Als Jerry Goldsmith die Musik zu 100 Gewehre komponierte, war er bei Filmmusik-Sammlern noch wenig bekannt, seine Musik auf Tonträger, im Gegensatz zu heute, nur in Ausnahmefällen vertreten. Gerade in dieser Periode waren seine Kompositionen aber in besonderem Maße durch von der Avantgarde beeinflusste, experimentelle Klänge geprägt, ohne grundsätzlich auf die „schöne Melodie“ zu verzichten. Goldsmith kombiniert hier, wie in den meisten seiner Kompositionen dieser Ära, kraftvolle Melodik mit raffinierter Rhytmik, dazu gelegentlich kreischende Einwürfe des Blechs, bei überwiegend kammermusikalischem Einsatz des Orchesterapparates. Motorische Ostinati verweisen auf Einflüsse des Modern Jazz und auf Vorbilder wie Strawinsky und Bartók. Auffällig sind die ungewöhnliche Behandlung der Bläser sowie das raffiniert eingesetzte, teilweise exotische Schlagwerk. Es gelingt dem Komponisten, aus Melodie und Atonalität eine insgesamt geschlossene Komposition zu schaffen, die eben nicht, wie so oft gehört, stilistisch auseinander fällt. Die hier in Ansätzen spürbaren, Geräusch-ähnlichen Klangstrukturen, verweisen auf eines seiner frühen Meisterwerke, die völlig atonale Musik zu Planet der Affen. Zu welch exzellenten, dramatischen Steigerungen Goldsmith damals fähig war, belegt die Begleitmusik zu „The Hanging“. Die mit einem sehr informativen Booklet ausgestattete CD bietet die 100 Gewehre-Musik sowohl erstmalig als Stereo-Mix, als auch in der seinerzeit für den Film erstellten originalen Monoabmischung. Letztere bietet die vollständige Musik, von 3 Stücken existieren keine Mehrkanal-Master mehr, und unterscheidet sich klanglich in einigen Nuancen von der Stereofassung.
Seit Mitte der achtziger Jahre glaubt Goldsmith offenbar, auf den Einsatz elektroakustischer Technik in seinen Kompositionen grundsätzlich nicht mehr verzichten zu können. Obwohl der Synthesizer in der Mumien-Musik erfreulicherweise nur sparsam verwendet wird, empfinde ich ihn als ziemlich aufgesetzt und störend. Im übrigen zieht der Altmeister gekonnt alle Register der großen Orchesterorgel inklusive Männerchor und schwelgt nicht selten in üppigem, teilweise an John Barry erinnernden Wohlklang. Die melodische Inspiration hat noch nicht nachgelassen, doch ist besonders beim eingehenderem Hören ein etwas kapellmeisterlich routinierter Umgang mit dem Material unüberhörbar. Die vielen Actionmusiken erinnern stark an vergleichbare Passagen in King Solomon’s Mines. Ebenfalls vertreten sind Der Wind und der Löwe sowie Das Omen. Mit rund 57 Minuten Spieldauer hebt sich die CD erfreulich vom Durchschnitt der meisten Goldsmith-Veröffentlichungen der letzten Jahre, der bei nur ca. 30 Minuten Spieldauer liegt, ab.
Das Anhören beider CDs macht Spaß, sie einander gegenüber zu stellen kann, nicht nur für eingefleischte Goldsmith-Liebhaber, sehr interessant und spannend sein. Eine kraftvolle Goldsmithmusik mit Pfiff und echtem Biss gegen die zweifellos gekonnte Routine des Altmeisters. Jeder wähle oder nehme vielleicht doch lieber beides. Jerry Goldsmith feierte übrigens im Februar seinen siebzigsten Geburtstag.