Kleine Klassikwanderung 50, Teil 1

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
28. Mai 2012
Abgelegt unter:
Special

Schatzsucher jenseits der Charts — Chandos Records

50 sind zwar beileibe keine 100, aber doch immerhin die Hälfte des ganz großen Jubiläums und zugleich eine runde Zahl. Drum sollte der Artikel zum kleinen Jubiläum auch umfangreicher als gewöhnlich ausfallen. Dabei wieder einmal stärker auf Labels zu fokussieren, welche sich das Entdecken unbekannter Werke auf ihre Fahnen geschrieben haben, ist eh Programm und war damit naheliegend. Von diesen zählen Chandos Records, Classic Produktion Osnabrück (CPO) und Naxos zu den größten. Diese drei Label gehören dabei auch zu denen, welche die private Klassik-Kollektion des Verfassers von der Frühphase der CD bis heute besonders nachhaltig beeinflusst haben.

Aber was wünschenswert ist, ist schon aus Zeitgründen längst nicht immer machbar. So ist die KW 50 letztlich kein Artikel-Trio, sondern lediglich ein Duo geworden, das sich mit einer wiederum sehr persönlichen Auswahl aus dem großen Programmangebot von Chandos Records und CPO befasst (hier geht’s zu Teil 2 mit zahlreichen superben CPO-Entdeckungen).

Alben des Chandos-Labels stehen praktisch durchweg für vorzügliche Aufnahmetechnik im Verbund mit guten bis sehr guten und häufiger auch herausragenden Interpretationen. Die ausführlichen, in der Regel sehr informativen, dreisprachigen Begleithefttexte haben es grundsätzlich ebenfalls verdient, erwähnt zu werden.

Vincent d’Indy (1851-1931)

Die Reihe mit Musik des César-Franck-Schülers Vincent d’Indy zählt in meinen Augen zu den interessantesten Projekten, die das britische Label in den letzten Jahren in Angriff genommen hat. D’Indy, der 1894 die späterhin für ganz Europa so bedeutende Pariser Musikhochschule „Schola Cantorum“ mit begründete, ist in der Musikgeschichte erheblich stärker als bedeutender Lehrer verankert denn als bedeutender Komponist. Zu seinen zahlreichen Schülern zählten Albert Roussel, Erik Satie und Edgar Varèse.

01 CHANDOS; d'Indy, Vol. 1
02 CHANDOS; d'Indy, Vol. 2
03 CHANDOS; d'Indy, Vol. 3
04 CHANDOS; d'Indy, Vol. 4

Obwohl ein französischer Patriot, der im deutsch-französischen Krieg 1870/71 an der Verteidigung von Paris teilgenommen hatte, fühlte er sich von den von Deutschland ausgehenden spätromantischen Strömungen stark angezogen. So besuchte er 1873 Liszt in Weimar und 1876 die Premiere von Wagners „Der Ring des Nibelungen“ in Bayreuth. Das Bayreuth-Erlebnis machte ihn zum Wagnerianer. Aber schon bald treten zu den neudeutschen Einflüssen auch die elegant-schillernden Farben des französischen Impressionismus hinzu, und seine Orchestrierungen werden immer kunstvoller und feinsinniger.

Der bislang auf vier Alben angewachsene, den Orchesterwerken D’Indys gewidmete Chandos-Zyklus mit dem Island-Sinfonieorchester gibt dazu ambitioniert vorgetragene klingende Einblicke und erweist sich als eine fantastische Sache. Die Musiker aus dem kühlen Norden werden dieser vielfach stark impressionistisch gefärbten Musik vollkommen gerecht und legen sich unter der Leitung ihres Chefdirigenten (bis 2010) Rumon Gamba prächtig ins Zeug. Es gelingt ihnen anscheinend spielerisch, die mediterranen Klangfarben herrlich zum Glühen zu bringen.

Vol. 1, CHAN 10464: Die sinfonische Dichtung „La Forêt enchantée“, Op. 8 betont noch den versierten Wagnerianer. „Jour d’été à la montagne“, Op. 61 und „Souvenirs“, Op. 62 sind reife, instrumentatorisch besonders elegant ausgeführte Kompositionen. In Op. 61, „Sommertag in den Bergen“ entwirft der Komponist ein halbstündiges, sehr stimmungsvoll und abwechslungsreich gehaltenes, dabei betont impressionistisches Abbild seiner Heimatregion, der Ardèche. Im den Tagesanbruch verkündenden Trompetenruf, insbesondere aber in der formalen Struktur (in der Abenddämmerung passieren die zuvor vorgestellten Themen in umgekehrter Reihenfolge nochmals Revue) zeigt sich Verwandtschaft zu „Eine Alpensinfonie“, die Richard Strauss rund sechs Jahre später in Angriff nahm. Die wiederum brillant instrumentierten „Souvenirs“ entstanden als trauernder, dabei zugleich abgeklärt liebevoller Abgesang zum Andenken an seine 1906 überraschend verstorbene Frau Isabelle.

