TV-Dokumentarserien, 15. Folge: Wildes Japan
Japan, das ferne, exotische Inselreich, gemeinhin als Land der aufgehenden Sonne bezeichnet, ist uns insbesondere durch einige seiner vielfältigen, festverwurzelten Traditionen und markante Begriffe geläufig, wie Samurai, Ninja-Krieger, Sushi und auch das alljährlich im Frühjahr stattfindende Kirschblütenfest. Aber abseits davon ist das Allermeiste der mindestens ebenso reizvollen und zum Teil einzigartigen Flora und Fauna Japans bislang weitgehend unbekannt geblieben. Das zu ändern, nehmen Aufnahmeteams des NDR, dieses Mal die Tierfilmer Jens Westphalen und Thoralf Grospitz, den Zuschauer mit auf eine abenteuerliche, bildgewaltige Entdeckungsreise, die vom Bärenland im Norden bis zu den Tropenstränden im Süden reicht.
Japan ist kein Kontinent, sondern eine gewaltige Inselkette, die aus vier Haupt- und tausenden kleinerer Inseln besteht. Diese erstrecken sich über mehr als 3000 km und mehrere Klimazonen entlang der Ostküste des asiatischen Kontinents. Von den eisigen Bergregionen auf Hokkaidō, der größten Insel im rauen Norden, bis ins subtropische Okinawa reicht das Inselreich. Hier klingen bereits die extremen klimatischen Gegensätze an, die sich auch in der Pflanzen- und Tierwelt widerspiegeln. Wie der Titel „Wildes Japan“ bereits andeutet, ist vom Hightech-Japan mit seinen zum Teil gigantischen Metropolen, wie Tokio als der größten, wo mehr als 8 Millionen Japaner leben, kaum etwas zu sehen. Man wird dafür unter anderem südwestlich von Tokio, auf dem Nagara-Fluss Zeuge einer interessanten alten japanischen Tradition. Gemeint ist die Kormoranfischerei, wo Fischer des Nachts, wie seit rund 1300 Jahren, durch Feuerschein angelockte Fische mit Hilfe abgerichteter Kormorane fangen.
Das wilde Japan erweist sich überhaupt als landschaftlich überaus reizvoll und ist mit bemerkenswerten Tieren bevölkert. Japan ist als Land der Libellen noch relativ geläufig, aber kaum jemand hat zuvor die unseren Ziegen sehr ähnlichen, drollig anmutenden japanischen Seraue zu Gesicht bekommen, oder Mandschurenkraniche mit ihren extravaganten Balztänzen. Ebenso beeindruckend anzuschauen ist aber auch der aus Russland einfliegende Riesenseeadler, einer der größten Greifvögel überhaupt, mit Flügelspannweiten von zwei bis zu knapp drei Metern.
Die auf drei der vier Hauptinseln beheimateten Japanmakaken (Schneeaffen) werden besonders eingehend porträtiert. Hervorstechend ist ihre Neigung, im Winter im warmen Wasser aus Thermalquellen ausgiebige Bäder zu nehmen. Bemerkenswert ist aber auch der Riesensalamander, ein für den Menschen harmloses Relikt der Urzeit, eine Spezies, die sich in den letzten 20 Millionen Jahren kaum verändert hat. Und wie der Untertitel der zweiten Folge, „Tropenstrand und Bärenland“, verrät, ist Japan auch das Land der Bären, wobei Braun- und Kragenbären ins Spiel kommen. Dabei kann man beobachten, wie sich der Kragenbär durch den Fang von Buckellachsen seine für den strengen Winter erforderliche dicke Speckschicht anfrisst.
Da es weder langatmig noch trocken zugeht, vergehen die insgesamt knapp 90 Minuten wie im Fluge. Das unterstützen ebenso eingeschobene drollige Momente, bei denen auch mal geschmunzelt werden kann. Die Präsentation darf als gelungen bezeichnet werden. Allerdings hat der Zuschauer es infolge der häufig wechselnden Regionen und Schauplätze nicht ganz leicht, den Überblick zu behalten. Hier wäre es m. E. hilfreich gewesen, eine geografische Zuordnung anhand nochmals kurz eingeblendeter Übersichtskarten zu erleichtern. Aber dieser kleine Einwand beeinträchtigt die vorzügliche Gesamtwirkung nur unwesentlich. Am Schluss wünscht man sich eine Fortsetzung, welche die nur kurz gestreiften oder ausgesparten Regionen eingehender zur Geltung kommen lässt und weitere Schönheiten des wilden, unbekannten, faszinierenden Inselreichs Japan offenbart.
