Wer vielleicht schon beim Lesen oder auch erst beim (Ein-)Hören auf den Geschmack gekommen ist und für ein „Bindeglied“ in Sachen John Williams und Konzert-Filmmusik offen ist, dem sei auch die CD Sieben Jahre in Tibet empfohlen. Jean-Jacques Annauds Film-Epos aus dem Jahr 1997 über die Abenteuer des österreichischen Bergsteigers Heinrich Harrer im Tibet der vierziger Jahre enthält eine ähnlich angelegte Komposition. In dieser Musik lässt Williams neben konzertanten Passagen auch einigen Raum für „Hollywood-typische Klangseligkeit“, und der vielfältig verwendete Orchesterapparat hat hier durchaus die Dimensionen von Star Wars oder Superman. Das mit einem Harfenglissando beginnende breite, vom vollen Orchester vorgetragene Hauptthema ist eine wahre Perle, die unmittelbar ins Ohr geht. Das herrliche Thema wird dann vom Solo-Cello klangschön interpretiert und variiert. Dem Cello sind in dieser Filmmusik mehrere recht breite solistische Passagen zugewiesen, die vom Cello-Virtuosen Yo-Yo Ma gekonnt bewältigt werden. Äußerst raffiniert ist die Instrumentierung, die unter anderem aparte Klangfiguren der Celesta einschließt und außerdem durch sehr delikat einkomponierte Klangexotik zusätzliche Anreize bietet. Neben spirituellen Chören gibt es reichlich ethnische Flöten und Schlagwerk der Region zu hören – erstklassig auch der Einsatz von tibetischen Langhörnern. Sehr schön ist das quasi-Tibetische Thema für den Dalai Lama in Track 11 „Heinrich’s Odyssey“, dessen Odyssey in der „verbotenen Stadt“ überhaupt sehr filmisch wirkt. Daneben sind auch einige anspruchsvoll komponierte Action-Passagen enthalten.
Fazit: Zum Film Die Asche meiner Mutter erklingt eine ungewöhnliche, aber sehr hörenswerte und interessante Filmmusik von John Williams, der damit seinen Willen zur stilistischen Vielfalt einmal mehr bewiesen hat. Etwas einfallslos präsentiert sich der Schluss-Track, welcher eine identische „Reprise“ von Track 1 ist: eine Unsitte, die sich leider auf manchen Williams-CDs der letzten Jahre findet. Die ohne diese Mogelei verbleibenden rund 48 Minuten Musik rechtfertigen trotzdem eine volle Empfehlung.
Durch den Wechsel von mehr (Film-)Bildbezogenen und autonomen Musikpassagen, bildet die Film-Musik zu Sieben Jahre in Tibet eine Art „Bindeglied“ zwischen den üppig gehaltenen Williamsschen Abenteuer-Scores und der überwiegend konzertant wirkenden Musik zu Die Asche meiner Mutter. Beide Musiken sind zudem auch klanglich hervorragend und sollten in keiner ernsthaften Film-Musik-Kollektion fehlen.
Mehrteilige Rezension:
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