Vol. 2, CHAN 10514: Die charakteristisch aus zwei in allen vier Sätzen zyklisch zum Einsatz kommenden leitmotivischen Grundideen konzipierte Sinfonie Nr. 2, Op. 57 ist Paul Dukas gewidmet. „Tableaux de voyage“, Op. 36“ ist die Orchesterfassung von sechs Stücken des gleichnamigen 13-teiligen Klavierzyklus’. Der Komponist fasste hier Reiseeindrücke aus dem Schwarzwald und aus Tirol in Töne: zwar nicht unmittelbar erkennbar folkloristisch, aber kompositorisch dafür in jedem Fall raffiniert. „Karadec“, Op. 34 vereint drei Stücke aus einer Bühnenmusik zu einem längst vergessenen Schauspiel von André Alexandre. Das melodisch reizvolle Chanson des von sanften Flötensoli dominierten, betont lyrischen Mittelteils kontrastiert dabei elegant mit den temperamentvollen, leicht folkloristisch gefärbten Ecksätzen.

Vol. 3, CHAN 10585: „Ishtar“, Op. 42“ zählt zum Bekannteren des französischen Tonsetzers. Das reizvolle, vom Umfang mit rund 13 Minuten eher kleinere Werk präsentiert einen überaus kunstvoll ausgeführten Variationssatz in umgekehrter Abfolge, d. h. das bestimmende Thema erscheint erst ganz zum Schluss. Mit dem „Choral varié“, Op. 55 zeigt der Komponist, welches Ausdruckspotenzial das Saxophon innerhalb eines sinfonischen Klangkörpers zu entfalten vermag. Die 3. Sinfonie entstand 1916-18 und trägt den Beinamen „Kleine Sinfonie über den Gallischen Krieg“. So wirklich klein ist das sehr hörenswerte, immerhin rund 32 Minuten umfassende Werk nicht. Das Militaristische tritt in den rhythmisch betonten, marschartigen, aber von Holzbläsern anstelle des „teutonischen“ Blechs dominierten Passagen eher maßvoll in Erscheinung. „Diptyque méditerranéen“, Op. 87 uraufgeführt im Dezember 1926, ist das letzte Orchesterwerk d’Indys. Die beiden stärker neoklassizistisch klar gehaltenen Sätze reflektieren die mediterranen Stimmungen überaus delikat in gedämpft impressionistischen Klangfarben. Die kunstvolle Instrumentierung ermöglicht den beteiligten Solisten ein weiteres Mal ein virtuoses Wechsel- und Zusammenspiel, das stark an Debussy gemahnt.

Vol. 4, CHAN 10660: Zwischen der jugendlich stürmischen „Symphonie italienne“ und dem 1921 uraufgeführten Alterswerk „Poème des rivages“, Op. 77 liegen rund 50 Jahre. Das in vielem erstaunliche Frühwerk entstand als Reflex einer ausgiebigen, im Jahr 1869 unternommenen Italienrundreise und damit noch bevor der junge d’Indy bei César Franck Kompositionsunterricht erhielt. Es verweist nicht nur vom Namen her auf das Mendelssohn-Pendant. Es zeigt darüber hinaus neben dem Vorbild Beethovens und der deutschen Romantik (Schumann) auch betont auf Liszt und Wagner zurückzuführende Einflüsse. Jeder der vier Sätze charakterisiert mit beachtlichem Geschick eine italienische Metropole: Rom, Florenz, Venedig und Neapel. Das reizende wie aufschlussreiche Frühwerk blieb bis vor wenigen Jahren unveröffentlicht. Erst seit 2008 ist es dem Dornröschenschlaf entrissen. Das dagegen stark impressionistisch gefärbte „Poème des rivages“, Op. 77 belegt ein weiteres Mal die meisterliche Instrumentationskunst der Reifezeit eines ehedem viel gespielten, heutzutage unverständlicherweise vernachlässigten Komponisten, der zukünftig im Bewusstsein der Klassikliebhaber seinen verdienten Platz zwischen Ravel und Debussy einnehmen sollte.

Gustav Holst (1874-1934)

Begibt man sich abseits der in unübersehbarer Fülle angebotenen „Planeten“-Einspielungen auf Entdeckungsreise, tritt das Eigenwillige und Eigenständige, allerdings häufig eher schwierig mit Worten zu Beschreibende in der Musik von Gustav Holst umso deutlicher hervor. Chandos beauftragte Holst-Kenner Richard Hickox, die Orchesterwerke in besonders edler Form, mit Hilfe der hochauflösenden SACD-Technik, neu einzuspielen. Nachdem Hickox bei den Vorbereitungen zum Vol. 2 der Reihe unerwartet, im Alter von nur 60 Jahren, verstorben ist, hat sein Kollege Andrew Davis den Taktstock übernommen.

