Die Geschichte vom ältesten Freund des Menschen: Das Eiszeitabenteuer Alpha von Albert Hughes
Regisseur Albert Hughes (From Hell, The Book of Eli), der hier erstmals ohne seinen Zwillingsbruder Allen arbeitete, platziert seine Filmstory zur interessanten Frage, wie Mensch und Wolf zueinander fanden und daraus schließlich der Hund als treuer Gefährte resultierte, im kältesten Abschnitt der letzten Eiszeit, etwa zwischen 22.000 und 17.000 vor Christus. Für den jungen Keda wird seine erste Teilnahme an der für das Überleben seiner kleinen Stammesgruppe im bevorstehenden Winter so entscheidenden Büffeljagd zum Desaster. Er stürzt dabei nämlich mit in den Abgrund, in welchen Teile einer Büffelherde gezielt getrieben werden. Die Mitglieder seiner Gruppe halten den in unerreichbarer Entfernung auf einem Felsvorsprung reglos Daliegenden für tot und lassen ihn schließlich zurück. Doch Keda erlangt wieder das Bewusstsein, und es gelingt ihm unter großen Mühen sogar, die Talsohle zu erreichen sowie sich einen lädierten Fuß selbst wieder einzurenken. Was darauf folgt, ist eine Odyssee, durch eine gefahrvolle, in vielem lebensfeindliche Natur, bei der es zu einer folgenschweren Auseinandersetzung mit Wölfen kommt, bei der es der Junge nicht über’s Herz bringt, ein verletztes Tier zu töten oder einfach seinem Schicksal zu überlassen. Die erfolgende Annäherung zwischen Wolf und Mensch wird die Zukunft nachhaltig beeinflussen.
Gedreht worden ist im kanadischen British Columbia, Alberta und Island, wobei die Landschaften mit dem PC nachbearbeitet worden sind. So dient in einigen Szenen das kanadische Alberta als Vordergrund, aber der Hintergrund ist isländisch. Sicherlich vermag man dabei bei sehr sorgfältigem Hinsehen mitunter dezent (!) die Trennlinien zu erahnen. Trotzdem sind mir die Landschaftsbilder selbst auf der großen Kinoleinwand längst nicht derart künstlich erschienen, wie dazu verschiedentlich angemerkt wird. Martin Gschlacht, der Mann hinter der Kamera, hat alles in packenden Bildern von zum Teil atemberaubender Schönheit eingefangen. Bemerkenswert ist dabei auch das sehr hochwertige 3D, in welchem ich den Film auf großer Kinoleinwand gesehen habe. Da ist es schon unverständlich, dass Sony Pictures Entertainment dem offenbar an den Kinokassen nur wenig erfolgreichen Film nicht auch ein 3D-Bluray-Release gegönnt hat.
Interessanterweise wird nur in der Original-Fassung ein urtümlicher „Stammesdialekt“ gesprochen, eine von der Anthropologin Christine Schreyer für Alpha speziell entwickelte Ur-Sprache mit rund 2000 Wörtern. Damit drängt sich der Vergleich mit dem einzigen absolut herausragenden Urzeitkinoabenteuer der bisherigen Kinogeschichte auf: Jean-Jaques Annauds meisterlicher La Guerre du feu * Am Anfang war das Feuer (1981) – Felix Randaus ebenfalls sehenswertes, allerdings kleinformatiges Ötzi-Drama, Der Mann aus dem Eis (2017), soll an dieser Stelle zumindest mit erwähnt werden. Mit Hilfe der Untertitel entsteht so ein merklich authentischeres, deutlich intensiveres Kinoerlebnis. Im Vergleich zu Annauds Film ist das hier Gesprochene in Teilen schon deutlich komplexer und daher ohne zusätzliche Untertitel nicht eindeutig vermittelbar, etwa wenn Kedas Mutter gegenüber ihrem Mann die Befürchtung äußert, dass der eher sanfte Junge, der durch sein Herz, nicht durch den Speer führe, den bevorstehenden Herausforderungen nicht gewachsen sei. Warum man allerdings hierzulande offenbar gemeint hat, Ursprache inkl. Untertitel könnten Teile des Publikums irritieren, und komplett deutsch synchronisiert hat, erschließt sich mir jedoch nicht, denn immerhin ist der Film nicht mit FSK 6, sondern mit FSK 12 versehen.
Kodi Smit-McPhee als Keda, Sohn des von Jóhannes Haukur Jóhannesson verkörperten Stammesführers Tau, und Natassia Malthe als seine Mutter Rho wirken in ihrer menschlich warmen Darstellung besonders überzeugend, auch wenn in Verbindung mit der etwas zu gepflegt wirkenden Bekleidung sowie der makellos glatten Haut der Gesichter so Manches eben schon etwas zu modern erscheint. Daran vermag auch die Bemerkung Kedas, wenn ihn sein Vater in den Arm nimmt, „Du stinkst schlimmer als ein totes Tier“, nur wenig zu ändern. Natürlich weiß man nicht, wie sich der Umgang zwischen den frühen Exemplaren der Spezies Mensch von dem der Heutigen unterschieden hat, da es dazu keinerlei Überlieferungen gibt. Hier kann man einzig anhand von Rückschlüssen aus der ethnologischen Beobachtung heutiger archaischer Kulturen Vermutungen anstellen. Aber auch wenn Alpha auf deftige Urzeit-Sexeinlagen wie in Am Anfang war das Feuer komplett verzichtet und ebenso die Gewaltmomente deutlich reduzierter ausfallen, ein eventuell an Disney gemahnender Kuschelfilm ist das eindeutig auch auf jüngere Zuschauer abzielende Urzeitspektakel ganz gewiss nicht.
