Zwei glorreiche Halunken

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
20. August 2004
Abgelegt unter:
CD

Score

(5.5/6)

Zwei glorreiche Halunken

Wohl kaum jemand kennt ihn nicht, den pfiffigen, ungewöhnlichen Main Title aus Sergio Leones nach Spiel mir das Lied vom Tod wohl berühmtesten Spaghetti-Western Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo (The Good, The Bad and The Ugly) • Zwei glorreiche Halunken (1967). Bei diesem dritten Film der so genannten Dollar-Trilogie – auch als Paella-Trilogie geläufig – waren die Amerikaner (United Artists) bereits ins Geschäft eingestiegen, was sich dank größeren Budgets in sichtbar aufwändigerer Ausstattung zeigt. Ich kenne keinen zweiten Western der Ära, der, trotz einiger (gewollter) Stilisierungen, ein für seine Zeit atmosphärisch derart überzeugendes, dichtes Bild des amerikanischen Bürgerkriegs zeigt und vergleichbar exakt in Uniformen und Waffen des Militärs ist. (Im Zusatzmaterial der MGM-Gold-Deluxe-DVD-Edition findet sich übrigens ein aufschlussreiches Segment zu den Hintergründen der Militäraktion von Colonel Sibley, der im Film einen kurzen Auftritt hat.) Zum Witz und ironisch-sarkastischen Biss dieses geradezu exemplarischen Italowesterns braucht wohl kaum etwas geschrieben zu werden. Zusammen mit Spiel mir das Lied vom Tod (1967) und Mein Name ist Nobody (1973) bilden die Zwei glorreiche(n) Halunken die absolute Creme dieses Genres.

Anlässlich der (Wieder-)Veröffentlichung des brillanten Films als MGM-Gold-Deluxe-DVD-Edition, in technisch aufbereiteter und außerdem um rund 17 Minuten verlängerter Fassung, hat die EMI die Filmmusik im Midprice-Segment in verlängerter Fassung wieder veröffentlicht. Die jetzt gegenüber dem alten LP-Schnitt um 21 Minuten verlängerte CD-Edition ist in Trackanzahl, Titelbezeichnungen und Spieldauer identisch mit der bereits 2001 auf dem italienischen Label GDM Music veröffentlichten Version, letztgenannte ist allerdings um rund viereinhalb Minuten länger. Unterschiede finden sich in zwei Stücken: In „La Storia di un Soldato“ (Track 13) und im finalen „Il Triello“ (Track 21). Bei „Il Triello“ fehlt am Schluss eine knapp zweiminütige, zum Teil atmosphärische und anschließend das Thema wiederholende Musikpassage. Bei „La Storia di un Soldato“ handelt es sich nicht allein um eine längere, sondern insgesamt um eine sowohl im vokalen als auch in den Begleitstimmen merklich anders arrangierte alternative Version.

Zeigt die italienische Fassung besonders beim neu hinzugekommenen Musikmaterial zum Teil leichte Tonmängel, klingt das aktuell vorliegende EMI-Album dank gewissenhaften Remasterings einen Tick besser — und ist zudem deutlich preisgünstiger. Zwar ist das Klangbild nicht derart klar und knackig, wie beispielsweise bei etwa zeitgleichen Aufnahmen aus dem MGM-Archiv (wie Wild Rovers oder The Shoes of the Fisherman), aber der Sound vermag durchaus zu überzeugen. Zweifellos hat man das Bestmögliche aus dem Archivmaterial herausgeholt. Hinter der deutschen Coverkarte befindet sich ein kleines Begleitheft mit dem altbekannten LP-Cover-Motiv (siehe Bild rechts). Auf Infos zu Film- und Filmmusik muss der Kunde hier allerdings verzichten. Auf jeweils einer Doppelseite gibt’s dafür (in typischer Leone-Manier) ein Close-Up, des grimmigen Gesichtzuges eines besagter „glorreicher“ Halunken. Sicher sind im Vergleich mit den sehr gelungenen CD-Alben zum Jubiläum von Geheimagent 007 (siehe hierzu die James-Bond-Specials) aus dem gleichen Hause, die fehlenden Informationen ein kleiner Schwachpunkt, dies sollte jedoch niemand vom Kauf der „neuen“ Zwei glorreiche(n) Halunken ernsthaft abhalten.