Man darf nicht übersehen, dass nur einige (frühe) Werke größer angelegte Kompositionen von spätromantischen Proportionen sind. „Die Planeten“ mit knapp einer Stunde Spieldauer zählen schon zum längsten im Holst’schen Œuvre. In den Kompositionen der Reifezeit tritt in zunehmendem Maße eine Sparsamkeit der eingesetzten Mittel und, damit einhergehend, auch eine Reduktion des Umfangs, eine zunehmende Konzentration auf das Wesentliche hervor. Das ist etwas, das gar ein wenig auf die Vertreter der Neuen Wiener Schule verweist. In diesem Punkt zeigt sich bei Holst, dem sein älterer Freund Ralph Vaughan Williams attestierte, er sei ein moderner Komponist, zumindest ein Aspekt, der in die Zukunft verweist.

05 CHANDOS; Holst, Vol. 1
08 CHANDOS; Holst, A Fugal Overture, Somerset Rhapsody etc
07 CHANDOS; Holst, St. Paul's Suite
06 CHANDOS; Holst, Vol. 2

Vol. 1, CHSA 5069 steigt mit echten Holst-Raritäten ein, in Form von vier Ballettkompositionen, die auf Schauspielmusik und Opern beruhen: zunächst das rhythmisch bewegte, effektvolle „The Perfect Fool“ sowie das ein wenig Strawinsky-Einflüsse („Petruschka“) spiegelnde „The Lure“. Diesen stehen zwei so genannte Chor-Ballette gegenüber: das Vaughan Williams nahestehende, pastoral-volkstümliche „The Golden Goose“ nach dem gleichnamigen Grimm’schen Märchen sowie das der English Folk Dance Society gewidmete „The Morning of the Year“. Gelegentlich werfen dabei einzelne klangliche Aspekte der „Planeten“-Suite auch mal dezente Schatten, z. B. im ausgiebigen, filigranen Einsatz der Celesta in „The Lure“. Richard Hickox dirigiert kompetent das BBC National Orchestra of Wales.

Vol. 2, CHSA 5086 startet mit delikater Exotik in der orientalischen Suite „Beni Mora“ und der dezent fernöstlich klingenden „Japanischen Suite“. Wobei im dritten Abschnitt von „Beni Mora“ eine viertaktige melodische Phrase 41 Wiederholungen erlebt, was auf den Ravel’schen Bolero vorausweist. Anschließend bereichert Andrew Davis mit dem BBC Philharmonic das Repertoire durch eine ansprechend klangsinnlich und effektsicher ausbalancierte weitere Interpretation des Holst’schen Schlachtrosses „Die Planeten“.

Hickox wie Davis gehen außerordentlich klangschön und stimmungsvoll an die Sache heran. Die das Klangbild hochauflösend abbildende SACD-Technik unterstützt dies durch perfekt plastisch ausgeleuchtete orchestrale Klangfarben sowie sehr dynamisch eingefangene Effekte und Steigerungen.

Bereits 1978 nahm Chandos das mit Abstand berühmteste Holst-Stück, „Die Planeten“, mit der noch im Experimentierstadium befindlichen neuen Digital-Technik auf. Schon seit langem hat sich Chandos dafür eingesetzt, dass Holst nicht dauerhaft als Ein-Werk-Komponist erscheint. Entsprechend verdienen es die beiden bereits Mitte der 90er Jahre aufgenommenen, ebenfalls sehr feinen, jeweils rund einstündigen Hickox-Kompilations-Alben, hier erwähnt zu werden.

CHAN 9270 wartet auf mit dem nur rund 15 Minuten dauernden, charmanten, neoklassizistischen Doppelkonzert für zwei Violinen und kleines Orchester. Das Interesse für die britische Volksmusik spiegelt sich in „Zwei Lieder ohne Worte“, der „Brook Green Suite“ und ebenso der bezaubernden „St. Paul’s Suite“, in deren Finale das bekannte Greensleeves originell gegen eine volkstümliche Tanzmelodie antritt. Beide Suiten entstanden zwar für das Juniororchester der St. Paul’s Girls School. Ebenso bemerkenswert ist das reizende, nur rund achtminütige, wiederum neoklassizistisch gefärbte „A Fugal Concerto“ für Flöte, Oboe und Streicher.

CHAN 9420 enthält weitere bemerkenswerte Werke kleineren Umfangs: die als Ouvertüre zur Oper „The Perfect Fool“ (s. o.) gedachte, sehr bewegte „A Fugal Overture“ und die wiederum folkloristisch geprägte „A Somerset Rhapsody“. Daneben stehen interessante Kompositionen im kargen Spätstil des reifen Komponisten — Musik, die von seiner Auseinandersetzung mit indischer Philosophie beeinflusst ist: Die jeweils rund viertelstündigen Stücke „Hammersmith“ und „Edgon Heath“ zeigen einen Holst, der mit den schwelgerischen Klängen von „Die Planeten“ nichts mehr gemein hat. Hier findet man eine im Ausdruck völlig unspektakuläre, eher statische Musik, deren Reize sich erst bei eingehenderem Hören offenbaren. Das „Scherzo“ als einziger Satz einer nicht weiter ausgeführten Sinfonie ist das letzte Orchesterwerk des Briten.

