Gekreuzte Klingen, zum Greifen nah: Die drei Musketiere in 3D!
Wenn es um die 1843/44 zuerst als Fortsetzungsroman in einer Zeitung erschienenen „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas (1802-1870) geht, dann ist wenig geläufig, dass dies nur der erste, eindeutig bekannteste Teil einer Romantrilogie ist. Aufgrund des großen Erfolges widmete der Autor seinen Helden noch die beiden Fortsetzungen „Zwanzig Jahre danach“ und „Der Vicomte de Bragelonne“.
Rund zwanzig Mal haben es „Die drei Musketiere“ bislang auf die Leinwand geschafft. Der Regisseur des Resident-Evil-Franchise, Paul W. S. Anderson, hat nun laut blumiger Filmwerbung alles neu und damit die furchtlosen (aber mittlerweile anscheinend antiquierten) Helden fit für das neue Jahrtausend gemacht. Die Drehbuchautoren Alex Litvak und Andrew Davies sind in der Tat sehr frei mit der Romanvorlage umgegangen. Sie haben die klassische Abenteuerstory kräftig modernisiert und auf die actionlastigen Sehgewohnheiten eines betont jungen Publikums aufgepeppt. Was dabei herausgekommen ist, das kann man zweifellos als abgefahrene, in manchem zudem arg schräge Neuinterpretation ansehen, bei der (zu) viel des Originals auf der Strecke bleibt. Die Dumas-Liebhaberin Silvia Ulenberg führt dazu in ihrer Filmkritik genug ins Feld, dem man sachlich kaum widersprechen kann.
Wer also eine der Vorlage einigermaßen gerecht werdende Adaption erwartet, ob nun eher klassisch oder auch im Sinne einer intelligenten Neuinterpretation, der wird komplett enttäuscht. Mit Begriffen wie Werktreue, spannendem Drehbuch oder intelligent gezeichneten Charakteren kommt man hier nicht zum Ziel. Man muss sich schon auf eine eher comichafte Zeichnung der Figuren und auf eher vordergründige Action sowie auf eine nicht allzu schlüssige, insgesamt eher dünne Geschichte einlassen mögen. Der Hauptreiz der 2011er Verfilmung liegt vielmehr in ihrer visuell besonders sorgfältigen, oftmals delikaten und bildgewaltigen Umsetzung. Und trotz mitunter etwas viel flapsiger, mitunter platter Sprüche, springt dabei gelegentlich auch mal ein recht netter Gag heraus. Wenn man also akzeptieren kann, in erster Linie durch die oftmals faszinierende Optik bei der Stange gehalten zu werden, dann ist der Film durchaus unterhaltsam. Er ist dann sogar nicht einfach nur völlig respektlos geraten. Im Pomp der betont üppigen Ausstattung erweist er einem seiner vielen filmischen Vorläufer recht eindeutig Reverenz: der vergleichbar plüschig anmutenden, aber auch recht humorig-komödiantisch angelegten 1948er George-Sidney-Verfilmung mit Gene Kelly als D’Artagnan. Hierfür steht auch so mancher aus dem klassischen Hollywood-Kino geläufige Einfall, so die den Film eröffnende, aber auch klassische Szenenübergänge schaffende Einblendung historischer Karten. Direkt zum Einstimmen auf die Filmhandlung gibt es so einen, allerdings historisch sehr freien, Blick auf das alte Frankreich, auf dem ganze Modell-Armeen aufgestellt zu sehen sind, wozu ein Off-Erzähler den Prolog rezitiert. Dieser Kunstgriff kommt dann im Anschluss an die frühe Szene erneut zum Tragen, wo der junge D’Artagnan bei einer Auseinandersetzung mit den Männern des Kardinals verletzt wird, welche die Kutsche von Milady de Winter erwarten. Wenn es anschließend nach Paris geht, bewegt sich auf der eingeblendeten Karte ein Modell der Kutsche nebst ihrer Eskorte in diese Richtung. Die anschließende Kamerafahrt nimmt dann das Modell einer Seine-Brücke ins Visier, auf die dann „real“ überblendet wird (s. u.).