Was Annauds Am Anfang war das Feuer gegenüber Alpha schon eindeutig besser, im Sinne von überzeugender macht, das ist der ausgeprägte, fast schon quasi dokumentarisch und damit „authentisch“ wirkende Touch des Gezeigten. Dieser rührt auch mit daher, dass sich das Drehbuch nur einzelne unglaubwürdige Schnitzer gestattet, welche sich bei Alpha hingegen in relativer Häufigkeit finden: Dies beginnt bereits mit der auf den Absturz Kedas bei der Büffelstampede in einen schaurig tief erscheinenden Abgrund folgenden, geradezu wundersamen Rettung. Auch die anschließende mühevolle Odyssee zurück zu seinem Stamm hat einige Logiklöcher im Gepäck, die von der insgesamt eindrucksvollen Optik des Gezeigten nur bedingt kaschiert werden können. Hier muss sich Hughes Film also mit gebührendem Abstand hinter dem von Annaud einordnen, aber man sollte hier auch nicht allzu streng sein und das Grundanliegen eines Films, der kommerziell erfolgreich sein will, komplett ausblenden, nämlich für ein möglichst breites Publikum eine visuell eindrucksvolle, kurzweilige Unterhaltung zu bieten. Schließlich ist ja bereits das Szenario, wie der Mensch über den Wolf schließlich auf den Hund gekommen sei, nicht im Sinne einer Dokumentation mit Spielszenen, sondern kinogerecht in ein rein fiktives Drehbuch verpackt. Trotzdem ist so Manches in dieser sehr emotional angelegten Hundegeschichte, die partiell schon ein wenig wie Lassie vor 20.000 Jahren anmutet – wie ein Crewmitglied im Bonusmaterial augenzwinkernd anmerkt – nicht allein bildgewaltig in Szene gesetzt, sondern auch durchaus anrührend und gelungen unterhaltend geraten. Und das liegt auch mit an Chuck, dem tschechischen Wolfshund, der drolligerweise aus Frankreich stammt. Chuck wurde so trainiert, dass er Keda anfänglich noch furchteinflößend wie ein Wolf anknurrt, aber im Laufe der gemeinsamen Reise eben auch langsam zunehmend dessen Nähe sucht. In einer besonders fesselnden (in 3D fantastisch aussehenden) Szene rettet er Keda, der in einem zugefrorenen See eingebrochen und unter das Eis geraten ist das Leben. An dieser besonders frostigen Stelle erinnert Alpha gar ein bisschen an das atmosphärisch faszinierende und brillant bebilderte, allerdings abgrundtief brutale Survival-(Western-)Drama The Revenant – Der Rückkehrer (2016) von Alejandro González Iñárritu.
Die Filmmusik von Michael Stearns und Joseph S. DeBeasi hat hingegen als schlichter, eher blass vor sich hin wummernder Zimmerklon kaum Bemerkenswertes im Gepäck und vermag es daher kaum, positiv im Gedächtnis zu bleiben.
Alpha leider „nur“ in 2D auf Blu-ray
Die 2D-BD wird als übliches Amaray-Set vertrieben.
Bild, Ton & Extras
Das Bild im Scopeformat sieht prima aus. Dank des guten Kontrasts und knackigen Schwarzwertes ist es sehr detailfreudig, wartet zudem mit sorgfältiger Tiefenstaffelung auf und ist überhaupt fast durchweg von erstklassiger, nahezu Referenzqualität. Die häufiger dezent gefilterten Farben werden meist satt dargestellt und die meist tadellose Schärfe bereitet ebenfalls Vergnügen.
Der den Filmbildern unterlegte Ton, vorliegend jeweils als DTS-HD Master Audio 5.1, ist in den Schlüsselmomenten auf sämtlichen Kanälen aktiv, wobei bei der Mischung des Surround-Klangfeldes erfreulicherweise auch auf sehr fein akzentuierte Effekte Wert gelegt worden ist.