Johan Halvorsen (1864-1935)

Nach den beiden Vorläuferalben (vorgestellt in KW 48) ist die ebenfalls feine Reihe mit Orchesterwerken des „bestgehüteten Geheimnisses Norwegens“, Johan Halvorsen, inzwischen mit dem fast noch pressfrischen Vol. 4 abgeschlossen worden.

09 CHANDOS-Halvorsen, Vol. 3Vol. 3, CHAN 10664 rundet erfreulicherweise das Sinfonien-Tripel des Norweger mit der Nr. 3 ab, welche der Komponist als eine Sinfonie mit lyrischem Akzent, versehen mit vielen eigentümlichen Dingen beschrieb. Wie das genau verstanden werden soll, ist letztlich eher unbedeutend, begegnet man doch auch in der Dritten einem sehr klangschönen, melodisch inspiriertem, frisch erscheinenden Werk. Neeme Järvi hat für die vorliegende Einspielung interessanterweise im Finale den vom Komponisten vor der Veröffentlichung entfernten Einsatz des Glockenspiels wieder eingefügt. Aus dem umfangreichen Schaffen an Bühnenmusiken präsentiert Vol. 3 außerdem die Suite aus der Bühnenmusik „Fossegrimen“, wo der sehr volkstümliche Tonfall durch den virtuosen Einsatz der Hardanger-Fiedel besonders wirkungsvoll unterstrichen wird. Im Übrigen finden sich eine Reihe wirkungsvoller, da in der Form souverän gestalteter und ebenso geschickt instrumentierter Gelegenheitskompositionen, wie den nach einer traditionellen Volksweise komponierten, unmittelbar ins Ohr gehenden „Bryllupsmarsch“ (Hochzeitsmarsch), das impressionistisch gefärbte, etwas geheimnisvoll anmutende „Sorte Svaner“ (Schwarze Schwäne) sowie das überaus spritzige, originell instrumentierte „Bergensiana — Rokokovariationen über eine alte Melodie aus Bergen“, wo es sogar eine italienische Variation mit Mandoline gibt.

10 CHANDOS-Halvorsen, Vol. 4Vol. 4, CHAN 10710 Das den kleinen Halvorsen-Zyklus abschließende Album legt da nochmals fein nach mit vergleichbar effektvollen Piècen, wie die von Liszt angeregten, auf Volksweisen basierenden „Norwegischen Orchester-Rhapsodien Nr. 1 & 2“. Desweiteren sind vertreten: die Orchestrierung von Griegs „Norwegischer Brautprozession“, die ein klein wenig an das berühmteste Halvorsen-Stück, „Einzug der Bojaren“, erinnernde exotische „Tanzszene“, komponiert für das Theaterstück „Königin Tamara“, und die mit prachtvollen Fanfaren geschmückte „Norwegische Festouvertüre“. Das klingende Schlusswort bilden die „Norwegischen Märchenbilder“, die in ihrer charmanten Programmatik ein Pendant zu Ravels „Mutter Gans“ sind. All diese effektvolle Musik ist vorzüglich aufgenommen und wird spielfreudig und präzise dargeboten von den mit leuchtkräftigen Bläsern und geschmeidigem Streicherklang aufwartenden Bergener Philharmonikern unter Neeme Järvi.

Alfredo Casella (1883-1947)

11 CHANDOS-Casella, Vol. 1, Sinfonie Nr. 2Dass Italien das Land der Oper ist, weiß wohl jeder Freund klassischer Musik. Dass es auch in Italien Komponisten gab und gibt, die sich dem Operndiktat verweigerten und sich zumindest phasenweise verstärkt auch einem sinfonischen Schaffen widmeten, zählt dagegen nicht zum Allgemeingut. Gianandrea Noseda und die Musiker des BBC Philharmonic Orchestra spüren einem Vertreter dieser Zunft nach: Alfredo Casella. Der aus Turin stammende Casella ging bereits mit 13 Jahren ans Pariser Konservatorium, wo er, unterrichtet von Gabriel Fauré, zusammen mit Maurice Ravel und George Enescu eine Komponistenausbildung der Topklasse genoss. In Casellas äußerst vielseitiger Musik spiegelt sich viel von den stilistischen Strömungen der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Dabei ist zwar auch der Impressionismus zu nennen, aber ebenso Einflüsse der russischen Nationalisten und nicht zuletzt vom ihn so faszinierenden Gustav Mahler, dem gegenüber Casella, als er ihn 1909 in Paris kennen lernte, bemerkte, seine Sinfonien auswendig zu kennen.

