The Lost World: Jurassic Park

Geschrieben von:
Marko Ikonić
Veröffentlicht am:
19. Mai 2002
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

In The Lost World: Jurassic Park • Vergessene Welt: Jurassic Park (1997) steht Isla Sorna, eine Nachbarinsel der Isla Nublar, im Mittelpunkt des Geschehens. Dort wurde ursprünglich der schmutzige Teil der Jurassic-Park-Arbeit, das bei weitem nicht immer erfolgreiche Klonen, die Dinosaurier-Produktion, erledigt. Der verheerende Sturm im ersten Film ließ auch diese „Anlage B“ nicht unbeschadet und zwang die Mitarbeiter, die Insel aufzugeben und die verbleibenden eingesperrten Dinos in die (beschränkte Insel-)Freiheit zu entlassen.

Soweit die Vorgeschichte. Die Menschen, die aber nun vier Jahre später diese Insel betreten, werden mit einer völlig anderen Ausgangslage konfrontiert als im ersten Filmteil. Hier gibt es keine elektrischen Zäune, jeder Schritt der Charaktere führt durch die Territorien wilder Tiere – die Dinos haben überlebt und gedeihen sogar prächtig -, sie sind ständig und schutzlos der rohen Naturgewalt ausgesetzt.

Die Optik des Films trägt dem mit erdigen Tönen Rechnung, John Williams tut es mit seiner dunklen, urwüchsigen Filmmusik. Neben einem Standard-Symphonieorchester rekrutiert er für seinen Score ein überdimensionales Arsenal an Perkussionsinstrumenten, in dem Congas, Bongos, Maracas, Cabasas und ähnliches ethnisches Schlagwerk die übliche Palette der westeuropäischen großen Trommeln, Pauken, Schnarrtrommeln, Tamburine usw. um einige reizvoll exotische Klangfarben bereichern. Der Chor, der Jurassic Park von Zeit zu Zeit eine milde, humane und manchmal schicksalsschwangere Note verleiht, fehlt hier völlig. Man könnte das Strukturkonzept dieser Musik vielleicht so auf den Punkt bringen: Was Jurassic Park an thematischer Diversität bereitstellt, wird in The Lost World an rhythmischer geboten – eine logische Konsequenz des ungewöhnlichen perkussiven Schwerpunkts, den Williams hier setzt.

Ganz ohne neue thematisch-motivische Trademarks kommt die Musik aber nicht aus. Unablässig stampfende Pauken, musikalisches Pendant zu den bebenden Schritten der unbezähmbaren Urgiganten, bilden die Basis des kraftvollen „The Lost World“-Hauptthemas (auf der CD wiederum in einer auskomponierten Konzertfassung), das jedoch im Film so gut wie keine Rolle spielt und nur unvollständig, um nicht zu sagen verhackstückt, eingesetzt wird. Ein weiteres, diesmal aufsteigendes 4-Noten-Motiv zieht sich dafür wie ein roter Faden durch die gesamte Partitur. Außerdem wird an den passenden Stellen sehr sparsam das Fanfaren-Thema aus Jurassic Park zitiert. Eine ausführlichere Begegnung mit den gern gehörten alten Hauptthemen ermöglicht nur die Abspannmusik.

Die große Jagdszene wird in der endgültigen Filmfassung – bei kaum wahrnehmbarer Lautstärke – von Musikschnippseln aus verschiedenen Tracks untermalt. Ob das nun eine Fehlentscheidung der Verantwortlichen war oder nicht, sei dahingestellt, John Williams’ eigentlich dafür vorgesehener Cue „The Hunt“ ist jedenfalls glücklicherweise zur Gänze auf der CD enthalten. In dem packenden, auch aufgrund der vielfältigen Perkussionseinlagen ansprechenden Stück versteht Williams die Möglichkeiten der Kombination gerader und ungerader Zeitmaße (hier changieren 3/4 bzw. 6/8 und 5/8) und das daraus erwachsende treibende rhythmische Moment ähnlich effektvoll zu nutzen wie Jerry Goldsmith, der dieses Prinzip häufig seinen Actionmusiken zugrunde legt.

Noch etwas unterscheidet die Musik zum zweiten Film: Der Komponist hüllt die Vergessene Welt mehrfach in Klänge, die von modernistischen, fest im 20. Jahrhundert verwurzelten Kompositionstechniken bestimmt sind, wie sie etwa auch Howard Shore, Elliot Goldenthal und Don Davis immer wieder in ihren Filmarbeiten anwenden. Ein Vorbild hierfür aus der eigenen Filmographie ist zweifellos Close Encounters of the Third Kind (1979), aber auch der Williams der abstrakteren Konzertwerke (Treesong, das Flötenkonzert von 1969 u.a.) kommt einem in den Sinn. Teilweise, z.B. beim Hören des asynchronen Holzbläser-„Gezwitschers“ in Track 9 („The Raptors Appear“), fühlte ich mich auch unweigerlich an die kontrollierte Aleatorik eines Witold Lutoslawski erinnert, d.h. an nicht exakt notiertes Durcheinanderspielen unter gewissen, vom Komponisten vorgegebenen Rahmenbedinungen.

Dank der Umstellung mehrerer Cues fließt das MCA-CD-Album zu The Lost World ähnlich gut wie das des Vorgänger-Scores. Für einen kleinen Wermutstropfen sorgt jedoch die äußere Aufmachung der CD. Statt in der bewährten Kunststoff-Box liegt der Silberling in einem gleicherweise kindischen wie unpraktischen Papp-„Dinorama“ (eine aufklappbare Dschungellandschaft mit JP-Dinosauriern), über das ich persönlich in den fünf Jahren seit Erscheinen niemanden auch nur ein positives Wort verlieren gehört habe.

Fazit: Jurassic Park und The Lost World: Jurassic Park sind zwei sehr unterschiedliche, jeweils mit großem Geschick ausgearbeitete Filmmusiken, deren Anschaffung auf CD mit Sicherheit lohnt. Auf der einen Seite „klassischer“ bunter und thematischer Williams, wie man ihn von der Indiana-Jones-Trilogie kennt, auf der anderen ein ungewohnt kantiger, perkussiv raubeiniger mit modernistischen Anklängen. Gerade auch in dieser stark ausgeprägten Andersheit liegt der Reiz, beide zu besitzen.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Williams, John

Erschienen:
1997
Gesamtspielzeit:
69:00 Minuten
Sampler:
MCA
Kennung:
11628

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