Wall•E

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
2. Oktober 2008
Abgelegt unter:
CD

Score

(3.5/6)

Seit dem 25. September 2008 ist es wieder soweit. Ein neues animiertes Disney-Pixar-Abenteuer ist hierzulande an den Start gegangen. Nach dem reizenden komödiantischen Märchen für die Freunde der lukullischen Genüsse, Ratatouille, hat man sich dieses Mal wiederum an ein stärker experimentelles Sujet gewagt, eines das im Bereich Fantasy und Science-Fiction beheimatet ist. In WALL•E — Der letzte räumt die Erde auf ist ein vereinsamter kleiner Roboter der Held, der in ferner Zukunft den total entvölkerten, dafür mit Müll übersäten Planeten Erde aufräumt. Doch eines Tages landet ein fremdes Raumschiff und beschert dem Sonderling eine Gefährtin. Die Affäre mit der Roboter-Dame EVE wird für WALL•E allerdings nur der Ausgangspunkt eines ganz großen interstellaren Abenteuers und für die Kinogänger letztlich wiederum ein intelligent augenzwinkernder Spaß für große und kleine Leute.

Thomas Newman ist bei Disney-Pixar kein Newcomer mehr. Regisseur Andrew Stanton und er haben bereits bei Finding Nemo (2003) gut kooperiert. Und Finding Nemo ist auch der wohl überzeugendste Bezugspunkt für die jetzt vorliegende Musik zu WALL•E — Der letzte räumt die Erde auf. Die Vertonungskonzepte sind eng verwandt. Ausgangspunkt sind wieder einmal die für Thomas Newman so typischen, in erster Linie auf Atmosphäre abzielenden Klangspielereien. Diese resultieren zum Teil aus ungewohnten Klängen erzeugt mit exotischem Instrumentarium. Neben elektronisch erzeugten Verfremdungen und hinzugefügter klanglicher Synthetik ist der typische Thomas-Newman-Sound letztlich das Produkt eines experimentierfreudigen komplexen Abmischungsprozesses. Neben diesen stark klangbezogenen Teilen setzt Newman aber auch dieses Mal betont auf thematisch orientierte, überwiegend vom Orchester bestrittene Teile. Und wie bereits bei Finding Nemo spielen auch in der WALL•E-Musik Anleihen beim Minimalismus nur eine Nebenrolle.

Roboterhaftes und damit auch klanglich metallisch Glitzerndes steht zwangsläufig häufig auf dem Programm. Dafür stehen unter anderem Glockenspiel und die vom Komponisten höchstpersönlich gespielte Celesta, wobei des Öfteren perlende Arpeggien der Harfe einen zusätzlich ätherisch-schwebenden Eindruck hinterlassen. Daneben kommen auch absolut ausgefallene Instrumente zum Einsatz, wie die „Hidden Zither“, eine „Reversed Wave Drum“, eine der Zither ähnliche Autoharp oder ein E-Bow. Bei Letzterem handelt es sich um ein batteriebetriebenes Effektgerät, eine Art elektromagnetischen Bogen, mit dessen Hilfe man Gitarrensaiten zum Schwingen bringen kann.

Einigen Tracks sind kurzzeitig Geräuscheffekte aus dem Film vorangestellt. Eigentlich ist das ein entbehrlicher Gag, der im vorliegenden Fall jedoch relativ gut funktioniert, also nicht penetrant störend wirkt. An diesen Stellen wirkt der Score besonders cartoonhaft, ist auf mehr oder weniger experimentelle Weise eng mit dem im Bild Gezeigten verknüpft, z. B. in „WALL•E“ und „The Spaceship“.