Vol. 1, CHAN 10605 koppelt die großformatige, weniger stilistisch als klanglich in Mahler’sche Dimensionen vorstoßende 2. Sinfonie kontrastreich mit der neoklassizistisch und virtuos gefärbten „Scarlattiana“, einem virtuosen „Divertimento nach Themen von Domenico Scarlatti“ (Martin Roscoe, Klavier). Die Zweite bietet farbenfrohe wie leidenschaftliche und leuchtkräftige Musik von spätromantischem Ausdruck, und anschließend geht es deutlich anders gelagert, aber ebenso ansprechend etwa auf der Linie von Strawinskys „Pulcinella“ mit der „Scarlattiana“ in die zweite Runde.

12 CHANDOS-Casella, Vol. 2, Concerto for OrchestraVol. 2, CHAN 10712 präsentiert als Ersteinspielung das 1937 entstandene, Willem Mengelberg gewidmete „Konzert für Orchester“, das ebenfalls aus der neoklassizistischen Phase stammt und in seiner relativen Strenge im Ausdruck ein entscheidendes Vorbild in Hindemiths gleichnamigem Werk aus dem Jahr 1925 besitzt. Darauf folgt das dunkle, magisch erscheinende Nachtstück aus Casellas impressionistischer Phase, „A Notte Alta (In tiefer Nacht)“, mit wiederum Martin Roscoe am Klavier. Zum Abschluss gibt es klingende Einblicke in das sich erst späterhin einstellende Bühneninteresse des Komponisten, mit den lebendigen wie farbigen Sinfonischen Fragmenten aus der Oper „La donna serpente“ (Die Schlangenfrau).

Beide Alben warten mit impulsiv-mitreißenden Darbietungen auf. Diese sind aufnahmetechnisch ebenso superb geraten. Mit Casella haben die Schatzgräber von Chandos 2010 wiederum ein Fass mit vorzüglichem Inhalt geöffnet. Wie es weitergeht, bleibt spannend.

Richard Wagner (1813-1883)

Neeme Järvi und das Royal Scottish National Orchestra. Das ruft beim Schreiber Erinnerungen wach an die ersten Begegnungen mit dem Chandos-Label, mit den mitreißenden Einspielungen der Opern-Orchester-Suiten Rimsky-Korsakows und ebenso dem faszinierenden Prokofjew-Sinfonien-Zyklus. Järvi und das schottische Orchester treten erneut auf den Plan und haben sich jetzt bei Wagner (ohne Worte) auf die Suche begeben. Im Zentrum der mittlerweile auf fünf Alben angewachsenen Reihe stehen die Wagner-Opern-Orchesterbearbeitungen von Henk de Vlieger — Perkussionist der niederländischen Radiophilharmonie. Neu sind derartige Bearbeitungen freilich nicht: z. B. die „Symphonischen Synthesen“ Leopold Stokowskis, Lorin Maazels „Ring ohne Worte“ oder mal überraschend anders, nämlich vom Organisten Hansjörg Albrecht aufbereitet zu „Der Ring — An Organ Transcription“.

De Vliegers Intention war lt. Begleitheft, die musikalischen Höhepunkte nicht als Abfolge einzelner Stücke zu präsentieren, sondern sie, im Sinne eines zusammenhängenden instrumentalen Dramas, zu einer Art Opern-Sinfonie miteinander zu verbinden: „Der Ring, ein orchestrales Abenteuer“ (CHSA 5060), „Tristan und Isolde, eine orchestrale Passion“ (CHSA 5087), und „Parsifal, eine orchestrale Gralssuche“ (CHSA 5077) stammen aus den 90er Jahren und rufen das BMG-Album-Tripel unter Edo de Waart (erschienen 1997) in Erinnerung. „Die Meistersinger, ein orchestraler Tribut“ (CHSA 5092) entstand 2005. Inwieweit de Vliegers zweifellos feinsinnige Bearbeitungen seiner Intention gerecht werden, das mag jeder für sich entscheiden. Für mich hat beispielsweise gerade der Meistersinger-Tribut doch merklichen Potpourri-Charakter, freilich ohne dass mich dies nun stört. Auch das im Begleithefttext quasi aufgestellte „Reinheitsgebot“, es wären keine hinzukomponierten Noten (Überleitungen) eingefügt, es handle sich daher um genuinen Wagner, empfinde ich als mehr werbewirksam denn als wirklich zwingend — immer vorausgesetzt, dass Derartiges mit versierter Hand geschieht. Auch könnte man darüber diskutieren, dass in de Vliegers Extrakten hier und da auch interessante Musikteile fehlen. So ist z. B. bei den Meistersingern keinerlei Musik aus dem zweiten Akt vertreten, und warum sind im Ring-Abenteuer nicht die so faszinierend auf die Klangwelten Bernard Herrmanns verweisenden Orchestervorspiele aus „Siegfried“ und nicht einmal der so ungemein effektvolle Gewitterzauber aus „Das Rheingold“ integriert?

Entsprechend werden auch zukünftig andere Zusammenstellungen orchestraler Exzerpte (etwa die fantastisch musizierten orchestralen Auszüge aus dem Ring mit den Wiener Philharmonikern unter Georg Solti) oder auch die oben erwähnte Orgel-Transkription nicht in die hinterste Ecke meiner Kollektion verdammt: Das eine zu tun, heißt ja nicht zwangsläufig, dass man das andere lassen muss.

