The Vikings (1959)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
30. Dezember 2018
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

Mario Nascimbenes Musik zu The Vikings erstmalig komplett und in Stereo

Noch rechtzeitig zum diesjährigen Weihnachtsgeschäft überraschte Tadlow mit seiner Kompletteinspielung zu Mario Nascimbenes Musik zu The Vikings * Die Wikinger (1959), den Kirk Douglas unter der Regie von Richard Fleischer – 20.000 Meilen unter dem Meer (1954), Die fantastische Reise (1966) – für seine eigene Produktionsgesellschaft „Bryna“ hergestellt hat. Auch wenn es weder die frühen Kritiken noch die Oscars spiegeln, handelt sich hier um eines der mitreißendsten Abenteuerepen der ausgehenden 50er Jahre. Einen mitentscheidenden Teil seiner bis heute kaum verminderten starken Wirkung bezieht der Film nicht zuletzt aus den besonders spektakulären, an vielfältigen Schauplätzen aufgenommenen Außenaufnahmen, meisterlich eingefangen von Jack Cardiff. Die Innenaufnahmen wurden in den Münchner Bavaria Studios gedreht. Es sind nicht allein die prachtvollen norwegischen Hardangerfjord-Impressionen und das dabei förmlich spürbar werdende rauhe nordische Klima, was nach wie vor für den Film einnimmt. Für seine Zeit ist er nämlich zudem äußerst tempo- und actionreich und dabei im Verhältnis auch recht heftig zur Sache gehend inszeniert. Grandios sind seine Actionsequenzen, deren Höhepunkt die Eroberung der Burg des skrupellosen Königs Ælle von Northumbria (Frank Thring) ist – gedreht übrigens in Fort-La-Latte an der bretonischen Küste. Selbstredend, dass sich nicht erst dabei Kirk Douglas als Einar, einer der Wikinger-Protagonisten, auch physisch kräftig ins Zeug legt. Im Ergebnis besitzt der Kampf um die Burg vergleichbare Wucht und ist ähnlich überzeugend inszeniert wie in Ivanhoe – Der schwarze Ritter (1952). Dass es zur Zeit der Filmhandlung derartige Burganlagen noch nicht gab, sondern erst etwa 500 Jahre später, bleibt verzeihlich, wie im ähnlich frei mit den historischen Tatsachen umgehenden El Cid. Und das gilt letztlich auch für die in vielem so überzeugende, geradezu authentisch erscheinende Wikinger-Atmosphäre, die neben einer Portion historischem Realismus eben auch diverse Klischees bedient und somit einigen Kintopp im Gepäck hat.

Alles in allem sind Die Wikinger äußerst würdevoll gealtert und besitzen neben ihrem berechtigten Klassikerstatus auch immer noch einen hohen Unterhaltungswert. Neben diesem kommt einem zum Thema Nordlandmänner-Abenteuerepos zwar noch die britisch-jugoslawische Produktion The Long Ships * Raubzug der Wikinger (1964) in den Sinn, bei der Richard Widmark die zentrale Figur des Wikingers Rolf verkörpert. Auch wenn Jack Cardiff (dieses Mal jedoch nicht hinter der Kamera, sondern auf dem Regiestuhl platziert) wieder mit von der Partie war, ist The Long Ships nur ein schlichtweg flauer Film. Nicht allein, dass aus Kostengründen ausschließlich in Jugoslawien gedreht wurde und er durch seine in Teilen eher schludrige Inszenierung nicht ansatzweise eine vergleichbare Atmosphäre wie The Vikings besitzt, gereicht zum Nachteil, auch die Filmstory um eine sagenhafte, riesige Glocke aus purem Gold ist schlichtweg albern. Die Filmmusik von Dušan Radić kann mit Mario Nascimbenes kraftvoller Wikingerkomposition ebenfalls nicht ernsthaft konkurrieren. Sie kommt über einen noch passablen Main Title kaum hinaus.

Mario Nascimbene (1913–2002) zählt zu den wenigen italienischen Komponisten seiner Zeit, dessen Gesamtwerk durch die Arbeiten für das Kino dominiert sind. Dabei war er zugleich der erste, der in seinen Filmvertonungen neben ungewöhnlichen Instrumenten auch Geräusche (wie Uhrticken) mit einbezog. Nascimbene setzte zum Komponieren zudem bereits früh auch auf experimentelle Klangerzeugung mit Hilfe von Tonband, Geschwindigkeitsveränderung sowie Filtereinsatz und Mischpult, um Naturklänge gezielt zu verfremden, was er als „Mixarama“ bezeichnete. Die unter diesem Gesichtspunkt bekannteste seiner stärker mit avantgardistischen Effekten durchsetzten Filmkompositionen ist Barabbas (1961, Produktion: Dino De Laurentiis, Regie: Richard Fleischer).

