Die Musik zur ebenfalls sehr gelungen, teilweise lyrisch untermalten Szene, in der das Monster die Schöne beim Schwimmen beobachtet, stammt allerdings von seinem Kollegen Herman Stein. Ebenfalls Stein spendierte in It came from outer Space * Gefahr aus dem Weltall (1953) dem Wüstennest Sand Rock ein betont lyrisches Americana-Thema versehen mit Ohrwurmcharme, welches nochmals als Exit-Music über dem Abspann erklingend einen wohlig-optimistischen Ausklang bildet. Bronislau Kaper gehört dabei zu den Komponisten, die auch für Großproduktionen tätig gewesen sind. Manchem Leser dürfte er durch seine Musik zu Mutiny on The Bounty * Meuterei auf der Bounty (1962) bekannt sein (zu Kaper siehe auch Home from the Hill). Es ist ein besonderes Verdienst dieser CD-Kollektion, dass in den herausragenden Booklets für jeden Komponisten eine informative Kurzbiografie, in der Regel sogar mit Foto vorhanden ist – Informationen, die man anderweitig kaum beschaffen kann!

Kathleen Mayne hat die mühsame Arbeit auf sich genommen, die weitgehend verschollenen Originalpartituren zu rekonstruieren. Dirigent Masatoshi Mitsumoto und die Spieler des Radio Sinfonie Orchester Krakau sowie des slowakischen Radio Sinfonie Orchesters haben sehr gute Arbeit geleistet. Die Einspielungen erfolgten „on mike“, also unter Verwendung einer Vielzahl von speziell platzierten Mikrofonen, um den Klang einzelner Instrumente besonders hervorheben zu können. Hierbei geht allerdings ein Großteil der natürlichen Raumtiefe moderner Aufnahmen verloren: Die Musiken klingen so eher klassisch kino-typisch und weniger nach Konzertsaal als in vielen anderen Neueinspielungen. Was man bei Nachspielungen für richtig hält, um die Musik aufzunehmen, ist primär Geschmackssache. Ich bevorzuge beim Hören von Filmmusik – gelöst vom Film – eher einen möglichst natürlichen und räumlich tief gestaffelten Orchester-Klang, aber die vorliegenden Aufnahmen haben mich durchaus überzeugt – vermutlich klingen sie auf ihre Art sogar unverwechselbar charakteristisch.

Diese CD-Reihe verdeutlicht nachhaltig, was bereits die Marco-Polo-Titel mit den Salter-Skinner-Einspielungen aufzeigen: nämlich in welchem Umfang filmmusikalisches Material speziell bei Universal und auch RKO mehrfach verwendet worden ist, aber auch, wie viele Köche zumeist an nur einem Brei beteiligt gewesen sind. Trotzdem gibt es in den Resultaten erstaunlicherweise keine hörbaren Stil-Brüche, es klingt vielmehr wie aus einem Guss! Dies belegt einmal mehr das beachtliche handwerkliche Niveau, das einer Vielzahl kleinerer Film-Produktionen nicht nur bei der musikalischen Ausstattung zuteil wurde. Insofern muss man also sogar der berüchtigten „Fließband-Produktion“ von Filmmusik im Hollywood jener Jahre in Teilen durchaus Respekt zollen. Gerade diese standardisierte Art der Musikproduktion war etwas, das Bernard Herrmann immer heftig kritisierte und dem er sich konsequent verweigerte. Wobei hierzu aber angemerkt werden muss – um Legendenbildung vorzubeugen, dass Herrmann sich diese derart kompromisslose Haltung (und auch andere Extravaganzen) erlauben konnte, da er finanziell unabhängig war.