13 CHANDOS; Wagner-Järvi, The Ring
14 CHANDOS; Wagner-Järvi, Parsifal
16 CHANDOS; Wagner-Järvi, Meistersinger
17 CHANDOS; Wagner-Järvi, Two Symphonies

15 CHANDOS; Wagner-Järvi, Tristan und Isolde

Wie auch immer. Neeme Järvi und die schottischen Musiker gestalten de Vliegers insgesamt schon überzeugende Sicht auf Wagners Opernwerke zum klangsinnlichen, glanzvollen orchestralen Fest. Man ist zügig, mit sehr straffen Tempi (fast immer ein merkliches Tickchen schneller als Edo de Waart) an die Sache herangegangen, erfreulicherweise ohne dass der Eindruck von übertriebener Eile entsteht. Es wird äußerst präzise und deutlich intoniert und überhaupt klangschön musiziert. Das lässt die einzelnen Orchesterstimmen und damit auch die Kontrapunktik elegant deutlich werden. Die zwischen 45 und 60 Minuten umfassenden „Opern-Sinfonien“ erscheinen so besonders aufgelockert und luftig, da sie jeden Anschein von Behäbigkeit konsequent vermeiden. Järvi sorgt im wohlorganisierten Ablauf zudem gekonnt für musikalische Spannungsbögen. Das auf Hochglanz polierte Orchesterspiel des in allen Sektionen vorzüglich disponiert wirkenden RSNO ist beeindruckend, wobei die bei Wagner so essentielle Bläsersektion besonders brillant hervortritt. Und die Chandos-typische, auch dieses Mal erstklassige SACD-Aufnahmetechnik hat den komplexen Klang (auch im CD-Abspielmodus) brillant aufgefächert.

Hier mag nicht nur derjenige beim Musikdramatiker Wagner einsteigen, der vor einer vier- bis fünf-stündigen Opernaufführung zurückschreckt. Zu derartig gekonnt organisierten und dabei auch überschaubar proportionierten musikalischen Konzentraten dürfte so mancher gern auch mal zwischendurch und damit häufiger greifen als zur jeweiligen Operngesamtaufnahme. Letzteres gilt ganz besonders, wenn er mehr von der Sinfonik her kommt. Und last but not least erhält hier auch der Filmmusikfreund ein exzellentes Kompendium orchestraler Standards, die für die Entwicklung der Musik der tönenden Leinwand unverzichtbar gewesen sind.

Die Chandos-Reihe ist aber auch durch die vertretenen Zugaben nicht nur spielzeitmäßig attraktiv bestückt. Abseits einiger mehr oder weniger geläufiger Opern-Vorspiele (z. B. „Lohengrin“, „Die Feen“) und dem das Ring-Abenteuer stimmig ergänzenden Siegfried-Idyll sind Stücke versammelt, die man live kaum zu hören kriegt. Es ist einfach interessant, einmal frühe Entwürfe des gerade in seinen 20ern angelangten jungen Komponisten zu hören, wie die den Meistersingern zur Seite gestellten „Deux Entractes tragiques“, die wiederum Henk de Vlieger fertig orchestriert hat, oder auch die ebenfalls als Bühnenmusik gedachte „Ouvertüre zu Columbus“.

Das jüngste Album der 2008 begonnenen Reihe, „Two Symphonies“ (CHSA 5097), besteht sogar ausschließlich aus derartigen Raritäten. Nur die 1832 entstandene Sinfonie in C-Dur wurde vollendet. Der darauf folgende E-Dur-Sinfonie-Entwurf blieb Fragment, aus dem der Dirigent Felix Mottl auf Wunsch von Cosima Wagner eine aufführbare Fassung erstellt hat. Neben der Ouvertüre zu „Rienzi“ bringen der dem Bayernkönig gewidmete „Huldigungsmarsch“ und der anlässlich der Reichsgründung 1871 entstandene „Kaisermarsch“ die feine Zusammenstellung auf rund 80 Minuten Spieldauer.

Für das Repertoire besitzen sowohl die noch stark unter dem Einfluss Webers und Beethovens stehenden Einblicke in Wagners Frühphase wie auch die beiden Festmärsche keine besondere Bedeutung. Aber auch Kuriositäten in derart feiner Darbietung hören zu können, das ist zweifellos eine feine und wertvolle Sache.

