Ein ereignisreicher Tag in Düsseldorf: „Tradeshow zu Pearl Harbor“

Geschrieben von:
Hans Helf
Veröffentlicht am:
7. April 2001
Abgelegt unter:
Special

…oder wie es sich deutsche Kinobesitzer (zumindest gelegentlich) gut gehen lassen!

1681Der Buena Vista Filmverleih hatte Dienstagmorgen um 11 Uhr zur großen Tradeshow in den Düsseldorfer Ufa-Palast geladen – und alle sollten kommen. Das ist wohl zumindest die Wunschvorstellung der Verleihoberen gewesen. Doch was sich dann tatsächlich im Obergeschoss des Ufa-Komplexes vor dem Kino 8 einfand, war doch eher ein bisschen dürftig: kaum fünfzig Leute hatten sich auf den Weg gemacht.

Darüber war ich selbst auch etwas überrascht, denn das angekündigte Thema der Veranstaltung schien allerhand zu versprechen. Es galt, die gesamte Verleihwerbekampagne für den neuen Jerry Bruckheimer/Michael Bay Superhit Pearl Harbor vorzustellen. Ein Filmepos, das sich anschickt in den USA allen Ernstes den Einspielrekord von Titanic zu brechen – na, ob das auch bei uns Teutonen funktionieren kann?

Der Verleihchef höchstpersönlich legte sich dafür jedenfalls gewaltig ins Zeug. In einer durchweg interessanten Präsentation entwickelte er zunächst die epische Geschichte des Films bis ins kleinste Detail und ließ in eigens eingespielten Statements die Macher und Stars zu Worte kommen. Letztere wurden natürlich noch eingehender vorgestellt: die Engländerin Kate Beckinsale in der weiblichen Hauptrolle als verliebte Krankenschwester – welch ein Zufall, die gleiche Nationalität und noch dazu der gleiche Vorname wie ihr Titanic Vorbild Kate Winslet (kann da noch etwas schiefgehen?); als ihr Lover Josh Hartnett – der neue amerikanische Teenie-Schwarm und ganz sicher auf Leo di Caprios Spuren (na man wird sehen) – und last not least natürlich der bereits sattsam bekannte und deshalb auch als einziger gewissermaßen in „Poleposition“ auf dem Plakat verewigte Hauptdarsteller Ben Affleck.

Sämtliche Werbemittel, die der Verleih aufzufahren gedenkt, wurden ausführlich vorgestellt. Es gab neben den Standarderzeugnissen wie verschiedenste Plakatmotive, Postkarten, Riesenaufstellern auch einige absolute Spezialitäten zu bewundern. Hier vor allem eine fluoreszierende Deckenkonstruktion für den Foyer- und Eingangsbereich der großen Kinocenter, die eine Projektion von angreifenden japanischen Maschinen auf den Fußboden wirft.

Bleibt nur zu hoffen, dass der ganze Aufwand nicht mehr oder weniger verpufft. Der katastrophale Misserfolg von Annauds Stalingrad-Epos [url id=5140]Duell[/url] dürfte auch den Buena Vista Managern allerhand Kopfzerbrechen bereitet haben. Ist ein derartiger Kolossalkriegsfilm mit Liebesgeschichte heutzutage noch zeitgemäß, kann er speziell in Deutschland noch funktionieren – wo hierzulande kaum jemand weiß, wie Pearl Harbor überhaupt geschrieben wird?

Da will der Verleih Abhilfe schaffen. Nach amerikanischem Vorbild soll dem deutschen Publikum auch die Hintergrundgeschichte des japanischen Überfalls vom 7. Dezember 1941 vermittelt werden – der den Krieg zum Weltkrieg machte. Mit Radio und Fernsehspots in nie da gewesener Anzahl will der deutsche Buena Vista Ableger es der amerikanischen Muttergesellschaft gleichtun. Die ehrgeizige Zielvorgabe für den deutschen Markt: das Einspielergebnis des bisherigen Verleihrekordhalters – Disneys Zeichentrickklassiker „König der Löwen“ – mit 12 Millionen Besuchern zu toppen. Das wäre dann auf den Inlandsmarkt bezogen ein Zweidrittel-Titanic-Ergebnis! Es war schon faszinierend zu sehen, mit welch generalstabsmäßiger Vorbereitung nach Kalenderwochen aufgeschlüsselt, (die noch bis zur Welt- und Deutschlandpremiere bleiben), diese Riesenkampagne vor dem Fachpublikum ausgebreitet wurde.

