Regisseur Michael Andersons Verfilmung The Shoes of the Fisherman • In den Schuhen des Fischers (1968) beruht auf Morris L. Wests gleichnamigem Bestseller aus dem Jahr 1963 und entwirft ein interessantes fiktives und zugleich provozierendes Szenario. Nach 20-jähriger Haft in einem sowjetischen Gulag kommt der katholische Erzbischof Kyrill Lakota frei und wird als Kardinal nach Rom berufen; zu einer Zeit, als ein Konflikt zwischen der UdSSR und Rot-China schwelt. Nachdem der amtierende Papst gestorben ist schlagen mehrere Wahlgänge für einen Nachfolger fehl. Im Zuge der Beratungen werden die Kardinäle von der tiefen Menschlichkeit und Wärme, die sich ihr russischer Glaubensbruder, trotz des großen Leids bewahrt hat, das er während seiner langen Haft erfahren musste, tief beeindruckt. Kyrill Lakota wird darauf zum neuen (ersten russischen) Papst gewählt. Das neue Oberhaupt der katholischen Kirche sieht im Verlauf des immer schärfere Formen in der Auseinandersetzung annehmenden o. g. politischen Konfliktes die Welt am Abgrund einer neuen kriegerischen Auseinandersetzung: arm gegen reich. Durch einen außergewöhnlichen Schritt bemüht er sich, ein Zeichen zu setzen: Er stellt das große Vermögen der Kirche vorbehaltlos zur Linderung der Armut in der Welt zur Verfügung.
Der mit großem Aufwand in den Cinecittà-Studios in Rom realisierte Film verfügt dank exzellenter Ausstattung sowie exquisiter Nachbauten, wie der Papst-Suite, der Säle des Vatikans und auch des Inneren der Sixtinischen Kapelle, über erstklassige und authentisch wirkende Atmosphäre. Ebenso besticht die Riege erstklassiger Darsteller dieser Großproduktion: Anthony Quinn überzeugt als Papst Kyril Lakota und daneben sind Laurence Olivier, John Gielgud, Vittorio de Sica und Oscar Werner mit von der Partie. Doch weder die herausragende Besetzung noch die ebenso hervorragende Musik von Alex North konnten das Debakel an den Kinokassen verhindern. Im Zeitalter der DVD sollte allerdings auch dieser beeindruckende Film eine Chance erhalten, sich (s)einen Kreis interessierter Zuschauer zu erobern.
Für North war dies nicht die erste Großproduktion seiner Hollywood-Karriere: Spartacus (1960), Cleopatra (1963) und The Agony and the Ecstasy • Michelangelo – Inferno und Ekstase (1965) waren vorausgegangen. In jenen Tagen war der Komponist aber auch noch in Kubricks 2001: A Space Odyssey involviert. Da die etwas mehr als 30 Minuten Musik, die er dafür fertig komponierte schließlich gänzlich unter den Tisch fielen, gestattete ihm dies, einige der musikalischen Gedanken (unter anderem auch) in sein Konzept für The Shoes of the Fisherman zu übernehmen.
Das markanteste Beispiel für Recycling findet sich in den eröffnenden machtvollen Akkordblöcken in „The Foraging“ auf der Einspielung von 2001: A Space Odyssey unter Jerry Goldsmith (Varèse, VDS-5400). Diese Akkordfolgen dienen nämlich in sehr ähnlicher Form in The Shoes of the Fisherman zur Charakterisierung der Institution der Katholischen Kirche mit dem Papst als Vertreter göttlicher Macht auf Erden. Obwohl North’ Musik nicht im herkömmlichen Sinne (beispielsweise durch Verwendung der Kirchentonarten) liturgisch wirkt, ist sie sehr überzeugend gelungen. Gerade die moderne Polyphonie, die typisch North’schen Klangfarben in der Charakterisierung des Klerikalen sind besonders faszinierend geraten, wobei in Teilen ein wenig Cleopatra (1963) und The Agony and the Ecstasy (1965) spürbar werden.
Kyril Lakota wird durch ein Thema mit russischem Flair charakterisiert, das sich an ein ukrainisches Volkslied anlehnt. Dass North darüber wenig glücklich war, dies nur auf ausdrücklichen Wunsch der Produzenten bewerkstelligte, ist nicht erst seit heute bekannt. Vermutlich hatten die Entscheidungsträger dabei den großen Erfolg des liedhaften Lara-Themas aus Dr. Schiwago (1965) im Hinterkopf, das, wie auch der Film, zum Hit und damit zugleich zum Werbeträger avancierte.