The Film Music of Arthur Benjamin & Leighton Lucas

Diese jüngste Veröffentlichung der renommierten Reihe CHANDOS-MOVIES (CHAN 10713) bildet das (film-)musikalische Schlusslicht des 1. Teils von KW 50. Filmmusiken von Arthur Benjamin (1893-1960) und Leighton Lucas (1903-1982), gegeben vom exzellenten BBC National Orchestra of Wales unter der bewährten Leitung von Rumon Gamba. Beide Komponisten sind hierzulande praktisch gar nicht, und selbst in Großbritannien eher wenig bekannt. Der gebürtige Australier Benjamin ist in erster Linie den Light-Music-Liebhabern über die gefällige „Jamaican Rumba“ als Ein-Werk-Komponist geläufig. Leighton hingegen zählt selbst in seiner britischen Heimat zu den nahezu vergessenen Komponisten.
Beide Tonsetzer erweisen sich im vorliegenden, knapp 70 Minuten umfassenden Programm als äußerst solider, wertvoller Teil der spätromantischen britischen Musiktradition und stehen einander stilistisch recht nahe. Was es hier zu hören gibt, ist handwerklich äußerst versiert ausgeführt und entsprechend von Beherrschung der Formen bestimmt. Darunter findet sich zugleich so manche inspirierte Melodie und prächtig klingende Passage, die sich vor Hollywood nicht zu verstecken braucht.

Die beiden Tänze Arthur Benjamins (Walzer und Hyde-Park-Galopp) aus der Musik zur gesellschaftskritischen Alexander-Korda-Komödie An Ideal HusbandEin idealer Gatte (1947) nach Oscar Wilde klingen so, als läge London nicht an der Themse, sondern an der schönen blauen Donau. Bernard Herrmann hat diese beiden überaus charmanten Stücke bereits in den 1970ern im Rahmen seiner Londoner Decca-Aufnahmen eingespielt. Das unmittelbar vertrauteste Stück des Albums ist wohl die kleine Suite aus The Dam Busters • Mai’43 Die Zerstörung der Talsperren (1954) — der Film wurde bei uns erstmalig 1974 im ZDF gezeigt. Doch Vorsicht! Das bekannte britische Marschthema stammt von Eric Coates und ist von Leighton auftragsgemäß in die Komposition eingearbeitet worden. Das unmittelbar eingängige Coates-Thema tritt dabei im Wechselspiel und auch kontrapunktisch verknüpft mit einem insbesondere auf den zweiten „Hörblick“ ebenfalls feinen Thema Leightons auf.

Bereits 1993 hat Elmer Bernstein auf dem Milan-Sampler „Bernard Herrmann Film Scores — From Citizen Kane to Taxi Driver“ die Benjamin-Kantate „The Storm Clouds“ vorgelegt, die in beiden Versionen des Hitchcock-Films The Man Who Knew Too Much • Der Mann, der zuviel wusste (1934 & 1956) verwendet worden ist. Die aktuelle Version unter Gambas Leitung besitzt jedoch noch eine deutliche Portion mehr an Biss und schneidet daher eindeutig besser ab — im Begleitheft findet sich übrigens der Kantatentext, sogar in Deutsch. Einziger kleiner Schwachpunkt ist die Besetzung des Parts der Mezzo-Sopranistin mit Abigail Sara. Glücklicherweise ist deren schon recht flach und dünn klingender Soloauftritt bereits nach rund 40 Sekunden vorüber: Also, Schwamm drüber!

Das übrige Material des Chandos-Samplers ist, abgesehen von einzelnen in den 50ern veröffentlichten Themen, komplett neu. Die Suite aus Benjamins Musik zum Dokumentarfilm The Conquest of Everest (1953) zelebriert die Gipfelbesteigung stimmig zum Krönungsjahr von Elisabeth II. mit majestätischen Fanfaren und einem breit ausschwingenden, prächtigen Gipfelthema.

Alle übrigen Kompositionen stammen von Lucas Leighton. Stage Fright • Die rote Lola (1950) zählt zu den blasseren Werken Alfred Hitchcocks und wird daher eher selten aus dem Fundus hervorgeholt. Hörenswert ist daraus die kleine im Stil des berühmten „Warschauer Konzerts“ von Richard Addinsell gehaltene „Rhapsody“. Die Musik zum 1950er Portrait of Clare besteht durchweg aus Adaptionen kleinerer Stücke von Komponisten des 19. Jahrhunderts. Hier ist Leightons geschmackvolles Orchesterarrangement von Robert Schumanns „Widmung“ aus dem Liederzyklus „Myrthen“ zu hören.

Die beiden recht ansehnlichen Kriegsfilme Yangtse Incident und Ice Cold in Alex sind hierzulande leider nahezu unbekannt. Yangtse Incident • Yangtse-Zwischenfall (1957) thematisiert einen Vorfall aus dem chinesischen Bürgerkrieg (1927-1949). Die britische Fregatte HMS Amethyst wurde am 20. April 1949 auf der Fahrt von Shanghai flussaufwärts nach Nanking durch kommunistische Artillerie schwer beschädigt und strandete in der Flußmitte. Der Vorfall wurde zum weltpolitischen Pokerspiel, das rund drei Monate andauerte. In einer Neumondnacht bei Hochwasser gelang es der geschrumpften Besatzung schließlich, das angeschlagene Schiff unter der Führung des zweiten Offiziers aus eigener Kraft zu befreien, zu wenden und trotz der Versuche der Mao-Truppen, seiner erneut habhaft zu werden, wieder zurück nach Shanghai zu gelangen. Das rund siebenminütige „Porträt der Amethyst“ ist British-Light-Music par excellence. Zuerst erklingt das sehr eingängige Amethyst-Thema, das nach einer reizenden Hornpipe abschließend zum typisch britischen Marsch im Stile von Elgar oder Walton gestaltet wird.

