Steven Spielberg hat den Science-Fiction-Klassiker des Briten H. G. Wells, über die Erde bedrohende Aliens (vom Mars), „The War of the Worlds“, neu für die Leinwand inszeniert. Fand die Marsianer-Invasion im aus dem Jahr 1898 stammenden Roman noch in England statt, verlegte der junge, aufstrebende Orson Welles das Szenario für seine CBS-Rundfunkproduktion nach Amerika. Mit seinem im Stile einer aktuellen Reportage inszenierten, legendären Hörspiel löste er am 30. Oktober 1938 an weiten Teilen der US-Ostküste eine zum Teil über mehrere Tage währende Massenpanik aus. Derart „überzeugend“ echt wirkte eine Neuinszenierung des WDR in den 1970ern zwar nicht (mehr). Sie führte aber immerhin noch zu vielen besorgten telefonischen Anfragen beim Sender.
So manchem Leser dürfte die quietschbunte Kinoadaption des Stoffes der 50er von George Pal und Byron Haskin ein Begriff sein: The War of the Worlds • Der Kampf der Welten (1953), in der die Marsianer ebenfalls die Ostküste der USA bedrohen, wirkt heutzutage zwar recht antiquiert und ist (zwangsläufig) tricktechnisch altbacken. Der Film vermag aber trotz seiner Naivität recht nett, mitunter auch unfreiwillig komisch, zu unterhalten. Die 1988er US-TV-Serie War of the Worlds sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Das eher grottige TV-Opus versucht sich als eine Fortsetzung des 1953er Spielfilms, greift dabei sehr frei auf Motive der Originalgeschichte zurück.
Regisseur Spielberg hat nun das alte, ein ganzes Genre mitbegründende Science-Fiction-Szenario, erneut aufgegriffen und auch Tom Cruise ist nach Minority Report wieder mit von der Partie. Cruise verkörpert einen eher lausigen Ex-Familienvorstand, der sowohl mit seiner geschiedenen Frau als auch mit seinen beiden Kindern Rachel und Robbie diverse Probleme hat. Im Zuge des von den Aliens ausgelösten Infernos kommt er sich mit den Seinen wieder näher, wird im klassischen Sinne geläutert.
John Williams Musik ist dem düsteren Stoff entsprechend weitab von E. T. — The Extra-Terrestrial angesiedelt. Auch in War of the Worlds tritt ein groß besetztes Orchester auf den Plan, hinzu treten sparsam eingesetzte Klangsynthetik und Chorales. Die Atmosphäre ist insgesamt besonders düster, der Tonfall der Musik modern-dissonant, teilweise minimalistisch und betont atmosphärisch. Nur ganz vereinzelt gibt es verhalten lyrische, streicherbetonte Passagen, in denen ein Hauch Barber und Born on the Fourth of July spürbar werden. Daneben gibt es martialische, markant rhythmisierte Actiontableaus, die in gewohnter Williams-Manier gestaltet sind und die vernichtenden Konfrontationen mit den Aliens untermalen. Stilistisch knüpft der Komponist bei seinen Musiken zu Minority Report und A. I. — Artificial Intelligence an. Die ausgeprägt klangexperimentellen Teile von Close Encounters of the Third Kind (1977) bilden einen weiteren Bezugspunkt. Einflüsse Bernard Herrmanns (vergleichbar wie in Minority Report) sind, wenn überhaupt, nur vereinzelt zu konstatieren. Dafür fühlt man sich in den Actionpassagen mitunter überdeutlich an Strawinskys „Sacre du printemps“ („Das Frühlingsopfer“) erinnert.
Zweifellos hat sich Altmeister Williams auch dieses Mal handwerklich souverän aus der Affäre gezogen. Seine Musik zu War of the Worlds belegt nach wie vor die große Integrität eines Komponisten, der sich beim Kinogänger nicht schlichtweg anbiedern möchte. Vielmehr sucht auch der „Alte“ (Williams) nach wie vor nach ausgefeilten musikalischen Lösungen, die er für den jeweiligen Filmstoff für adäquat hält. Im Vergleich zum anfänglich sperrigen Minority Report bleibt die Musik zu War of the Worlds allerdings auch nach eingehenderem Hören spürbar weniger konturiert, wirkt nicht derart elegant durchkonstruiert. Hier gibt es weder ein überzeugendes Pendant zum so markanten „Spider-Motiv“ oder gar den beeindruckenden albtraumhaft-visionären Vokalisen. Vergleichbares wirkt hier dezent beliebig und auch die Action-Teile sind (freilich im Sinne tadellosen Handwerks) recht standardisiert gefertigt. War of the Worlds bleibt damit sowohl thematisch-motivisch als auch im Einsatz des Vokalen völlig unscheinbar und damit deutlich hinter den genannten Vorbildern zurück. Das Gebotene ist zwar nicht schlichtweg uninteressant, es ist aber über weite Strecken von rein atmosphärischer und (allzu) sehr bildbezogener Wirkung. Der packende, dramatische Sog des Höralbums zu Minority Report will sich schlichtweg nicht einstellen. Hier entsteht in Teilen vielmehr der Eindruck von Déjà-vu.
