Zum Teil interessante Wiederveröffentlichungen für den Filmmusikfreund bietet die bei Warner Jazz ins Leben gerufene CD-Serie „Warner Soundtracks: Klassiker der Filmmusik“. Wie die Bezeichnung schon andeutet, handelt es sich um CD-Reissues ehemaliger Warner-Filmmusik-LP’s aus den 70er Jahren.
Ende August 2001 gingen 13 Titel an den Markt, von denen ich zwei Alben vorstellen möchte. Ein Schwachpunkt der ansonsten erfreulichen Serie ist, dass nur jeweils ein LP-Musikschnitt pro CD-Album untergebracht worden ist. Dementsprechend unbefriedigend sind die Lauflängen der einzelnen Titel mit nur bescheidenen ca. 35 Minuten pro CD.
The Wild Bunch
Jerry Fielding (1922-1980) ist stilistisch schwierig einzuordnen. Der vom Jazz und der Big-Band-Music her kommende Komponist schuf häufig recht herbe, modern-dissonanzreiche Filmkompositionen, in denen aber auch schöne melodische Themen enthalten sind. Stilistisch steht sein sehr individueller Stil in Teilen dem seiner Kollegen Lalo Schifrin, Alex North und Leonard Rosenman am nächsten. Charakteristische Klang-Elemente des ehemaligen Band-Leaders sind Big-Band-Rhythmen und der Gebrauch von Snare-Drums und typischen Brass-Band-Percussions in Spannungsmusiken.
Die Musik zu Sam Peckinpahs bekanntem (Spät-)Western The Wild Bunch • The Wild Bunch — Sie kannten kein Gesetz (1969) ist ein idealer „Fielding“ für den Einsteiger. Die stark von raffinierten (überzeugend mexikanisch klingenden) folkloristischen Elementen dominierte und auch rhythmisch sehr abwechslungsreiche Musik ist von hinreißend schönen Melodien durchsetzt und geht daher besonders gut ins Ohr.
Pike Bishop (William Holden) und seine wilde Bande bilden den titelgebenden Haufen Gesetzloser, der in der im Jahr 1913 angesiedelten Handlung endgültig erkennen muss, dass sie nach dem Ende des Wilden Westens zum Relikt der Vergangenheit geworden, ihre Tage gezählt sind. Auch wer als Krimineller überleben will, muss sich den veränderten Verhältnissen und Spielregeln der modernen Zivilisation anpassen. Doch dazu sind Bishop und seine Männer weder in der Lage noch bereit. Ihr verzweifelter Versuch, sich durch einen letzten möglichst großen Coup die wirtschaftliche Existenz zu sichern, scheitert nicht zuletzt durch einen ehemaligen Kumpan, der die Seiten gewechselt hat. Der Überfall auf eine Bank mit Lohngeldern der Eisenbahn in einem wenig einladenden Grenzstädtchen im Südwesten wird zum blutigen Desaster. Die Outlaws werden von Pinkerton-Detektiven sowie einer Reihe angeworbener Kopfgeldjäger erwartet — wobei dieses Aufgebot keineswegs edler ist als diejenigen, welche sie überraschen und fangen wollen. Die Gang der Outlaws schießt sich den Weg frei und kann, allerdings dezimiert, fürs erste über die Grenze ins wieder einmal von Revolution erschütterte Mexiko entkommen. Ihr Untergang ist allerdings unaufhaltsam. Er erfolgt in einem finalen Blutbad, das Peckinpah wie ein Ballett des Todes inszenierte. Dessen detaillierte, mit Hilfe der Zeitlupe stilisierte Gewaltdarstellung wurde anschließend geradezu ein Markenzeichen dieses Regisseurs.
Jerry Fieldings Filmmusik zu The Wild Bunch steht in zwei Versionen, die interessante Unterschiede aufweisen, für den Sammler bereit: der vordem bereits als Japan-CD erhältliche Schnitt der 1969er LP und die exklusiv bei FSM (Film Score Monthly) erhältliche vollständige Edition der originalen Filmmusik. Beide Ausgaben unterscheiden sich aber nicht allein in der Menge des Gebotenen; beim alten LP-Schnitt handelt es sich dazu um eine in Teilen gegenüber dem rauheren Original deutlich in Richtung auf „easy listening“ harmonisch geglättete Nachspielung. Außerdem handelt es sich beim einleitenden schönen „Song from the Wild Bunch“ um eine auf knapp 4 Minuten expandierte Fassung eines mexikanisch geprägten Themas, das in der Original-Filmversion keine Minute lang ist. Zwar ist die Originalfassung der Musik aus genannten Gründen von hervorragender Bedeutung, die ehemalige LP-Version besitzt allerdings als typisches Höralbum seiner Zeit ebenfalls nicht unbeträchtliche Reize. Letzteres gilt auch, da Fielding seine Musik für das LP-Album selbst und zwar mit hörbar versierter Hand bearbeitet hat. Wer durch die o. g. Termini „easy listening“ und „geglättet“ vielleicht etwas abgeschreckt sein mag, kann hier trotzdem völlig beruhigt zugreifen. Fielding hat seine Musik äußerst behutsam (!) dem Hörempfinden breiterer Schichten von Kinogängern angepasst. Er ist dabei aber nicht der Popkultur erlegen, wie z. B. Elmer Bernstein bei seiner ebenfalls 1969 produzierten LP-Version von True Grit • Der Marshal.
Leider ist von Jerry Fieldings Filmmusiken zur Zeit nur wenig auf CDs greifbar. Für viele Hörer dürfte The Wild Bunch Lust auf „mehr“ dieses markanten Komponisten machen. Wäre dies nicht eine lohnende Herausforderung, Mr. Kendall?
Mehrteilige Rezension:
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