Bambi 2 — Der Herr der Wälder
Knapp 65 Jahre nachdem Bambi im August 1942 das US-Kinopublikum zum ersten Mal bezaubern durfte, kehrte das Hirschkalb im Jahr 2006 zurück. Die Fortsetzung Bambi 2 — Der Herr der Wälder war hierzulande ab dem Frühjahr zuerst auf der Kinoleinwand zu sehen und ist jetzt auch auf DVD erschienen. Dabei gehört diese Produktion letztlich in die Reihe der Animationssequels, wie Cinderella 2 und Susi und Strolch 2, mit denen Buena Vista mehr oder weniger überzeugend an den Erfolg des jeweiligen Vorläuferfilms anzuknüpfen versucht. In den USA erblickte Bambi 2 denn auch nicht einmal das Licht der Kinoprojektoren, sondern ist ausschließlich als DVD vermarktet worden. Entsprechend gilt das Sequel zum 1942er Film in den USA auch nicht als Kinofilm und kann damit von vornherein nicht am Wettbewerb um die begehrten Oscars teilnehmen.
Wurde der filmische Erstling noch in reiner ausgefeilter Handarbeit produziert, entstammt Bambi 2 komplett dem Computer. Um den Charme des kindlichen Hirschkalbes (nach europäischer Lesart auch Rehkitz) zu erhalten, knüpft die Geschichte direkt nach dem Tod von Bambis Mutter und damit praktisch in der Mitte des 42er Films an. Im mit nur rund 70 Minuten für einen Kinofilm arg kurzen Geschehen wird gezeigt, wie es dem Knirps nach mancherlei Schwierigkeiten gelingt, sich seinem Vater, der im Ur-Bambi als „König des Waldes“ eine nahezu wortlose, fast mystische Figur verkörpert, anzunähern und als ganzer Kerl anerkannt zu werden.
Dabei begegnet man nicht nur Bambi aufs Neue, sondern auch den reizenden Tiercharakteren des 42er Originals. Deren Bewegungsabläufe sind übrigens durch vergleichbare Studien an lebenden Tieren im naturalistischen Sinne optimiert worden — wie im Ur-Bambi. Dabei wurde das Auftreten der Viecher den heutigen Gewohnheiten sehr behutsam ein Stück angenähert. Erfreulicherweise hat man beim Modernisieren Maß gehalten, überzogene und unnötige Flapsigkeiten sowie Kalauer vermieden. Das Produktionsteam hat sich ebenso besonders augenfällig darum bemüht, den Look der Bilder so nahe wie möglich am Ur-Bambi zu belassen. Der von Regisseur Brian Pimental inszenierte Bambi 2 — Der Herr der Wälder erweist sich dabei zwar nicht als neues Meisterwerk mit potenziellem Klassikerstatus, aber schon als überaus sorgfältig und liebevoll, im Geist des Originals gestaltete unterhaltsame und zugleich charmante Fortsetzung. Eine, die ihre betont traditionelle Heile-Welt-Geschichte ohne Stakkatoschnittfolgen, in ähnlich besonnenem Tempo wie das Original erzählt. Dabei ist es mit Hilfe der modernen Computersoftware weitgehend gelungen, den naturalistischen Touch der alten (Hintergrund-)Ölgemälde zu bewahren. Und auch an die in Bambi aus dem Jahr 1942 mit Multiplantechnik so überragend erzeugte Plastizität vieler Einstellungen hat man sich gut angenähert — siehe dazu auch Fantasia. Die Faszination der den alten Film eröffnenden Märchenwald-Panoramasequenz bleibt jedoch unerreicht.
Keine Makel erlaubt sich Bambi 2 — Der Herr der Wälder in der Präsentation, sowohl beim Bild als auch beim Ton. Hinter den superben Werten für die optische Qualität muss sich der Ton dieser Festplattenproduktion keineswegs verstecken. Das Sounddesign fokussiert wiederum ähnlich dem des Ur-Bambis auf die Musik, die dieses Mal von Bruce Broughton stammt (hier geht’s zur Kritik der Filmmusik-CD). Die 2006er Version integriert aber zugleich eine gehörige Portion unaufdringlicher, aber umso überzeugenderer Raumatmosphäre. Nicht nur die Stimmen bewegen sich nahezu perfekt mit den Figuren. Gelegentlich wandern diese und ebenso zugehörige Geräuscheffekte mit dem Visuellen stimmig aus dem Bild hinaus.
Beim Betrachten des Films erweist sich der „Anekdotenmodus“ als gelungenes Ausstattungsmerkmal, bei dessen Aktivierung an diversen Stellen Texte eingeblendet werden, die sowohl mit wertvollen spezifischen Hinweisen zur Produktion aufwarten als auch ein Portiönchen Biologieunterricht im Gepäck haben. Ein solides „Making Of“ bietet darüber hinaus weitere Einblicke in die Produktionsgeschichte. Für den Fan-Nachwuchs gibt’s neben einem Suchspiel eine Lektion der Disney-Zeichenschule, in der man lernt, Hase Klopfer leicht aufs Papier zu bannen.
Etwas fragwürdig funktioniert bei dieser DVD-Edition allerdings der „Fastplay-Modus“, bei dem normalerweise direkt (also ohne Anwahlmenü) der Film gestartet wird. Hier wird diese an sich gute Idee durch die zwangsweise vorgeschaltete Trailerkollektion jedoch konterkariert; auch wenn man sich durch die Filmwerbung (fünf Trailer mit insgesamt rund neun Minuten Spielzeit) hindurchskippen kann.
Fazit: Alles in allem feiert Bambi nach fast 65 Jahren ein gelungenes Comeback. In den rund 70 DVD-Minuten bekommt der Zuschauer eine solide, neue kleine Geschichte erzählt. Und neben Bambi laufen einem auch sämtliche seiner ebenso drolligen Freunde mit über den Weg. Das erzeugt im Zusammenwirken mit der betont auf das Original abgestimmten Bildgestaltung ein angenehmes Gefühl von Nostalgie.
Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2006.
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