Leider konnten uns die Verantwortlichen außer im nagelneuen zweieinhalb minütigem CinemaScope-Trailer noch keine weiteren Filmausschnitte präsentieren – es wird immer noch fieberhaft an den Spezialeffekten gebastelt. Der amerikanische Premierentermin steht natürlich längst fest: Diese wird am 15. Mai auf einem der größten US-Flugzeugträger stattfinden. Die Deutschen ziehen etwa 3 Wochen später nach – mit Ihrer eigenen großen Premierenfeier auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof, selbstverständlich mit Beteiligung der amerikanischen Macher und Schauspieler. Der US-Major weiß schließlich, was er seinem wichtigsten europäischen Exportmarkt Deutschland schuldig ist.

Der für mich persönlich eindrucksvollste Teil der Veranstaltung war die Vorführung der Dias von den Dreharbeiten: In einmaliger IMAX-Schärfe auf die volle Leinwandgröße projiziert gaben sie einen wahrhaft umwerfenden Einblick in die Arbeitsweise der Filmcrew. Ein (zumindest perfekt nachgebauter) Spitfire-Jäger mit laufendem Propeller und Besatzung an Bord, angehängt an eine Art Drehkran für die Episode über die Luftschlacht um England – offensichtlich kein Problem für die Macher; ein nachgebautes Trägerflugdeck aus Holz für die Startsequenz von nicht weniger als vier zweimotorigen B-25 Bombern für den (hierzulande nahezu unbekannten) Vergeltungsschlag gegen Tokio im Mai 1942; ein abgestürzter japanischer Torpedobomber mitten im Hafenbecken, umgeben von brennenden amerikanischen Schiffseinheiten und Löschboten – ein realistisch nachgestaltetes Inferno; das gigantischste Set von allen war im größten Studiotank aufgebaut: der Bug des Schlachtschiffes USS-Arizona bis zum vorderen Geschützdrillingsturm und direkt daneben im selben Tank der gekenterte Bug des gleichen Schlachtschiffes – auf dem hunderte von Matrosen verzweifelt um ihr Leben kämpfen.

Es zweifelt wohl niemand daran, dass Pearl Harbor zumindest in den USA in diesem Jahr der alles überragende Blockbuster an der Kinokasse werden wird. Die einzig denkbare Konkurrenz – der erste Teil von Lord of the Rings – startet ja erst Ende des Jahres. Ebenso dürften den Machern etliche Oscar-Nominierungen in den technischen Bereichen sicher sein. Wahrscheinlich dürfte dann auch unser deutscher Komponisten-Strahlemann Hans Zimmer für seine Filmmusik wieder mit dabei sein. In diesem Jahr hat es ja für seine [url=rezension.htm?rid=1236]Gladiator-Film-Musik[/url] nicht ganz gereicht.

„Halbzeit am Buffett“! Um die bisherige Informationsflut gut einwirken zu lassen, war das aufgefahrene hawaiianische Mahl bestens geeignet: Herrliche Lachssalate, Curry-Huhn auf Reis und viele andere Köstlichkeiten, die offenbar für eine erheblich umfangreichere Teilnehmerschar vorbereitet worden waren, fanden reißenden Absatz. (Auch der Rezensent hat sich durch wiederholten Einsatz deutlich hervorgetan.)

So gestärkt konnte der zweite Teil des Events beruhigt angegangen werden. Dieser wurde mit einer Trailershow der kommenden Starttermine (teilweise noch im Original) eröffnet – darunter immerhin Knaller wie The Mexican mit der Traumbesetzung des Jahres Julia Roberts und Brad Pitt. Als filmisches Hauptgericht folgte dann die wirklich nette romantische Komödie The Wedding Planner mit Jennifer Lopez und Matthew McConnaughey. In den USA seit vier Wochen auf Platz 1, wird dieser Streifen wohl auch bei uns gewaltig Kasse machen. Zu perfekt ist die Inszenierung menschlicher Gefühlswallungen und einfach zu sympathisch die Hauptdarsteller. Vor allem Popdiva Jennifer Lopez hat in Ausdruck und Mimik allerhand dazugelernt; sie beherrscht inzwischen die Gefühlsklaviatur nahezu perfekt. Beim weiblichen Publikum kann da nicht mehr viel schief gehen; es wird den „Hochzeitsplaner“ sicherlich ins Herz schließen.

Nun, ich muss gestehen, dass ich dem Pearl-Harbor-Start in Deutschland doch schon ziemlich entgegen fiebere – anscheinend hat die große Kampagne ihre Wirkung auf mich eben nicht verfehlt. Ein noch größerer Historienschinken dürfte so schnell nicht mehr nachkommen und wie man gesehen hat, lässt es sich bisweilen als Kinobesitzer doch ganz angenehm leben.

Dieser Artikel ist Teil unseres Pearl-Harbor-Specials.

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