Milla Jovovich, seit 2009 mit Regisseur Paul Anderson verheiratet, agiert auch dieses Mal wie eine Power-Amazone. Sie verkörpert eine verführerische Milady de Winter, die in der Wahl ihrer Mittel ähnlich skrupellos und tödlich ist, wie ihr Vorbild Lana Turner aus der Gene-Kelly-Version. Milady agiert hier allerdings eher wie eine Urahnin von Geheimagent 007, ist offenbar Top-Agentin im Geheimdienst seiner französischen Majestät Louis XIII., der freilich nur eine Marionette des Kardinals Richelieu ist. In meist originell und prachtvoll ausschauender, unter anderem im Christan-Dior-Stil der 1950er aufgehübschter, historisierender Kostümierung aus der Hand des Designers Pierre-Yves Gayraud schreiten hier letztlich Kino-Schurken und -Helden unserer Tage zur Tat. Wobei Milla Jovovichs zum Teil artistische Aktionen eindeutig Erinnerungen an Matrix und Resident Evil wachrufen — z. B. beim Entwenden des Halsbandes der Königin. Und auch sonst erscheint so manches vertraut, wirkt vom Gladiator oder Die Bourne Identität und ganz besonders bei Fluch der Karibik ausgeliehen. Da ist z. B. die Garde des Kardinals, deren markant schwarze Uniformierung punktuell mit Kardinalsrot ergänzt worden ist. Daran wird sich der stoßen, der ein Mehr an Historizität beansprucht, man kann darüber aber auch einfach nur schmunzelnd hinwegsehen. Das gilt ebenso für die an sich flugunfähigen Luftschiffe wie auch die arg fantastisch erscheinenden Schnellfeuerkanonen. Hierbei handelt es sich um aus den Entwürfen Leonardo Da Vincis sehr frei Abgekupfertes, das zudem nicht in den historischen Kontext der Romanhandlung passt. Allerdings nimmt bereits das Drehbuch es mit dem Einbetten in das vom Sujet an sich verordnete 17. Jahrhundert nicht wirklich genau. Aber egal, trotz eher banaler Handlung, z. B. die Luftschiffschlacht in den Wolken und die anschließende Kollision mit Notre Dame sind visuell einfach köstlich.
Die aktive Degenfechterin Imke Duplitzer hat übrigens die Stars und Stuntmen für die virtuos choreografierten Fechtszenen, die gerade in 3D einiges hermachen, intensiv trainiert. Derartiges stellt gerade für eine 3D-Produktion eine besondere Herausforderung dar. In 3D wird der Schlag nämlich wesentlich umfassender abgebildet. Was bedeutet, dass man wesentlich dichter an den imaginär zu treffenden Gegner herangehen muss, damit die bei 2D mögliche, größere Lücke zwischen Schwert und Zielobjekt nicht erkennbar wird.
Der Film lebt aber nicht nur von seinen rasant inszenierten Actionmomenten. Ebenso beeindruckend anzuschauen sind die zum Teil spektakulär getricksten Ansichten des alten Paris’ wie Londons, worin sich wiederum eine Anspielung auf das klassische Hollywood-Abenteuerkino verbirgt. Und das letztgenannte Attribut gilt auch für die besonders sorgfältig ausgewählten historischen Sets, die in Bayerns Schlössern, Burgen und Residenzen sowie deren prunkvollen Gärten zu finden sind. Die Außenaufnahmen erfolgten übrigens komplett im Freistaate: Burghausen im Landkreis Altötting inklusive seiner Burg wurden zur Provinz Gascogne und die würzburgische Residenz und Schloss Schleißheim dienten als Louvre. Die Alte Mainbrücke in Würzburg wurde zur Kulisse für D’Artagnans Ankunft in Paris und die Festung Marienberg zum Tower von London. Der riesige, fast 100 Meter lange Spiegelsaal im vom Märchenkönig Ludwig II. auf der Insel Herrenchiemsee erbauten Neuen Schloss diente als Imitation der königlichen Residenz. Die darin zu sehende prächtige Replik des Versailler Spiegelsaales ist allerdings ein Anachronismus. Dieser wurde nämlich erst für den Sonnenkönig Ludwig XIV. erbaut. Der Festsaal im Neuen Schloss Schleißheim wurde mit viel Geschick zur Residenz des Kardinals Richelieu gestaltet. Die große, mit weißem Marmor gebaute Halle bildet einen markanten Kontrast zum Rot der Kardinalsrobe und ebenso zu den schwarz-roten Uniformen der Kardinalsgarde. Wobei die Raumtiefe und damit der 3D-Effekt durch auf dem Boden sorgfältig in Gruppen aufgestellte, historisierende Figuren noch geschickt hervorgehoben und unterstrichen wird. Und nicht zu vergessen das pittoreske Bamberg, dessen Altstadt unter anderem zur Kulisse wurde, wenn die vom Grünschnabel D’Artagnan zum Duell herausgeforderten drei Musketiere sich mit ihm letztlich gegen 40 Mann der Kardinalsgarde zur Wehr setzen müssen. Der daraus resultierende erste große Fechtkampf ist zwar völlig überzogen, aber trotzdem erstklassig choreografiert und ebenso geschickt in 3D abgelichtet. Doch das gute alte Bamberg doubelte nicht nur den Pariser Stadtteil St. Germain. Der Domplatz wurde mit Hilfe von Kollege Computer raffiniert zum Hafen von Calais umfunktioniert. (Diese Arbeiten erfolgten übrigens in der Nachproduktion in den Studios in Babelsberg.) Da bekommt man direkt Lust, sich einiges davon auch mal im Original anzuschauen, was natürlich beabsichtigt ist.