Nascimbenes sehr archaisch anmutende, blechbläserbetonte Komposition zu Robert Rossens Alexander the Great * Alexander der Große (1955) erregte in Hollywood einiges Aufsehen. Möglicherweise hat diese Musik auch Kirk Douglas bewogen, dem Italiener den Kompositionsauftrag zu The Vikings anzubieten. Nascimbene hat dazu eine üppige Orchesterpartitur inkl. Chor-Unterstützung im archaischen Gestus der Wagner’schen Ringoper „Götterdämmerung“ geliefert. Das mit einem charakteristischen von sechs Hornisten unisono vorgetragenen Hornruf beginnende, besonders markante, heroische Wikinger-Thema ist in der Filmmusik omnipräsent. Besagter Hornruf wird im Film auch als Signal verwendet und wurde von Nascimbene mit Hilfe seines Mixarama-Konzepts bearbeitet, um ihn besonders urwüchsig klingen zu lassen. Die ansonsten zu seinen konventionelleren Arbeiten zählende Vikings-Partitur ist dank ihrer recht einfachen und daher besonders eingängigen Themen zugleich seine populärste Filmvertonung geworden. Einen weiteren besonders prägenden Eckpfeiler der Komposition bildet das rauhe Trinklied („Drunken Vikings Song“) und ein meist vom Chor vorgetragener sakral anmutender Gedanke für den Göttervater Odin sorgt, wenn nötig, für jenseitige Atmosphäre. Lyrischen Kontrast dazu bilden das Thema für Eric (Tony Curtis) sowie das Liebesthema für Eric und Prinzessin Morgana (Janet Leigh). Leider leidet die von Franco Ferrara in Italien erfolgte Originaleinspielung sowohl im Film wie auch in sämtlichen Veröffentlichungen auf Tonträger an ihrem geradezu erschreckend topfigen, dünnen Mono-Sound. Das bildete immer einen seltsamen Kontrast zur dank Technirama vorzüglichen Kopienqualität – siehe dazu auch Die Uhr ist abgelaufen.

Eine rund 18-minütige Suite aus Die Wikinger hatte James Fitzpatrick bereits zu seinen Silva-Zeiten mit den Prager Philharmonikern aufgenommen, veröffentlicht als Teil der 1997er Doppel-CD-Kompilation „Warriors of the Silver Screen“. Wie auch in vergleichbaren Fällen funktioniert die jetzt, rund 20 Jahre danach vorliegende Gesamteinspielung insgesamt noch ein gutes Stück überzeugender, ist eine noch präziser und sauberer intonierte, sehr überzeugende Angelegenheit geworden, eine die man an sich vorbehaltlos empfehlen mag. Ein kleines Wermutströpfchen dürfte freilich für so manchen Hörer darin bestehen, dass James Fitzpatrick abweichend von der Filmversion in der auf die eindrucksvolle Wikingerbestattung Einars folgenden Abspannmusik anstelle des reinen Männerchores (Frauenstimmen treten allein in den letzten Takten hinzu) den gemischten Chor zum Einsatz kommen lässt. Da ist es schon etwas schade, dass hierzu in der Bonussektion nicht auch noch die originale, besonders archaisch klingende Männerchorversion ein verdientes Plätzchen gefunden hat.

Die knapp 10-minütige Bonussektion enthält stattdessen neben zwei Alternativ-Cues aus The Vikings die von Ennio Morricone für die Colpix-LP-Veröffentlichung zu Barabbas sehr frei arrangierte Konzertversion eines als Hauptthema verwendeten, besonders eindringlichen gregorianischen Chorals. Bei diesem handelt es sich um das übrigens auch am Schluss von Der Name der Rose verwendete Kyrie XI („Orbis Factor“) aus dem Liber Usualis. Dieses bei Tadlow als „Main Theme From Barabbas“, auf der alten Colpix-Platte sogar als „Main Titel“ firmierende, rund fünfminütige Stück verfügt über einen dezenten Bolero-Touch und lässt bereits etwas die wenig später folgenden Italowesternmusiken Morricones vorausahnen. Es hat aber mit der Barabbas-Filmmusik ansonsten nur wenig gemein. Im an sich gewohnt kompetenten Booklet-Text von Frank DeWald sind weder zum Morricone-Arrangement noch zum dezenten Lapsus mit dem Vikings-Finalstück Infos zu finden.

Fazit: Auch bei The Vikings handelt es sich wiederum um eine gewohnt hochwertige Tadlow-Veröffentlichung, prima gespielt und superb aufgenommen. Aufgrund der ausgeprägten Eingängigkeit der Themen kann man sich besonders schnell mit dieser überaus markanten Epen-Musik zu einem ebenso mitreißenden Film anfreunden. Daraus resultiert trotz der nicht hundertprozentig befriedigenden Situation beim Finalstück (s.o.) eine klare Empfehlung.

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Komponist:
Nascimbene, Mario

Erschienen:
11/2018
Gesamtspielzeit:
73:40 Minuten
Sampler:
Prometheus/Tadlow Music
Kennung:
XPD 181

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