TV- Dokumentarserien, 14. Folge: Frozen Planet — Eisige Welten
Neues aus der Natural-History-Abteilung der BBC. Dieses Mal haben sich die BBC und das ZDF zusammengetan und gemeinsam die Kosten für dieses ehrgeizige Nachfolgeprojekt von Planet Erde gestemmt. Wobei man sich direkt zu Beginn, wenn es im Film wie auch im Begleitbuch „von Pol zu Pol“ geht, gerade an die Eröffnungsfolge des Vorläufers erinnert fühlt. Nun, in Sachen Déjà-vu wird man unter anderem in Blue Planet (2001) oder Wildes Skandinavien (2011) fündig. Das bedeutet aber nun ganz und gar nicht, dass man immer wieder nur schlichtweg ein und dasselbe zu sehen bekommt. Das Gezeigte ist anders gewichtet und natürlich ist ausschließlich zuvor unveröffentlichtes Bildmaterial verwendet worden. Ausbleiben können gewisse Überschneidungen letztlich nicht, da sich die Themen verwandter Dokus zumindest punktuell überlappen. Und darum heißt es erneut: Lassen Sie sich ruhig ein auf diese in Umfang und Detailvielfalt nie zuvor gesehene Studie über das Leben und Überleben in den Polarregionen der Erde, die für das Weltklima so bedeutend sind. Sie werden auch dieses Mal gewiss nicht enttäuscht.
Es ist schon erstaunlich, welche Artenvielfalt sich in diesen fernen, landläufig als unwirtlich und lebensfeindlich eingeschätzten Eiswüsten tummeln. Besonders eindrucksvoll wird dabei auch der Wechsel der Jahreszeiten und die daraus für die einzelnen Spezies resultierenden Konsequenzen erläutert. Dabei werden die in den Polregionen vorherrschenden Extreme besonders deutlich. Diese reichen von der großen Schneeschmelze im Frühjahr, über den von März bis September an 24 Stunden am Tag von Sonnenlicht begleiteten Sommer bis zur mit dem langen völlig dunklen Winter zurückkehrenden, zum Teil extremen Kälte. Keine Region unseres Planeten ist derart vom Wechsel der Jahreszeiten gezeichnet wie dort.
Die Eisbärengeburtsszenen sorgten für gewisse Irritationen, da diese nicht in freier Wildbahn, sondern wie das Hamburger Abendblatt berichtete, Weihnachten 2009 im niederländischen Tierpark Ouwehands aufgenommen worden sind. Auf der ZDF-TerraX-Seite begründet und erläutert Produzentin Kathryn Jeffs den Zoo-Dreh, der vom Daily Mirror, in Anlehnung an den Watergate-Skandal zum „Polar Beargate“ dramatisiert worden ist. Hier sollte man besser die Kirche im Dorf lassen. Immerhin haben die beteiligten Aufnahmeteams vor Ort äußerst faszinierende Bild-Eindrücke unter großen Strapazen gedreht, die man nun vom bequemen Sessel im behaglichen Wohnzimmer per TV betrachten kann. Dies nun auch von einer Eisbärengeburt zu verlangen, die sich im Zoo kaum wesentlich anders abspielen dürfte, erscheint mir maßlos übertrieben. Wildnis-Szenen wären hierzu im Übrigen wohl kaum mit vernünftig kalkulierbarem Risiko machbar gewesen, da doch bekannt ist, dass die Eisbärin sich zur Niederkunft versteckte Plätze im tiefen Schnee sucht.