Trotz Staraufgebots bleiben die Figuren völlig blass. Der von Orlando Bloom verkörperte Herzog von Buckingham agiert affektiert wie ein Pfau und mutet wie ein versehentlich im Barock gelandeter Popstar an. Die drei (Senior-)Musketiere verkörpern Matthew Macfadyen (Atos), Ray Stevenson (Porthos) und Luke Evans (Aramis). Den vierten im Bunde übernimmt der Teeniestar Logan Lerman als immerhin der erste D’Artagnan der Kinogeschichte, der sich während des Drehs in dem zarten Alter befand, das Alexandre Dumas für seine Figur angegeben hat: 18 Lenze. Die vorstehend Genannten geben sich redlich Mühe, aber das Drehbuch bietet nun mal keinen Raum für interessant ausgestaltete Charakterzeichnung und markantes Profil. Das gilt auch für den fast schon tuntig anmutenden Freddie Fox als völlig naiv wirkenden König Louis XIII. Einzig Christoph Waltz als Kardinal Richelieu besitzt eine Portion Charisma und ragt somit zumindest ein Stückchen heraus.
Aber trotz der im Vorstehenden neben den visuellen Meriten auch immer wieder angerissenen Schwächen und klaren Grenzen funktioniert der Film als reines Popcorn-Kino, bei dem man das Gehirn auf Sparflamme betreibt, durchaus gut. Und das eben auch, weil er sich selbst fortlaufend auf die Schippe nimmt.
Die drei Musketiere als 3D-Blu-ray-Premium-Edition
Im Kino habe ich Die drei Musketiere leider in technisch nur unzulänglicher, ziemlich maroder 3D-Projektion gesehen. Das Bild hatte über weite Strecken, meist mehr, selten weniger, mit durch Crosstalk-Effekten verursachten deutlichen Doppelkonturen (Ghosting) zu kämpfen. Darunter litt dann auch der Schärfeeindruck, der nur punktuell dem exzellenten der nun vorliegenden 3D-BD-Präsentation einigermaßen ähnelte. Meist sehr gute, in Teilen gestochene Schärfe, ausgewogener Kontrast zusammen mit in der Regel sehr gutem, gelegentlich jedoch etwas zu hellem Schwarzwert und dazu eine überzeugende Wiedergabe der oftmals satten Farben: Das zusammen ergibt von BD ein meist knackiges Bild mit oftmals nahezu perfekter Detailzeichnung. Auch die stereoskopischen Effekte sind tadellos. Ghosting ist nur in wenigen Momenten und dann auch nur sehr geringfügig feststellbar. Wobei auch die computergenerierten Motive sich sehr harmonisch in die Realanteile der Bilder einfügen und nur in wenigen Einstellungen ein Quäntchen an Schärfe vermissen lassen. In Teilen besitzt die Präsentation somit schon Referenzklasse-Niveau. So muss 3D-Kino bzw. 3D-TV aussehen, wenn die dritte Dimension nicht nur wie bisher kurzlebige Modeerscheinung bleiben, sondern dieses Mal das Zeug zum dauerhaften Begleiter des Erlebnisses Kino-Film bekommen soll.
Zum sehr überzeugenden Bild kommt ein in die Vollen gehender Surround-Tonmix hinzu, bei dem es sowohl kraft- und druckvoll als auch im Bereich der subtilen Toneffekte vorbildlich zur Sache geht.