Ennio Morricone geht hier den bereits in den beiden filmischen Vorläufern (Für eine handvoll Dollar und Für ein paar Dollar mehr) eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Er verwendet zwar Sinfonieorchester, Chor und Gesangsolisten sowie auch westerntypische Instrumente, wie Gitarre, Flöte, Mundharmonika und ebenso die mexikanische Mariachi-Trompete, seine Musik ist aber keineswegs einfach „nur“ traditionell. Seine brillante Tonschöpfung zu Zwei glorreiche Halunken zeichnet sich durch ausgeprägte Lyrismen und die Kraft eines reichhaltigen Angebots einprägsamer Themen aus. Sie brilliert aber ebenso durch ihre unkonventionellen Klangwirkungen, die zum Teil von der Orchestrierung, aber ebenso von selten eingesetzten Instrumenten und ungewöhnlicher Spielweise auch der traditionellen Instrumente herrühren – man höre hier allein die Mundharmonika im „Main Title“. Ebenso finden sich avantgardistische Klangstrukturen integriert, und im experimentellen Mix sind des Weiteren auch poppige und rockige Elemente (Rhythmik und E-Gitarre) vertreten. In den Chor-Vokalisen zeigt sich Nähe zum markanten Bert-Kaempfert-Sound der Ära – siehe auch „Deutsche Filmkomponisten“. Dass Morricone über eine erstklassige musikalische Ausbildung verfügt (Infos hierzu in Die Legende vom Ozeanpianisten) und auch Erfahrungen als Arrangeur von Unterhaltungsmusik besitzt, macht ihn zum souveränen Handwerker, der neben Experimentellem auch verschiedene Stile versiert zu integrieren vermag. Das Endprodukt ist das Resultat eines keineswegs einfach nur simpel zusammengestoppelten, sondern sehr fantasievoll gehandhabten neuartigen Vertonungskonzeptes.

Das markante, dem Geheul der Kojoten nachempfundene Hauptmotiv bildet im Wechselspiel mit weiteren Tonfolgen die thematisch-melodische Basis des berühmten, zum Hit avancierten Main Titles. Besagtes Kojoten-Motiv fungiert in pfiffig variierter Form als eine Art Leitmotiv für alle drei (Anti-)Helden des Films: den Blonden (Clint Eastwood), Tuco (Eli Walach) und Sentenza (Lee van Cleef). Zugleich erfüllt es durch geschickte Platzierung die Funktion einer die einzelnen Teile des Scores verbindenden Klammer. Dabei wird es keineswegs nur traditionell zitiert, sondern oftmals (beispielsweise vom Chor) im wahrsten Wortsinn ungewöhnlich, fast wie ein Schrei intoniert.

Interessant sind ebenso die musikalischen Spiegelungen des für die Filmhandlung bedeutungsvollen US-Bürgerkrieges. Hierfür stehen drei charakteristische Themen, wobei ein Traditional nicht enthalten ist. Da ist der frohe Marsch „Marcia“ für die (noch ahnungslos) in den Kampf ziehenden Soldaten, der später, zu den Bildern eines Schlachtfeldes als tief melancholische Trauermusik für Solo-Vocalise und Orchester auskomponiert, wiederkehrt und so die Realität des Krieges überzeugend reflektiert. Bitter ironisch und sarkastisch zugleich ist die Szene im Gefangenenlager, wo die Lagerkapelle aufspielen und die Insassen dazu singen müssen, um die brutale Folterung von Tuco zu übertönen. Hierzu erklingt „The Story of a Soldier“. Ein Lied, das vom traurigen Los des Soldaten berichtet. Raffiniert sind auch die teilweise collageähnlich übereinander geschichteten Trompetensignale („Main Title“, „Il Forte“, „The Desert“). Hier wirkt das Militärische zwar zweifellos modern stilisiert, ist aber gleichzeitig eine raffinierte, zeitgemäße Spiegelung der Tradition eines Max Steiner beispielsweise in They Died with Their Boots On.