Durch die Konzentration auf die Polregionen unseres Heimatplaneten erscheint der Serienablauf etwas geradliniger, da nicht so wild zwischen verschiedenen Lebensräumen hin und her gewechselt wird, wie es z. B. in Planet Erde geschieht. Trotzdem entsteht durch die räumliche Beschränkung keine Zähigkeit in der Darstellung. Dafür ist das, was sich selbst in den für den Menschen lange Zeit nahezu unzugänglich erscheinenden Polregionen an Artenvielfalt und tollen Naturphänomenen zu beobachten gibt, einfach zu grandios in Szene gesetzt. Da wird gezeigt, welch raffinierte Strategien die Tiere entwickelt haben, der extremen Kälte der arktischen Winter zu trotzen. Eindrucksvolle Bilder dokumentieren z. B. die Schönheit der geheimnisvoll anmutenden Polarlichter. Der Zuschauer ist auch hautnah dabei, wenn durch Gletscherabbruch ein neuer, riesiger Eisberg entsteht. Ebenso packend wie das Betrachten der zum Teil skulpturhaft erscheinenden Eisformationen in den klirrenden Wintermonaten ist es, den mit Macht hereinbrechenden Frühling und die durch die Sonneneinstrahlung kraftvoll vorangetriebene Eisschmelze zu erleben. Diese setzt sich auch in den nachtlosen Sommermonaten fort, wo die Polarregionen eine einzigartige Mischung aus lichterfüllten Landschaften mit Wasserfällen und unzähligen Tierarten bilden. Und im Herbst, wenn sich der bevorstehende Winter ankündigt, schließt sich der Kreis. Der Zuschauer erlebt, wie das im Frühjahr und Sommer geschmolzene Wasser nach und nach wieder erstarrt und die Wassermassen und damit die ganze Region in kürzester Zeit wieder zu einer riesigen Eismasse werden. Dabei erfährt man beispielsweise auch, dass so genanntes „Pfannkucheneis“ zu den Dingen gehört, die man besser nicht verkosten sollte. Ebenso wenig kommt zu kurz, was sich unterhalb des Eispanzers abspielt. Selbst dort ist das Leben nämlich vor dem tödlichen Griff des Winters nicht völlig sicher. So, wenn todbringende Eiszapfen bis zum Grund herunterwachsen und alles Lebendige, was ihnen im Weg steht, entweder mit dem beim Gefrierprozess entstehenden, herabsickernden, hochkonzentrierten Salzwasser oder durch das sich schließlich nach Bodenkontakt des Eiszapfens auf dem Meeresgrund bildende Eisband auslöschen.
In den einzelnen Episoden fallen auch immer wieder schöne Stellen in George Fentons Filmmusik auf, die das Gezeigte gelungen unterstreichen. Im Gegensatz zu den früheren BBC-Naturdokus (siehe dort) scheint dieses Mal aber leider nichts davon auf Tonträger zu gelangen.
Frozen Planet — Eisige Welten (2011) wurde im ZDF erstmalig vom 18.12.2011 bis 15.01.2012 ausgestrahlt — auf dem ORF innerhalb der „Universum-Reihe“. Zusammen mit Blue Planet • Unser blauer Planet — Die Naturgeschichte der Meere (2001) und Planet Earth • Planet Erde (2006) bildet der aktuelle BBC-Mehrteiler zugleich die BBC-Planeten-Trilogie.
Die Präsentation auf BD
Im deutschen Fernsehen gab es die Folgen von Eisige Welten nur in einer auf die hierzulande dokumentarfilmübliche Episodenlänge von 45 Minuten gestutzten Fassung zu sehen. Darüber hinaus fielen zwei Episoden sogar komplett unter den Tisch. Und hier kann die Polyband-Edition wiederum in besonderem Maße punkten. Im BD-Set ist nämlich erstmalig die komplette TV-Serie enthalten, also alle sieben Folgen ungekürzt (mit jeweils rund 50 Minuten) und außerdem zu jeder Episode obendrauf noch ein ca. 10-minütiges, informatives Making-of, wie man es in ähnlicher Form bereits von den Planet-Erde-DVD-Ausgaben her kennt. Desweiteren findet sich noch die rund 20-minütige Doku „Wissenschaft am Ende der Erde“, welche die laufenden wissenschaftlichen Untersuchungen am Südpol zum Thema hat. Das ergibt zusammen mehr als 125 Minuten Bonusmaterial, mit dem man auch etwas anfangen kann.
Der Zuschauer wird von dem vielen Neuen, was es hier in HD-Bildern von erstklassiger Qualität zu sehen gibt, schier überwältigt. Diese Aussage gilt insbesondere für die bereits im ZDF gezeigten fünf Serienfolgen. In den beiden zusätzlichen, „Am Ende der besiedelten Welt“ und „Auf dünnem Eis“, tritt der brillante Show-Effekt mehr in den Hintergrund. Diese sind zwar etwas weniger bildgewaltig, aber ebenso sehenswert. „Am Ende der besiedelten Welt“ beschreibt das Leben wie auch den Wandel im Dasein der Bevölkerungen der Nordpolargebiete, die man landläufig unter der Sammelbezeichnung Eskimos kennt. „Auf dünnem Eis“ gibt sich betont resümierend und konzentriert sich, dabei auch einzelne zuvor gesehene Szenen wiederholend, auf den sich in den arktischen Regionen bereits besonders deutlich abzeichnenden Klimawandel.
Der inzwischen auf stattliche 86 zusteuernde BBC-Naturfilm-Veteran Sir David Attenborough zählt noch längst nicht zum alten Eisen. Er war erstaunlicherweise auch bei Eisige Welten wieder mit von der Partie, spricht in der englischen Originalfassung den markanten Kommentar. Natürlich ist auch die deutsche Fassung mit Christian Schult als sehr respektablem Sprecher wählbar. Zur englischen Originalfassung fehlen leider deutsche Untertitel. Diese gibts nur bei den ausschließlich englischsprachig vorliegenden, wiederum von Richard Attenborough kommentierten Making-ofs.