Neben der Filmmusik sind auf dem Album auch vier Source-Cues vertreten. Zwei Auszüge aus dem Filmmusical Hello Dolly (1969), „La vie en Rose“ sowie der inhaltlich die Botschaft des Films transportierende, musikalisch jedoch recht blass geratene Peter-Gabriel-Song im Abspann „Down to Earth“. Zusammen mit zwei für sich genommen etwas grellen, im poppigen Mancini-Bacharach-Idiom der 1960er gehaltene kurze Stücke („First Date“ und „BNL“) machen diese in erster Linie im Film Sinn. Beim reinen Höralbum bilden diese Piècen im musikalischen Fluss jedoch eher störende Fremdkörper. Ausblenden wird daher empfohlen.

Insgesamt wird WALL•E so zur ansprechenden spacigen und mitunter auch schrulligen Hör-Angelegenheit, einer, bei der gelegentlich ein wenig Holst („Die Planeten“) spürbar wird und neben einem Hauch von Close Encounters of the Third Kind (1978) auch die Sounds des Star-Trek-Universums mitschwingen, so in den feinen breitorchestralen quasi (Mini-)Space-Symphonies, wie „The Axiom“ und „Tilt“. Daneben findet sich noch manch weiterer gelungener, infolge der Kürze der meisten Tracks aber eben auch im wahrsten Wortsinn kurzweiliger Moment. Alles in allem bekommt man hier zwar keinen revolutionären, aber einen die Ausdruckspalette der experimentellen Klangspielereien schon noch etwas erweiternden Thomas-Newman-Score zu hören. Insofern gehört WALL•E — Der letzte räumt die Erde auf nicht einfach nur in die Kategorie sorgfältig praktizierter Routine.

Wie häufig bei Thomas Newman ist es auch dieses Mal nicht ganz einfach, der Komposition wertungsmäßig gerecht zu werden. So ist der innere Zusammenhalt dieses klingenden Universums wiederum recht lose. Es besteht aus überwiegend sehr knappen Einzelstücken, die insgesamt eine klanglich recht vielfältige Mixtur im Sinne eines netten Potpourris abgeben, aus denen aber kein wirklich engmaschig miteinander verwobenes musikalisches Gebilde entsteht. Sehr liebevoll gestaltet ist aber auch dieser in vielem erst nachträglich im Tonstudio in aufwändiger Detailarbeit gestaltete Klangteppich. Etwas, das besonders dann bewusst wird, wenn man ihn im Film erlebt hat. Als im wortwörtlichen Sinne Filmmusik funktioniert dieser Score vorzüglich und dürfte seinem Schöpfer mindestens eine weitere Oscarnominierung einbringen. Dreieinhalb Sternlein (die kleine Empfehlung also mit zusätzlich nach oben zeigendem Daumen verbunden) erscheinen mir angemessen.

Bei den ersten beiden Komplett-Durchläufen der CD verstellten allerdings die o. g. Source-Cues sowie die zwei besonders aus dem restlichen Rahmen fallenden Stücke denn doch eindeutig den Blick auf den Charme, den auch diese Musik nach und nach in der Lage ist zu entfalten. Anlass für Kritik bietet dafür die mechanisch sehr empfindliche Produktpräsentation: CD und Begleitheft befinden sich lose eingesteckt in einer simplen Klapptasche aus schlichter Pappe.

Fazit: Die empfohlenen Kürzungen berücksichtigt, verbleiben insgesamt rund 50 Minuten Musik, die bereits ein durchaus unterhaltsames, in manchen Momenten auch drolliges Höralbum abgeben. Individuell ist sicher noch Spielraum für zusätzliche Verbesserungen im Gesamteindruck durch weiteres behutsames Auswählen und Weglassen. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass das Album weniger beim ersten, aber bei weiteren Hördurchgängen merklich an Reiz gewinnt. In der Wirkung ähnelt die Komposition Finding Nemo, hinter dessen besonders ausgeprägtem Hörcharme WALL•E allerdings schon ein Stückchen zurückbleibt — „Down to Earth“ eben.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum 3. Oktober 2008.

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Komponist:
Newman, Thomas

Erschienen:
2008
Gesamtspielzeit:
62:07 Minuten
Sampler:
EMI
Kennung:
50999 2 28235

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