Thirteen Days von Roger Donaldson

Geschrieben von:
Hans Helf
Veröffentlicht am:
7. April 2001
Abgelegt unter:
Special

…oder: Mann, das war knapp!

1683Ja, es war wirklich ganz schön knapp in jenen wahrlich welthistorischen 13 titelgebenden Tagen des Jahres 1962, als die Welt wohl am Rande des atomaren Infernos stand.

Nach der kubanischen Revolution von 1959, die mit dem Sturz des damaligen von den USA gestützten Diktators Batista erfolgreich abgeschlossen war, hatte sich die junge nunmehr sozialistische Republik Kuba nach neuen Verbündeten zur Unterstützung gegen den übermächtigen imperialistischen Klassenfeind im Norden umgesehen. Die Sowjetunion war die einzige sozialistische Macht, die stark genug schien, den Vereinigten Staaten entgegentreten zu können. Die sowjetische Führung hatte schnell erkannt, dass sich hier die einmalige Gelegenheit bot, gegenüber ihrem Haupt-Gegner im Kalten Krieg – sozusagen vor dessen eigener Haustür – durch heimliche Aufstellung nuklear bestückter Mittelstreckenraketen einen entscheidenden strategischen Vorteil zu verschaffen.

Womit man allerdings in Sowjetkreisen wohl nicht gerechnet hatte, war die Tatsache, dass die Amerikaner durch ihr neues Spionageaufklärungsflugzeug U2 – welches in nie zuvor erreichten Höhen operieren konnte – in der Lage waren, die Raketenaufrüstung auf Kuba schon im Anfangsstadium eindeutig zu erkennen. Für die Amerikaner bedeutete dies ein absolutes Schreckensszenario: Mussten sie doch nun damit rechnen, im Kriegsfall mit einer Vorwarnzeit von gerade mal fünf Minuten dem Gegner nahezu schutzlos ausgeliefert zu sein. Was daraus resultierte, war die zweifellos gefährlichste politische und militärische Krise der Weltgeschichte bis heute!

US-Präsident Kennedy verhängte eine Seeblockade gegen Kuba und stellte den Sowjets ein Ultimatum betreffend den Abbau der russischen Raketenstellungen vor deren Einsatzbereitschaft. Die Menschheit stand knapp vor dem Beginn eines III.Weltkrieges!

Ein spannenderes Szenario für einen packenden Filmstoff lässt sich ja eigentlich kaum denken. Überraschend, dass es 40 Jahre dauerte, bis sich endlich jemand dazu aufgerafft hat. Um es gleich vorweg zu nehmen: der Betreffende hat seine Aufgabe hervorragend gelöst.

Roger Donaldson war in den letzten Jahren ja nicht gerade durch übermäßig originelle Filmstoffe aufgefallen. Nach vielversprechendem Anfang in Hollywood mit den Neuverfilmungen The Bounty und seiner ersten Zusammenarbeit mit Kevin Costner in No Way Out waren die Filme des Neuseeländers doch deutlich abgeflacht. Das Vulkanepos Dantes Peak etwa oder das völlig überflüssige Remake des Peckinpah Klassikers Getaway sorgten nicht eben für übertriebene Euphorie. Doch wie man hier sehen kann, trügt eben manchmal auch der Schein. Zum Glück für Donaldson hat sich sein ehemaliger Star Kevin Costner, Co-Produzent, Hauptdarsteller und zweifellos treibende Kraft hinter dem ganzen Kubakrise-Filmprojekt rechtzeitig an ihn erinnert. So kann der Regisseur endlich wieder einmal zeigen, was er mit einem Stoff anzufangen weiß, der ihm wirklich liegt.

Eigentlich böte ja schon ein intimes Kammerspiel der wichtigsten Handlungsträger genügend darstellerischen Zündstoff. Dies sind: Natürlich die Kennedy Brüder und ihr Berater Kenneth O´Donnel. Diesen hat Costner irgendwo zwischen dem Familienmenschen Elliot Ness aus Die Unbestechlichen und seinem Staatsanwalt aus JFK angesiedelt hat. Für alle Freunde großer Epen hat sich Regisseur Donaldsen entschlossen, mit seinem 80 Mio. $ Budget ein großes Epos auf die Leinwand zu bringen.

Mit großem Aufwand wurden die Raketen-Abschuss-Basen auf den Phillipinen nachgebaut; zahlreiche historische Flugzeuge wurden eingesetzt. Original amerikanische Zerstörer, Frachter und diese sichernde U-Boote stellen in einer der dramatischsten Sequenzen des Films die große Konfrontation der Supermächte zur See nach. Die heißesten Action-Szenen sind allerdings: die atemberaubenden Aufklärungsflüge der US-Luftwaffe über Kuba – einmal im Tiefflug im Abwehrfeuer der Bodentruppen oder mit der U2 im Horizontalflug gegen angreifende feindliche Raketen. Diese sind zwar kurz, aber spektakulär und fabelhaft getrickst.

Selbstverständlich konzentriert sich aber die eigentliche Filmhandlung auf die über Krieg und Frieden entscheidenden Konferenzen und Verhandlungen der amerikanischen Seite. Ausschließlich von ihrer Position aus werden diese 13 Krisentage betrachtet. Die in Deutschland nahezu unbekannten Kennedy Darsteller Bruce Greenwood – der superfiese Gattenmörder aus Doppelmord mit Ashley Judd – als JFK und der Bobby wahrlich aus dem Gesicht geschnittene Steven Culp liefern beide eine absolut überzeugende Vorstellung. Ihre anfängliche Unsicherheit, ihr Zögern, ihr wirklich verzweifeltes Ringen um die „bestmögliche“ Entscheidung, nicht nur im amerikanischen Sinne werden fast körperlich spürbar. Nicht minder eindrucksvoll sind ihr Kampf gegen die Falken im eigenen Militärapparat, die teilweise Kennedys Anweisungen bewusst zuwiderhandeln.

Gewiss, diese Kennedys werden schon ziemlich einseitig heroisiert. Daran lässt vor allem der eigentliche Hauptdarsteller Kevin Costner als ausgewiesener Kennedy-Fan nicht den geringsten Zweifel aufkommen, und schließlich gab der Erfolg ihnen ja auch nachhaltig recht. Was wäre geschehen, wenn eine Seite damals die Nerven verloren hätte? Nun jedenfalls hätte sich wohl keiner, der damals „die“ falsche Entscheidung getroffen hätte, hinterher entschuldigend damit herausreden können, er werde es das nächste Mal sicherlich besser machen.

Wenn man überhaupt Kritik an der Handlungsführung des Films üben könnte, dann vielleicht an der Tatsache, dass aus dramaturgischen Gründen der historische Anteil des Präsidentenberaters an der Krisenbewältigung etwas überproportional aufgebläht worden ist. Costner ist hier eben zugleich eine Art Vermittler zwischen den Kennedys und dem Zuschauer.

Abschließend muss ich sagen, dass ich seit Schindlers Liste niemals wieder einen Film gesehen habe, der sich so hervorragend für einen Einsatz für Schulklassen im Rahmen historischer Bildungsarbeit eignen dürfte, wie eben dieser. Nur könnte er dann getrost in gutem Deutsch etwa in „13 Tage Weltgeschichte“ umgetitelt werden.

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