Daraus resultiert unterm Strich der Eindruck einer, bei aller unleugbaren handwerklichen Solidität, ausgeprägt routinierten und wenig inspirierten Arbeitsweise. Als Höralbum dürfte es diese Komposition, da ein einigermaßen eingängiger melodischer, ja selbst ein prägender motivischer Gedanke praktisch fehlt, besonders schwer haben, selbst überzeugte Freunde von John Williams Musik zu begeistern. Die meisten Williams-Fans dürften sogar arg enttäuscht sein. Ich bin an dieser Stelle jedoch geneigt die Ursachen für die gewisse „Blässe“ dieser Filmmusik eher beim Filmstoff denn beim Komponisten zu vermuten.
Spielberg hat die Geschichte um eine Invasion durch Außerirdische als großes Epos und zugleich intime Familiengeschichte angelegt. Er sagt dazu: „Dies ist ein Film, den wir unseren Kindern widmen — und unserer unermesslichen Liebe zu ihnen. Ich denke, dass es sich um einen Film handelt, der zeigt, wie weit Eltern für ihre Kinder gehen würden.“ Der äußere Rahmen der Story ist dabei natürlich in unsere Tage verlegt. Spielberg lässt zwar die bösen Aliens dieses Mal nicht vom Mars kommen, die finale Quintessenz allerdings scheint gegenüber dem Original praktisch unverändert geblieben zu sein: Auch dieses Mal sind die außerirdischen Bösewichte durch menschliche Waffentechnik nicht zu packen. Die Menschheit wird (wie Morgan Freeman im Epilog vorab verrät) infolge eines weiteren unscheinbaren Geschöpfes in Gottes genialer Schöpfung gerettet: Was nur bedeuten kann, dass die Aliens (wie bereits im Roman und auch der 1953er Kinoversion) an einem für uns lästigen, aber harmlosen viralen Infekt zu Grunde gehen. Uff! So schlichtweg unglaubwürdig geht also noch mehr als 100 Jahre nach H. G. Wells Roman auch dieses Mal eine uns technisch so haushoch überlegene Rasse zugrunde? Eine, welche die Verhältnisse auf diesem Planeten doch (laut Prolog) angeblich so eingehend observiert und studiert hat? Ob dies nicht bereits arg auf Banalitäten der Handlung (Spielberg-typischen, triefigen Familienkitsch inklusive) hindeutet, kann der Kinogänger frei nach dem Motto „komm und siehe!“ — spätestens — ab Mittwoch, den 29. Juni 2005, selbst beurteilen.
Wertungstechnisch ist es dieses Mal besonders schwierig, einem Werk von John Williams gerecht zu werden. Da ist auf der einen Seite der über jeden technischen Zweifel erhabene, versierte Handwerker erkennbar, der Teilen der Musik markant eindrucksvolle Wucht zu verleihen vermag. Auf der anderen Seite fällt allerdings nicht allein die thematisch-motivische Blässe, das überbetont Atmosphärische, sondern auch das mitunter Schablonenhafte ins Ohr und ins Gewicht. So schimmern des Öfteren über längere Strecken – quasi temptrackhaft – die archaischen Strukturen von Strawinskis „Sacre du printemps“ fast 1:1 (!), durch das Gebotene hindurch. Dreieinhalb oder doch glatte vier Sterne? Das scheint mir an dieser Stelle die treffende Frage zu sein. Letztlich befriedigen mich beide Möglichkeiten nicht völlig. Die niedrigere erscheint etwas zu streng, die höhere als doch etwas zu viel des Guten, in Anbetracht des teilweise unverkennbaren Autopilotmodus’ ist sie wiederum etwas zu glanzvoll.
Im „Main Title“ (Prolog) wird die Musik über rund 70 Sekunden und im vorletzten Stück der CD, „Reunion“, nochmals über ca. 40 Sekunden mit dem von Morgan Freeman gesprochenen Kommentar des Off-Erzählers überlagert. Ob das nun wirklich nötig ist, darüber lässt sich freilich streiten. Nun, Freeman hat eine mehr als nur passable Stimme, drum ist dies im Sinne von Prolog und Epilog zu einer Art „klassischen“ Tragödie m. E. immerhin noch erträglich.