Die Boni sind sehr respektabel. Über insgesamt rund 30 Minuten erhält der Zuschauer eine Reihe nicht zu werbelastige, sondern überwiegend interessante Hintergrundinformationen zur Produktion. Im Angebot sind: „Entfallene Szenen mit Kommentaren des Regisseurs“ (9:09 min.), „Junge & Wolf“ (4:56 min.), „Aufbau der Welt“ (7:34 min.), „Die Reise eines Helden“ (4:55 min.) sowie „Chuck kennenlernen: Der Wolf hinter Alpha“ (2:14 min.). Im Zusammenhang mit den vertretenen beiden alternativen Schnittfassungen, Kinofassung & Director’s Cut, sind die „Entfallenen Szenen mit Kommentaren des Regisseurs“ besonders bemerkenswert. Dass zu sämtlichen Materialien der Edition solide deutschsprachige Untertitel wählbar sind, verdient es noch, erwähnt zu werden, da dies leider längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Kinoversion & Director’s Cut
Die Kinofassung mit einer Lauflänge von 1:36:31 und der nur in der (englischen) Originaltonfassung vorhandene Director’s Cut (1:35:20) unterscheiden sich zwar in der Länge nur geringfügig. Trotzdem erweist sich die Wahlmöglichkeit zwischen beiden Versionen als geradezu fundamentaler Pluspunkt der Heimkinoausgabe. Der Hauptunterschied liegt darin, dass die Kinofassung im Gegensatz zum chronologisch geschnittenen Director’s Cut direkt mit reißerischer Action (der Büffeljagd) beginnt und die Vorgeschichte dazu, auf dem Höhepunkt (Kedas Sturz in den Abgrund) innehaltend, im Rahmen einer Rückblende erzählt. Damit kann man zwar schon leben. Mir hat allerdings beim erneuten Sehen der im Sinne des klassischen Erzählkinos lineare, ruhige und mehr dokumentarisch gehaltene Einstieg in die Geschichte im Director’s Cut eindeutig mehr zugesagt als die zu sehr auf das moderne Actionkino schielende Montage der Kinoversion. Im Director’s Cut erfährt man zuerst etwas über die Hauptpersonen und ihre Beziehungen und erhält dabei auch Einblicke in die Vorbereitungen für die bevorstehende Jagd, deren Erfolg für das Überleben im nahenden Winter so entscheidend ist. Dabei wird auch herausgearbeitet welch herausgehobene Bedeutung das Führerprinzip, Hierarchien und archaische Rituale im damaligen Alltag besessen haben dürften (s.o.). Mit ihrer sich langsam steigernden Spannung besitzt sie m.E. ein Plus in Sachen überzeugender Atmosphäre und damit ein Quantum mehr an Authentizität, was die englische Tonspur mit der Ursprache (zu der erfreulicherweise ebenfalls deutschsprachige Untertitel abrufbar sind) noch zusätzlich verstärkt.
Bemerkenswert ist dabei auch noch, dass beide Schnittfassungen im Finale selbst in einer Szene mit identischer Schnittfolge eigene, deutlich anders gelagerte Akzente setzen. So begrüßt die Shamanin (Leonor Varela) die Welpen von Alpha im Director’s Cut mit „Du bringst uns das Geschenk des heulenden Biests der Nacht. Gesegnet sei der Tag, an dem sich Mensch und Biest vereinen.“ In der Kinofassung heißt es dagegen „Keda brachte Dich zu uns. Du bist nun Teil der Familie. Wir heißen dich in unserem Stamm willkommen.“ Dies hängt damit zusammen, dass die (schwer verletzte) Wölfin Alpha am Schluss des Films ursprünglich nach der Geburt der Welpen sterben sollte. Dieses Ende fand allerdings bei den Zuschauern der Previews mehrheitlich keine Zustimmung, obwohl es letztlich ein eindeutig glaubwürdigeres Finale als das der Kinofassung ist, wo man die heranwachsenden Welpen noch in einer kurzen Einstellung zusammen mit Alpha gezeigt bekommt. Im Director’s Cut fehlt diese Szene. Insofern lässt diese Fassung das weitere Schicksal von Alpha in der Schwebe, indem er dem Zuschauer die Interpretation überlässt. Mir hätte der ursprünglich vorgesehene Schluss eindeutig am besten gefallen und zwar zusammen mit einer der geschnittenen Szenen, wo Alpha als Stammesmitglied eine Feuerbestattung erhält und auch inklusive der der Schlusseinstellung (die nur schemenhaft dargestellte Stammesgruppe zieht zusammen mit diversen „Hunden“ auf die Jagd) vorgelagerten Szene mit den heranwachsenden Welpen – natürlich ohne Alpha.
Fazit: Trotz einiger konzeptioneller Schwächen ist Albert Hughes’ Alpha alles in allem eine sehr gelungene, in Teilen auch gerade für Hundefreunde knuffige Kinounterhaltung, die, ähnlich wie Jean Jaques Annauds Am Anfang war das Feuer (1981), eine packende, freilich fiktive Geschichte aus der Urzeit der menschlichen Rasse präsentiert. Bei der wiederholten Begegnung anhand der auf der Blu-ray-Edition vertretenen beiden alternativen Fassungen, Kinoversion & Director’s Cut, hat mir der durch die Urzeit-Sprache der Originalfassung teilweise in neuem Licht erscheinende Film sogar noch ein merkliches Quäntchen besser gefallen als beim bereits recht positiven Kinobesuch. Insofern ist die noch zusätzlich mit soliden Boni ausgestattete Blu-ray-Edition an sich tadellos. Einzig dass Sony Pictures Entertainment sich bisher nicht zu einer 3D-Veröffentlichung durchgerungen hat, bleibt ein echtes Ärgernis!
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.
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