Als drittes musikalisches Element tritt noch ein zeitgemäßes, ebenfalls sehr eingängiges romantisches walzerhaftes Thema hinzu – im Begleitheft als „Versöhnungs-Thema“ bezeichnet –, das in erster Linie die moderne, unruhige Welt (und natürlich auch das moderne Rom) abseits der Abgeschiedenheit des Vatikanstaates symbolisiert. Dabei scheut der Komponist auch vor dezenten Popeinflüssen nicht zurück.
Durch diese drei deutlich voneinander abgesetzten Klangebenen wird The Shoes of the Fisherman zur sehr kontrastreichen und da besonders melodieorientiert, zu einer der am schnellsten zugänglichen Filmmusiken dieses anfänglich oft als sperrig empfundenen Komponisten überhaupt.
Auch diese FSM-Edition kann man nur mit dem Prädikat „superb“ belegen. CD-1 präsentiert den vollständigen Score von knapp 60 Minuten (20 Tracks) und füllt mit alternativen Cues auf rund 77 Minuten auf. CD-2 trägt den Titel „MGM 1968 Widescreen Spectaculars“: Die mit 75 Minuten prall gefüllte Silberscheibe wartet neben weiteren etwa 25 Minuten Source-Music aus The Shoes of the Fisherman mit klingendem Material zu Ice Station Zebra und Where Eagles Dare auf. Dieses konnte auf den zugehörigen FSM-Alben aus Platzgründen nicht untergebracht werden – siehe auch Diane. Hier bekommt der Kunde noch den vollständigen, rund 40-minütigen alten LP-Schnitt der seinerzeit von Ron Goodwins Where Eagles Dare auf dem Markt erschien. Dabei handelt es sich nicht einfach um einen Zusammenschnitt ausgewählter Musikteile der originalen Musikmaster, sondern um eine sehr filmnahe und darüber hinaus geschickt zusammengestellte Nachspielung. Die drei „Demonstration Tracks“ zu Ice Station Zebra sind sogar eine besonders charmante Zugabe. Gegenüber der originalen Filmversion kam zwar ein kleiner besetztes Orchester zum Einsatz, dafür präsentiert Michel Legrand die beiden Themen des Scores – zuerst einzeln und im letzten Track in kombinierter Form – an dieser Stelle in besonders süffig klingenden Light-Arrangements.
Neben diesen willkommenen klingenden Ergänzungen sind aber auch die Source-Cues aus The Shoes of the Fisherman keineswegs eher überflüssiges Beiwerk, sondern haben vielmehr Aufschlussreiches im Gepäck: Sie belegen unter anderem die sorgfältige Arbeitsweise der beteiligten Arrangeure. Hier bekommt man nicht nur den als Pausenmusik fungierenden originellen kleinen Marsch für Blaskapelle zu hören. Die beiden in der Filmmusik nur teilweise eingesetzten (nicht von North stammenden) sakralen Chorstücke „Veni Creator Spiritus“ und „Tu Es Petrus“ können sogar erfreulicherweise in voller Länge genossen werden. Und ebenso hörenswert sind die beiden jazzigen Arrangements „Tiny Folly“ des Versöhnungsthemas in Combo-Versionen für 6 bzw. 12 Instrumentalisten.
Hervorzuheben ist der praktisch durchweg besonders frische, breit gefächerte und üppige Stereo-Sound der vertretenen Musiken, der nicht nur erfreut, sondern sogar zu begeistern vermag. Und auch die Informationsdichte des wiederum vorzüglich mit Filmbildern und entsprechenden Illustrationen ausgestatteten Booklets erfreut den Leser nachhaltig. Kaum eine wünschenswerte Information fehlt. Zu den einzelnen North-Tracks finden sich neben den Aufnahmedaten sogar jeweils die Stärke des Ensembles angegeben und selbst die kompletten Cover-Texte der LP-Ausgaben von The Shoes of the Fisherman, Ice Station Zebra sowie Where Eagles Dare sind enthalten. (Da fällt ein kleiner Textschnitzer nicht mehr wirklich ins Gewicht: wenn der im Zentrum von The Agony and the Ecstasy stehende Künstler fälschlich als Leornardo da Vinci anstatt Michelangelo bezeichnet wird.)
Mit der Doppel-CD-FSM-Edition zu Alex North’ The Shoes of the Fisherman erhält der Filmmusikinteressierte auf zwei CDs insgesamt rund 102 Minuten erstklassiger North-Musik, die auch für den besonders geeignet sind, der bei Musik dieses Komponisten bislang eher zögerlich war. Daneben sind noch ca. 50 weitere Minuten aus interessanten musikalischen Resten (s. o.) dreier weiterer MGM-Breitwandepen des Jahres 1968 enthalten. Wer hier wirklich ernsthaft den Sinn der zweiten CD in Frage stellt – die im Übrigen nur einen Aufpreis von gerade mal 5 $ ausmacht! –, dem ist wirklich nicht zu helfen. Hier ist zugreifen angesagt.
Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2004.