Die am breitesten auskomponierten Teile bilden die Musik zur Wüstenszene („The Desert“) und dem finalen Duell der drei Halunken in „Il Triello“. In „The Desert“ will sich Tuco am Blonden rächen und zwingt ihn zu einem brutalen Marsch durch die sonnendurchglühte Wüste, bei dem Exitus eingeplant ist. In dieser über fünf Minuten dauernden Sequenz gibt es praktisch keinen Dialog, die Musik hat allein das Wort und Morricone lieferte dazu eine seiner besten Spannungsmusiken. Er erweist sich in der tonmalerischen Gestaltung der sengenden Hitze und ebenso im Spannungsaufbau als Meister des Metiers. Er baut auf einem Hauch Herrmann („Radar“ aus The Day the Earth Stood Still), in Form eines kreisenden Klaviermotivs, auf und formt daraus ein ungemein packendes, sich steigerndes Musikstück. Es kulminiert in einem Ausbruch des vollen Orchesters mit übereinander geschichteten Trompetensignalen, wenn aus der Ferne, gleich einer Fata Morgana, eine Militärkutsche auftaucht und näher kommt.

Das breit ausladende Orchestervorspiel, „Il Triello“, zum Schlussduell der drei um das Gold rivalisierenden Schurken, ist fast so bekannt geworden, wie der Main Title, der sich damals wochenlang in den Charts behauptete. (Ähnlich wie im Fall von A Summer Place ist aber auch hier eine bearbeitete Version des Stücks, die des Bandleaders Hugo Montenegro, sogar noch geläufiger.) „Il Triello“ ist praktisch zum Synonym für das Opernhafte bei Morricone geworden. Er setzt hier zugleich musikalisch den Schlusspunkt unter die Dollar-Film-Trilogie, indem er raffiniert charakteristische Anleihen bei den Scores der beiden Vorläuferfilme einbaut.

Alles in allem ist Zwei glorreiche Halunken eine der originellsten, witzigsten und sicherlich innovativsten Westernfilmvertonungen der 60er Jahre. Der alte rund 33-minütige Plattenschnitt (auch auf CD veröffentlicht) ist bereits sehr gut geschnitten und vereint die Highlights des Scores. Es handelt sich zweifellos um eine der abwechslungsreichsten und unterhaltsamsten Morricone-Filmmusiken auf Tonträger der 1960er und frühen 1970er Jahre. Aber auch die in der verlängerten Version erstmals zugänglichen rund 21 Minuten Musik sind eine sehr willkommene Bereicherung. Da findet sich nicht allein weiteres schönes Themenmaterial, wie in „La Missione San Antonio“ und besonders in der mexikanisch angehauchten, charmanten Melodie für „Padre Ramirez“. Für den entdeckungsfreudigen Hörer gibt es gerade in den neuen Stücken dieser auch heutzutage, nach immerhin knapp 40 Jahren, immer noch ungemein frisch und spritzig erscheinenden Westernmusik noch so manches pfiffige Detail herauszuhören.

Weiterführender Link:

US-Bürgerkriegs-Special

Originaltitel:
The Good, the Bad and the Ugly

Komponist:
Morricone, Ennio

Erschienen:
2004
Gesamtspielzeit:
55:01 Minuten
Sampler:
EMI-Capitol
Kennung:
7-243-5-78453-2-8

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