1651Besonders die Filme von Regisseur Jack Arnold wie It came from outer Space oder Creature from the Black Lagoon (s.o.) sind, trotz Minimal-Budget, überaus raffiniert und für ihre Zeit auch tricktechnisch fantasievoll realisiert worden. Man muss sich hierbei vor Augen halten, dass es spezielle Trickstudios noch nicht gab, und von Computer-Animation hätte damals noch niemand zu träumen gewagt. Die beiden letztgenannten Filme entstanden im seinerzeit aktuellen 3-D-Verfahren (eine Konkurrenz zu den aufkommenden Breitwand-Präsentationen wie Cinema-Scope). Sie sind auch heute immer noch sehr unterhaltsam und dazu filmgeschichtlich bedeutungsvoll in Sachen Science-Fiction, Fantasy und Horror. Eine gute Vorführung in 3-D ist hier ein besonderer Leckerbissen. Besonders in den dritten Fernseh-Programmen erleben diese und andere Filme dieser Gattung immer wieder Revivals. Von Regisseur Jack Arnold gibt es dazu originelle Interviews, in denen er sehr unterhaltsam und aufschlussreich von den häufig abenteuerlichen und geradezu primitiven Produktionsumständen berichtet, deren Ergebnisse in vielem beeindruckend gelungen sind…

Die musikalische Qualität auf den drei vorliegenden CDs ist unterschiedlich – bewerten müsste man hier von etwa 3 bis (vereinzelt) 4½ Sternen. Neben überzeugenden, pfiffigen Einfällen steht eben auch sehr Routiniertes, Flatterzungenhaftes auf dem Programm. Insgesamt belegen aber sämtliche Kompositionen das solide handwerkliche Können ihrer jeweiligen Schöpfer. Zu den herausragenden Tonschöpfungen zählt die Musik zu The Alligator People (1959), in der die selten verwendete „elektrische Violine“ eindrucksvoll erklingt. Sehr stimmungsvoll ist auch Kapers dunkle Klangschöpfung zu Them! * Formicula (1954) und überraschend romantisch gibt sich Angelo Francesco Lavagnino in Teilen der Musik zu Gorgo * Gorgo (1961). Und „My Tender One“ (in der Suite aus den MGM-Tarzan-Filmen) von William Axt ist eine kleine melodische Perle, die einem Max Steiner zur Ehre gereichen würde.

Der Hörer mit etwas klassischer Kinoerfahrung in Sachen B-Movies erkennt hier direkt die schwarz-weiße Welt der „billigen“ Leinwandmonster der fünfziger Jahre und schmunzelt dabei wahrscheinlich. Die spürbar liebevoll und engagiert gemachten und mit aufwändig gestalteten Booklets versehenen CDs verdienen einen Bonus in der Bewertung für die – nicht zu unterschätzenden Bemühungen – des Produzententeams, derartige filmmusikalische Nischenprodukte überhaupt zugänglich zu machen: dafür gibt’s (im Sinne einer Albumwertung) 5 Sterne.

Fazit: Die drei CDs der Reihe „Monstrous Movie Music“ sind besonders liebevoll und engagiert produziert und mit herausragend informativen Booklets versehen. Dem Interessierten liefern sie eingehende Einblicke in die „am Fließband“ erfolgte Filmvertonung von B- und C-Movies (speziell von Horror- und Science-Fiction-Stoffen) im Hollywood der vierziger und fünfziger Jahre. Trotz problematischer Entstehungsbedingungen, sind viele der Resultate erheblich besser als ihr Ruf. Wer (zumindest einige) der mitunter einfallsreich realisierten schwarz-weißen Horror-Billig-Schinken der fünfziger Jahre mag, der wird hier seine echte Freude haben. Wer eine breit gefächerte Film-Musik-Sammlung anstrebt, sollte den Titeln in jedem Fall ein Plätzchen reservieren.

Leute die schnuppern möchten können sich die originelle Homepage von Monstrous Movie Music ansehen unter: www.mmmrecordings.com


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Originaltitel:
Vol. 1

Komponist:
Diverse

Erschienen:
1996
Gesamtspielzeit:
68:38 Minuten
Sampler:
MMM
Kennung:
1950
Zusatzinformationen:
RSO Krakau, Ltg.: Masatoshi Mitsumoto

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