Der Zweiteiler Wildes Japan wurde im Ersten erstmalig im Mai 2010 gezeigt. Im 2010er Wettbewerb des neunten Natur- und Tierfilmfestivals „NaturVision“ gewann die Dokumentation die Silbermedaille und erhielt beim Internationalen Naturfilm-Festival „Green Screen“ außerdem eine Auszeichnung in der Kategorie „Beste Tongestaltung“.
Die Präsentation auf Blu-ray-Disc
Wie inzwischen schon gewohnt, zeigt sich auch Wildes Japan produktionstechnisch von seiner besten Seite, präsentiert seine eindrucksvollen Bilder fast durchweg in Top-Qualität. Die meist gestochen scharfen und äußerst detailfreudigen Bilder tendieren häufiger zur Referenzklasse. Das gilt nicht zuletzt für die bis zum Horizont kristallklaren, ungemein plastischen Wintereindrücke, bei denen man die herrschende Kälte, die dem Kameramann in die Glieder gekrochen sein muss, schon fast selber zu spüren meint. Zur Klarheit dieser förmlich kälteklirrenden Winteraufnahmen gesellen sich unerwartet plötzlich Nebelschwaden hinzu: Man sieht Mandschurenkraniche, die im Dämmerlicht im Wasser von Thermalquellen ein warmes Bad genießen. Ein Moment, der gerade dank HD ganz besonders fantastisch wirkt. Nicht nur Wasser sieht dank HD nasser aus, auch Nebelschwaden im Licht der aufgehenden Sonne erscheinen ungemein natürlich.
In einzelnen Einstellungen (z. B. Nachtaufnahmen und einigen der Zeitlupen) erscheinen die Bilder etwas softer und es wird auch mal leichtes Bildrauschen erkennbar. Den sehr guten Gesamteindruck vermögen diese kleinen punktuellen Einschränkungen nicht entscheidend zu beeinträchtigen. Von störend oder gar echtem Makel mag man hier also nicht sprechen. Gerade die zwangsläufig mit schwachem Restlicht aufgenommenen Nachtbilder sind gegenüber Vergleichbarem aus früheren Dokus erheblich verbessert, wirken geradezu erstaunlich gut.
Die Tonkulisse aus Kommentator, Geräuschen und der häufiger angenehm exotisch angehauchten Musikuntermalung von Klaus Hillebrecht ist tadellos ausbalanciert. Sie bietet allerdings auch dieses Mal keinen Blockbuster-Surround-Sound. Aber wer vermisst den schon, wenn es derart feine Natureindrücke zu sehen gibt? Kommentator Christian Brückner, der Robert De Niro regelmäßig seine markante Stimme leiht, verrichtet auch hier wieder einen prima Job.
Von Bonusmaterial kann angesichts der ausschließlich vorhandenen kleinen, das Polyband-Repertoire bewerbenden Trailerkollektion keine Rede sein.
Fazit: Abseits der Katastrophen, die Japan jüngst Schlagzeilen bescherten, zeigt Wildes Japan die eher unbekannte Seite des vielfältigen Inselreiches, das für den Betrachter viele, bislang kaum entdeckte Schönheiten bereithält. Wer sich für diese hochwertigen und auch technisch erstklassigen Naturdokumentationen begeistern kann, der wird auch hier keineswegs enttäuscht. Er erhält die außergewöhnlichen Naturaufnahmen in erwartungsgemäß faszinierender Qualität geboten. Selbst wenn die Bilder hin und wieder — mehr oder weniger zwangsläufig (z. B. bei Nachtaufnahmen) — mal etwas weniger knackig sind. Der insgesamt sehr hohe Qualitätsstandard sackt auch dabei nie übermäßig ab, so dass der insgesamt sehr positive Gesamteindruck davon unbeeinflusst bleibt.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Pfingsten 2012.
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