William Steinberg – complete Command Classics Recordings
Einen Monat vor der BMG-Box hat Universal Music ein mit 17 CDs recht umfassendes Steinberg-Box-Set auf dem DG-Label nachgereicht. In diesem sind sämtliche Aufnahmen mit dem PSO für das US-Label „Command Classics“ (entstanden zwischen 1961 und 1968) vertreten – die darin enthaltenen vollständigen Zyklen der Beethoven- und Brahms-Sinfonien erschienen bereits 2020/22 als Einzel-Sets. Diese zusammen 8 Datenträger umfassenden Sinfonienzyklen bilden zwangsläufig einen zentralen Bestandteil dieses insgesamt hoch erfreulichen Box-Sets. Sicher handelt es sich dabei nicht um Interpretationen, die in die mittlerweile häufiger anzutreffende, oftmals so spannende wie aufschlussreiche Kategorie der historisch informierten Aufführungspraxis gehören. Wobei sich der eingehendere Hörblick zurück in die 1960er keineswegs als überholt/altbacken oder sonst wie eher langweilig gestaltet. Im Gegenteil! Steinbergs Leistung ist unüberhörbar ausgezeichnet. Natürlich gilt, dass es in beiden Fällen Konkurrenz durch unzählige, darunter viele gute und sehr gute Gesamteinspielungen gibt, von denen sich häufiger bereits mehr als nur eine in der jeweiligen hauseigenen Kollektion befinden wird. Trotzdem bleibt es unbedingt empfehlenswertm seine ungemein spielfreudigen wie präzisen Interpretationen zu studieren. Das hier Gebotene steht nämlich den TOP-Einspielungen der ausgehenden 1950er und der 1960er qualitativ absolut in nichts nach. Selbst wer davon eigentlich schon genug in der Sammlung hat, sollte daher ein Auge zudrücken – nicht bloß wegen des überaus günstigen Preises von nur rund 3 €/CD (!) für das ansonsten pro Datenträger auch spielzeitmäßig sehr gut bestückte Set.
In der mit neun CDs etwas größeren zweiten Hälfte des Sets zeigt sich Steinberg nicht bloß bei den Klassikern (Schuberts 3. sowie die Unvollendete, Bruckners 7. Sinfonie, Tschaikowskis 4. und die Nussknacker-Suite, das sinfonische Wagner-Programm sowie Rachmaninoffs 2. Sinfonie) als mustergültiger Interpret und Könner. Strawinskis komplettes Petruschka-Ballett gekoppelt mit dem Sinfonie-Erstling von Schostakowitsch belegt, dass Steinberg nicht bloß seine Klassiker beherrschte, sondern auch der Musik des 20. Jahrhunderts mehr als nur gerecht zu werden verstand. Ebenso tadellos wie eindrucksvoll geraten sind auch die Ausflüge ins amerikanische Repertoire mit Coplands Balletten „Billy the Kid“ und „Appalachian Spring“. Der Gershwin-Hit „An American in Paris“ bildet quasi die Überleitung zu drei jeweils knapp 20 minütigen sinfonischen Synthesen (Symphonic Pictures) zu im weitesten Sinne US-Musicals: Gershwins „Porgy and Bess“, Loewes „My Fair Lady“ und Rodgersʼ „The Sound of Music“. Diese Darbietungen sind nicht nur besonders delikat gespielt, sie bilden darüber hinaus hierzulande eher seltener zu hörendes, weniger geläufiges Materials, dessen Entdeckung sich unbedingt lohnt.
Die vorletzte CD (16) dieses Box-Sets beherbergt neben Ravels „Valses nobles et sentimentales“ und Dvořáks „Scherzo capriccioso“ nicht nur eine Reihe beliebter Zugabestücke (z.B. „Perpetuum mobile“ und „Tritsch-Tratsch-Polka“ von Johann Strauß, den „Ungarischen Marsch“ von Berlioz und den „Französischen Militärmarsch“ von Saint-Saëns) sondern hält dazu auch noch eine ganz besondere Rarität bereit: Verdis Streichquartett in William Steinbergs Orchesterfassung. Und in die Kategorie des selten zu Hörenden gehören auch noch Bruckners „Ouvertüre in g-moll“ und Wagners „Eine Faust-Ouvertüre“.
Der Klang der seinerzeit mit extravaganter High-End-Magnettonfilmaufzeichnungstechnik produzierten und von Robert Fine als Toningenieur betreuten Aufnahmen ist in jedem Fall noch als gut zu bezeichnen. Vorbehaltlos vermag ich mich damit aber nicht anzufreunden. Lässt dieser doch die Brillanz der allermeisten mit dem Namen Robert Fine so markant verbundenen Mercury-Living-Presence-Stereo-Aufnahmen eindeutig vermissen, wobei die nachfolgende kritische Anmerkung auf recht hohem Qualitätsniveau greift: Das minimal verschleiert erscheinende Klangbild ist im Höhenbereich leicht überbetont und schwächelt dafür im Bassfundament. Man achte dabei etwa auf die matt und dünn atypisch vor sich hin rasselnden Pauken. Dies betrifft in erster Linie die Aufnahmen des Beethovensinfonienzyklus. Die übrigen CDs des Sets klingen zwar auch nicht völlig perfekt, sind aber insgesamt einen spürbaren Tick besser.
Das sorgfältig aufgemachte Begleitheft wartet mit einen informativen Text von Richard Evidon zu Steinergs Pittsburger Command-Classics-Aufnahmen auf.
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