Ice Cold in Alex • Eiskalt in Alexandrien — Feuersturm über Afrika (1958) schildert eine Episode aus dem Kampf um Tobruk im Jahr 1942. Eine kleine Sanitätsabteilung des britischen Militärs flüchtet aus der vor der Einnahme durch das deutsche Afrika-Korps stehenden Stadt und schlägt sich nach Alexandria durch. In der Gruppe agiert undercover ein deutscher Spion, der sich (für die 50er Jahre noch recht ungewöhnlich) als Good Enemy entpuppt, indem er sich um das Überleben aller entscheidend verdient macht. Bevor er am Schluss fast als Freund verabschiedet wird, um ehrenvoll in Gefangenschaft zu gehen, darf er mit den geretteten Briten gentlemen-like ein eiskaltes Bier trinken — worauf bereits der Filmtitel originell anspielt (siehe Cover-Motiv). Im dramatischen „Prelude“ zu Ice Cold in Alex macht der Komponist interessanterweise Gebrauch von der Holst’schen Mars-Rhythmik aus „Die Planeten“. Das sehr breit ausschwingende Liebesthema im Mittelteil hat wiederum Hollywoodqualitäten. Den Abschluss bildet auch hier ein feiner Marsch in bester britischer Tradition. Und exakt da knüpft dann auch nochmals das das Album beschließende „March-Prelude“ aus dem ebenfalls als Zeitdokument bemerkenswerten, 1941er Dokumentarfilm Target for Tonight an, in welchem die Vorbereitungen für einen nächtlichen Luftangriff auf Nazi-Deutschland detailliert beschrieben werden. Und damit es der Märsche, welche dem musikalischen Geschehen allerdings keine betont martialische Note verleihen, nicht doch zu viel wird, gibt es davor eine Suite aus der Musik zum 1953er Dokumentarfilm This Is York, deren Vorbilder z. B. bei Holst (s. o.), Vaughan Williams oder Bax zu finden sind. In dieser überaus lyrisch-pastoralen Vertonung mit Volksliedanklängen werden im zweiten Abschnitt auch die in den Bahnhof von York einfahrenden Züge charmant bildhaft illustriert.

Dank ihres gut fließenden, abwechslungsreichen Programms ist der Gesamteindruck, den diese CD hinterlässt, schlichtweg prima. Was man dezent anmerken muss, ist, dass das, was hier geboten wird, auf völlig vertrauten Pfaden daherkommt, also betont traditionell gehalten ist. Dabei kann freilich von handwerklich bieder nicht die Rede sein, vielmehr sind die Kompositionen überaus souverän und inspiriert ausgeführt. Zwar fehlt den Musiken ein wenig ein unverwechselbarer, markant klingender Personalstil, aber ausreichend farbig und abwechslungsreich sind sie trotzdem. Gerade derartige „Konfektionsware“ der Kategorie „edel“ ist zugleich etwas, das letztlich immer wieder gern gehört wird. Und da dürfte die vorliegende Zusammenstellung dank ihrer sehr eingängigen Themen, die bei mehrfachem Hören zum Teil Ohrwurm-Charakter entwickeln, besondere Trümpfe ausspielen und zählt damit zugleich zu den besonders gelungenen Kompilationen der Reihe Chandos-Movies.

Die Musik ist nicht nur sehr transparent aufgenommen, auch spieltechnisch agiert das BBC National Orchestra of Wales unter Rumon Gambas zupackender Leitung in Bestform. Komponist und Arrangeur Philip Lane hat das allermeiste der eingespielten Leighton-Lucas-Kompositionen direkt von den Filmtonspuren rekonstruieren müssen, da dazu fast kein Notenmaterial existiert. Von Lane stammt übrigens auch der sehr informative Begleithefttext. Auch wer eventuell erst an dieser Stelle auf die edle Reihe „Chandos-Movies“ aufmerksam geworden sein sollte, kann bedenkenlos zugreifen. Rein musikalisch sind wertungsmäßig vier bis viereinhalb Pfingst-Sternlein drin. Im Zusammenwirken mit dem aus der sehr gelungenen Sequenzierung resultierenden tadellosen Fluss des Albums halte ich im Sinne einer Albumwertung volle fünf Sterne für angebracht.

Da Arthur Benjamin und Leighton Lucas jeweils rund 20 Filmpartituren erstellt haben, erscheint es nicht als unwahrscheinlich, dass noch genügend interessantes Musikmaterial für ein vergleichbar feines Vol. 2 vorhanden ist, mit dem Chandos uns gern überraschen möge.

Besuchen Sie auch unsere Übersicht der bisher besprochenen Chandos-Movies-CDs.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Pfingsten 2012.

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