The Adventures of Huckleberry Finn • Abenteuer am Mississippi (1960) gehört zu den letzten Arbeiten des berühmten ungarischen Regisseurs Michael Curtiz (1888-1962). Sein Name steht besonders für spektakuläre Filme der 30er und 40er Jahre wie The Charge of the Light Brigade (1936), The Adventures of Robin Hood (1938), Dodge City (1939), Elizabeth and Essex (1939), The Sea Hawk (1940), The Sea Wolf (1941) und auch den berühmten Emigranten-Streifen Casablanca (1943).
Anders als diese ist Abenteuer am Mississippi ein eher kleiner Film, in erster Linie eine Jugendunterhaltung nach dem berühmten Roman von Mark Twain. In der Darstellung der Charaktere ist der Streifen zwar nicht durchweg überzeugend geraten, aber immerhin wird eine passable Geschichte in farbenprächtigen und stimmungsvollen Scope-Bildern erzählt.
Das 1995er Silva-Kompilations-Album „The Valley of Gwangi“ enthält eine sehr schön zusammengestellte, rund 14-minütige Suite aus The Adventures of Huckleberry Finn. Diese gibt bereits einen erstklassigen Vorgeschmack auf die dank FSM jetzt erstmals komplett vorliegende Filmmusik.
Neben der guten Kameraarbeit von Ted McCord ist die stimmungsvolle Musikuntermalung von Jerome Moross (1913-1983) das Bemerkenswerteste des Films. The Adventures of Huckleberry Finn steht in derselben von Aaron Copland nachhaltig beeinflussten Americana-Tradition wie auch Moross berühmteste Filmkomposition überhaupt, die Musik zu dem etwas tempoarmen Edel-Western The Big Country • Weites Land (1959) von William Wyler.
Ein zentrales Thema der stark komödiantisch angelegten Huckleberry-Finn-Musik ist eine majestätische, sehr prägnante, breit ausschwingende Melodie für den großen amerikanischen Strom Mississippi, die besonders im Gedächtnis bleibt. Die Einleitung gibt sich tonmalerisch, indem sie durch eine lebhaft wellenförmige, strömend wirkende Trillerfigur in Streichern und Holzbläsern die fließende Bewegung des Wassers imitiert. Neben dem erwähnten Hauptthema spielen in der Partitur sieben weitere — ebenfalls der amerikanischen Volksmusik nahe stehende — Themen eine wichtige Rolle und auch so manch bluesiger (jedoch nicht Dixieland-typische) Einschlag ist vernehmbar. Alles in allem eine überwiegend heitere, transparent instrumentierte, sehr lyrische und überhaupt sehr ansprechend gemachte Filmmusik mit hoher Hörqualität. Eine Filmvertonung, deren leichte und komödiantische Grundstimmung die solide Verarbeitung des thematischen Materials nicht vergessen machen sollte. Über die rund 50 Minuten Spielzeit präsentiert sich der Score als eine lebendig frische und sehr gut ins Ohr gehende (Hör-)Angelegenheit ohne größere Durchhänger — wobei auch einige im Filmschnitt nicht verwendete Musikpassagen erstmals zu hören sind. Ein kleiner Schwachpunkt ist die bei allem Charme etwas begrenzte Abwechslung in Sachen Instrumentierung. Insgesamt ist die Musik eben nur einem reinen „Copland light“ in folkig leichtem Tonfall verpflichtet.
Das auch hier (wie gewohnt) sehr informative Booklet liefert eingehende Infos zur Musik und ebenso eine Reihe schöner Filmbilder. Es erhellt außerdem die Begleitumstände der im rund 10-minütigen Bonus-Anhang der CD als Demo-Versionen präsentierten Songs von Burton Lane und Alan J. Lerner: Die Abenteuer am Mississippi erweisen sich als „Lost Musical“ des MGM-Produzenten Arthur Freed (Singin’ in the Rain). Bruchstücke einiger der Musical-Songs tauchen im Film als Source-Music auf und der „Huckleberry-Finn“-Song wird von Moross sogar im Finale kurz zitiert.
Alles in allem also eine mehr als nur hörenswerte Premiere: das erste FSM-Album mit Filmmusik von Jerome Moross. Eine Studio-Original-Aufnahme in prima Tonqualität und in Stereo. Ob überhaupt noch mehr Filmmusikalisches des Komponisten in annähernd vergleichbarer Qualität aus den Archiven zutage gefördert werden kann, bleibt abzuwarten.