Charlie and the Chocolate Factory

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
5. August 2005
Abgelegt unter:
CD

Score

(3.5/6)

Am 12. August 2005 startet der neue Film von Tim Burton, Charlie und die Schokoladenfabrik, in den hiesigen Abspielstätten. Bereits einige Tage früher, ab Montag, den 8. August, ist das CD-Album mit den Songs und dem Score von Hauskomponist Danny Elfman in den Läden erhältlich. Für Elfman ist dies bereits der zehnte für Regisseur Tim Burton vertonte Kinofilm. In den USA ist der Streifen um die süßeste aller Versuchungen überraschend zum Publikumserfolg geworden, und die bedrängte deutsche Kinowirtschaft dürfte wohl eine Wiederholung des Effektes geradezu ersehnen. Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden verlieh dem Streifen übrigens das Prädikat „Besonders wertvoll“, lobte ihn als „ein wunderschönes und zuckersüßes Märchenabenteuer, das die ganze Familie verzaubern kann“.

Der Film entstand nach dem im Jahr 1964 verfassten Kinderbuch des Briten Roald Dahl (1916-1990), „Willy Wonka and the Chocolate Factory“. Dahls seit Anfang der 60er Jahre publizierte Kinderbücher vermischen Ansätze von Märchenhaftem mit Satire und würzen ihre Geschichten mit schwarzem Humor. Das macht sie bei Erwachsenen umstritten, bei der anvisierten Zielgruppe sind sie umso beliebter. Häufiger sind die Bücher auch verfilmt worden. Für märchenhafte Stoffe zugängliche Kinogänger aller Altersklassen dürfte die ansprechende filmische Adaption des witzigen Buches „The Witches“, Hexen hexen (1989), besonders geläufig sein.

Dahl fungierte übrigens auch als Autor von Filmdrehbüchern, z. B. zum James-Bond-Abenteuer You Only Live Twice • Man lebt nur zweimal (1967) und zu The Night Digger • Das Haus der Schatten (1971). Und auch für die vor knapp 35 Jahren erfolgte Erstverfilmung des Buches um den Besitzer der fantastischen Schokoladenfabrik, Willy Wonka, schrieb er das Drehbuch. Verkörperte damals Gene Wilder die Figur, ist dieses Mal Johnny Depp der Mann der Stunde.

Für den Hörer erweist sich das rund 55-minütige CD-Album als ein gekonnter, detailverliebter Stil-Mix. Die Hauptbezugspunkte verweisen dabei auf zwei Frühwerke des Komponisten: beim Score auf Edward mit den Scherenhänden (1990), und die Songs erinnern (zumindest) im skurrilen Ausdruck an die fantasievolle Halloween-Mär The Nightmare before Christmas (1993). Die stilistischen Bezüge sind bei beiden Filmen allerdings markant unterschiedlich. Beziehen sich die Songs im 1993er Albtraum an Weihnachten besonders auf Broadway & Musical, sind beim süßesten aller Träume die Vorbilder klar im Pop zu finden.

Um eine stilistische Rolle rückwärts handelt es sich beim neuesten Elfman-Score aber in keinem Fall. Vielmehr spiegeln sich eben auch frühere Kompositionen im geschmeidiger gewordenen Stil des gereiften Elfman. Orchestrales und Chorales, kombiniert mit dezent und wohldosierter Klangsynthetik steht auf dem Programm. In den lyrischen Momenten spürt man Big Fish, und mitunter ist auch das romantisch-düstere Sleepy Hollow nicht fern.

Besonders anfänglich wirken die dem Score vorangestellten Songs arg eigenwillig und sind daher sehr gewöhnungsbedürftig. Sie dürften sich aber besonders nach Besuch des Films erschließen. Die schrägen Lieder zielen nämlich drollig moralisierend auf den jeweiligen Charakter der vier verwöhnten und ungezogenen kindlichen Protagonisten. Diese, wie auch der natürliche und offenherzige Charlie, erhielten durch ein Gewinnspiel die Gelegenheit, die Schokoladenfabrik besuchen und dabei das fantastische Schlaraffenland des Chocolatiers Willy Wonka bestaunen zu dürfen. „Wonka’s Welcome Song“ besitzt den Charme der Teletubbies und dürfte so manchen Ersthörer besonders irritieren.

Elfman gibt an, dass ihm gerade das Vertonen der vier Gedichte aus Dahls Buch und damit die Komposition der so genannten Umpa-Lumpa-Songs beträchtlichen Spaß bereitet hat. Und wie seinerzeit bei The Nightmare before Christmas ist der Klangschöpfer hier erneut höchstpersönlich als Sänger zu hören. Wie bereits erwähnt wirken besagte Umpa-Lumpa-Songs anfänglich etwas bizarr, aber dank ihrer liebevoll-vieseitigen und gekonnt (!) verspielten Machart gewinnen sie rasch an Charme. Witzig ist die Retro-Funk-Stimmung in „Augustus Gloop“ oder der lustige Rock-Mix in „Mike Teavee“. Besonders schmunzeln ließ mich die Beatles-Hommage in „Veruca Salt“, das zugleich hübsche Exotismen enthält. Die recht lange (knapp 7-minütige) „End-Credits-Suite“ reflektiert übrigens allein (instrumental) auf die Songs.

Die walzerhafte Melodie des Hauptthemas des Scores ist dem düsteren Goblin-Thema aus Spider-Man überraschend ähnlich, wenn auch die Stimmung eine gänzlich andere ist. Es taucht im letzten Teil von „Indian Palace“ sehr schön ausgespielt auf und erscheint durch exotische Einsprengsel der Sitar besonders originell. Die das Gelände von Wonkas Schokoladenfabrik bevölkernden Umpa Lumpas erhalten ein weiteres Thema, das sich ähnlich schräg gibt wie die Songs („Loompa Land“). Teilweise erhält es durch Einsatz von schwerem Blech sowie Chor eine sehr archaische Note („The Boat Arrives“). Letztlich ist Wonkas zuckersüßes Schlaraffenland etwas, dem auch die Nußknackerfee Dragee entstammen könnte. Wohl auch deswegen sind die charmanten Parts der Celesta recht breit angelegt.

So manchem Hörer dürften anfänglich Teile der mitunter bizarr anmutenden Klangwelten etwas Probleme bereiten, und ebenfalls dürfte die relative Kürze manch besonders schönen Stückes nicht jedermann vollauf zufrieden stellen. Unterm Strich wird man vom aktuellen Elfman-Album aber gewiss nicht enttäuscht: Gediegene dreieinhalb Sterne sind dafür eindeutig ein Muss. Die in London eingespielte CD klingt vorzüglich, und im Begleitheft finden sich die kompletten Texte der insgesamt fünf Songs abgedruckt.

Komponist:
Elfman, Danny

Erschienen:
2005
Gesamtspielzeit:
54:14 Minuten
Sampler:
Warner Sunset
Kennung:
7226424

Weitere interessante Beiträge:

Benjamin Britten – Violin Concerto

Benjamin Britten – Violin Concerto

La Princesse de Clèves – Französische Romantik

La Princesse de Clèves – Französische Romantik

The Peacemaker

The Peacemaker

Hugo Cabret

Hugo Cabret

Cinemusic.de