Der Bildeindruck ist fast durchweg erstklassig. Die kontrastreichen, meist gestochen scharfen und äußerst detailfreudigen Bilder mit prima Kontrast und in natürlichen Farben erreichen oftmals Referenzklasse. Da fallen bei penibler Beobachtung kurzeitig sichtbar werdende kleinere Schwächen überhaupt nicht ins Gewicht. Sie werden von der Brillanz im großen Rest praktisch überdeckt. Was es hier zu sehen gibt, dürfte selbst diejenigen begeistern, die schon sehr gutes HD-Material gesehen hat. Der vielleicht inzwischen schon etwas abgegriffen erscheinende Terminus „Demomaterial“ passt hierfür in jedem Fall. Man lasse dazu nur die von wahrhaft glitzernden Eiskristallen in faszinierender Formenvielfalt bestimmten Schneelandschaften der Frühlingsepisode auf sich wirken.
Der leicht frontlastige eher zurückhaltend erscheinende Tonmix ist eindeutig professionell, auch wenn er nicht mit dröhnendem Blockbuster-Surround-Sound aufwartet. Aber dessen bedarf eine derartige Dokumentation auch nicht. Die eher subtile Geräuschkulisse der besonders frostigen Bereiche unseres Planeten wird dafür umso natürlicher abgebildet.
Das Begleitbuch zu Frozen Planet — Eisige Welten
Ein vergleichbares Begleitbuch zur Naturdoku-TV-Reihe in Form eines auf Hochglanzpapier veröffentlichten Begleitbandes, das gab es das letzte Mal vor rund sechs Jahren zu Planet Earth • Planet Erde (2006). Erfreulicherweise hat wiederum der Verlag Frederking & Thaler all jene bedacht, die anstelle von E-Book oder Tablet-PC zum Betrachten, Lesen und Stöbern lieber ein klassisches Buch in die Hand nehmen. Und auch für den vorliegenden Band gilt, dass er sich nahtlos in die Reihe seiner vergleichbar hochwertigen, seinerzeit ebenfalls auf Cinemusic.de vorgestellten Vorgänger einreiht.
So eindrucksvoll die Möglichkeiten der modernen Technik sind, wenn man z. B. die faszinierende Bilderflut von der mittlerweise hochauflösenden Video-Scheibe im Blu-ray-Format (BD) in Top-Qualität per Knopfdruck widerholen, als Standbild einfrieren oder auch in Einzelbildfolgen wiederholt betrachten kann. In einem entsprechend liebevoll aufgemachten klassischen Hochglanzpapier-Produkt, das zudem auch recht gewichtig in der Hand liegt, zu lesen, Bilder anzuschauen oder auch „nur“ mal rumzustöbern, das Gesehene nachwirken zu lassen, aber auch es sich wieder in Erinnerung zu rufen, das ist schon eine feine Sache. Insofern dürfte es für so manchen Liebhaber derartiger Naturdokumentationen erstrebenswert sein, zumindest mittelfristig beides, Hochglanz-Band und Blu-ray-Edition, in der Privatkollektion zu haben.
Fazit: Die Fazite zu den High-Tech-Naturdokus in HD lesen sich mittlerweile, zumindest was die Technik anbelangt, schon zwangsläufig sehr ähnlich: Großartige Natureindrücke in brillant eingefangenen, oftmals sensationellen Bildern, fast durchweg in Top-Qualität und dieses Mal außerdem versehen mit Topausstattung an Zusatzmaterial. Und obendrauf ist, erstmalig seit sechs Jahren noch ein hochwertiger Bildband als Begleitbuch zur TV-Reihe erhältlich.
Klar! Manches davon hat man zuvor schon mal in zumindest ähnlicher Form gesehen, aber eben nicht identisch und vor allem nicht in dieser Ausführlichkeit präsentiert bekommen. Frozen Planet — Eisige Welten, ist seinen beiden BBC-Vorläufern gewiss nicht unterlegen, ist vielmehr würdige Ergänzung und Abschluss eines zukünftig so wohl nicht mehr realisierbaren Projekts der umfassenden Dokumentation der Natur des Planeten Erde. Der sich gerade in den Polarregionen immer deutlicher abzeichnende Klimawandel wird vieles verändern. So manches des Gezeigten ist möglicherweise bereits in wenigen Dekaden unwiederbringlich verloren.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu » Ostern 2012.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.
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