Wer weniger Wert auf üppige Boniausstattung legt, der sollte zur in der normalen blauen Amaray-Box auch als Einzel-Disc-Set erhältlichen 3D-BD greifen. Bereits auf der 3D-BD sind nämlich sowohl ein kurzes Making-of in 3D (rund vier Minuten) als auch ein zweites, rund 23 Minuten umfassendes in 2D enthalten. Das 3D-Making-of ist praktisch ein erweiterter Trailer, angereichert mit ein paar netten Hintergrundinfos vom Dreh. Im deutlich längeren Making-of in 2D findet sich dafür mehr superlativistisches Werbegetrommel. Es besitzt aber ebenso eine Reihe recht informativer Momente. Darüber hinaus sind besonders die „Deleted and Extended Scenes“ interessant, die man jedoch leider nur in 2D anschauen kann. Dafür finden sich als Appetizer noch immerhin vier Musketier-Trailer in 3D sowie neun weitere als Constantin-Eigenwerbung, von denen wiederum vier ebenfalls in 3D vorliegen. In der BD/DVD-Empfehlung gibt’s als netten Appetizer den 3D-Trailer zu Wickie auf großer Fahrt.
Wer darüber hinaus noch tiefer hinter die Kulissen gucken möchte, der ist mit der im Fokus dieses Artikels stehenden Doppel-Disc-Premium-Edition im Pappschuber besser bedient. Hier geht es auf der zweiten Disc weiter mit einer kompletten 2D-Präsentation des Films als Special-Picture-in-Picture-Version, in der wertvolle Einblicke in den Produktionsprozess gegeben werden. Unter den sonst noch im Angebot befindlichen Doku-Segmenten sind besonders erwähnenswert: „Stunts & Fights“ (rund 8 Minuten), „Locations“ (rund 14 Minuten), „Set Tour“ (ca. 13 Minuten) und besonders für die 3D-Interessierten „3D-Arbeit“ (rund 9 Minuten). Und wer die in derartigen Boni-Kollektionen geläufigen Interview-Ausschnitte mit den Stars und Machern des Films mag, der kann sich daran zusätzlich über knapp 50 Minuten gütlich tun.
Die Filmmusik
Der 1962 in Linz geborene Paul Haslinger (ehedem Mitglied bei „Tangerine Dream“) hat bei Freunden sinfonischer Filmmusik bislang eher keinen guten Ruf. Ob er diesen nun mit seinem Zimmer-typischen Klanggebräu zu den Drei Musketieren entscheidend wird verbessern können, sei dahingestellt. Immerhin ist die stark Temptrack-verdächtige Klangmixtur in Teilen sogar ganz spaßig anzuhören, lugen hier doch unüberhörbar die Piraten aus Fluch der Karibik dreist grinsend durch die Noten. Und auch ansonsten wird „gezimmert“, dass sich die Balken biegen.
Auf dem Label „Königskinder Music“ ist eine rund dreiviertelstündige, repräsentative Musikzusammenstellung als Download, aber auch als klassisches CD-Album verfügbar. Mit von der Partie ist natürlich der auch hier das Schlusslicht bildende, über die End-Credits gelegte Song von Take That, „When We Were Young“.
Fazit: Zweifellos steht beim 2011er Die drei Musketiere die Effekt- und Leistungsshow im Vordergrund, Tiefgang ist nicht vorgesehen. Trotzdem! Wer Kino auch mal als nur actionreichen und bildgewaltigen Nonsens akzeptieren, also primär mit dem Auge genießen mag, der kommt auf seine Kosten. Das gilt zwar auch für die 2D-Fassung, aber ganz besonders für die reizvollere 3D-Version. Mit etwas augenzwinkerndem Rückenwind halte ich für Andersons Die drei Musketiere dreieinhalb Cinemusic.de-Popcorn-Sternlein und damit für den reinen Unterhaltungswert ein Quäntchen mehr als nur die ganz „kleine Empfehlung“ vertretbar. Die durchweg eindrucksvoll als Kulissen dienenden bayerischen Drehorte werden geschickt und zugleich werbewirksam zur Schau gestellt. Das macht nicht nur einen Teil des Reizes des Films aus. Es soll und wird diese architektonischen Perlen des Freistaates, der ebenso an der Finanzierung des Filmes beteiligt war, auch international bekannter machen und dürfte ihnen vermehrt internationale Gäste bescheren.
Die Präsentation in Bild und Ton ist sehr gut und liegt in Teilen sogar auf Referenzklasse-Niveau. Mit den Boni kann man ebenfalls sehr zufrieden sein. Diejenigen, die sich über festsitzende, die Optik beeinträchtigende FSK-Logos ärgern, sind übrigens gerade mit der Premium-Edition optimal beraten. Bei dieser ist selbiges nämlich ausschließlich auf einem zusätzlichen, abnehmbaren Mini-Pappschuber vertreten.
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