Ratatouille

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
2. Oktober 2007
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

Eine Ratte als Chefkoch in einem Gourmet-Tempel in der Seine-Metropole? Mann oh Mann, da hätte wohl nicht nur das örtliche Gesundheitsamt kräftige Bedenken! Aber nun, wir sind ja nicht in der Realität, sondern befinden uns vielmehr im neuesten, wiederum charmanten Disney-Pixar-Animations-Abenteuer. Seit heute, dem 3. Oktober 2007 darf Remy, das sympathische Pariser Rattenmännchen, dem Zuschauer beweisen, dass es das Zeug zum Meisterkoch besitzt.

Nach Die Unglaublichen ist dem Komponisten Michael Giacchino nun auch die Vertonung von Ratatouille anvertraut worden. Kamen bei Die Unglaublichen jazzige Big-Band- und Barry-Bond-Standards erfolgreich zum Einsatz, steht dieses Mal vergleichbar stimmig typisch französisches Flair auf dem Programm. Damit erhält nachhaltig das Akkordeon seinen Auftritt.

Das Akkordeon, ursprünglich aus Österreich stammend, ist letztlich durch die typisch französische Art des volkstümlichen Tanzens, die so genannte „Musette“, mit Frankreich und besonders Paris assoziiert. Die Musette war ursprünglich das Instrument — ein enger Verwandter des Dudelsacks —, welches im 19. Jahrhundert die Orchester des „Bal Musette“ anführte. Im frühen 20. Jahrhundert wurde diese „Sackpfeife“ infolge des markanten Einflusses ins Land strömender italienischer Zuwanderer nach und nach durch das Akkordeon verdrängt. Seitdem weckt besagtes Akkordeon Assoziationen wie Sorglosigkeit, ausgelassene Lebensfreude und lässt zugleich an ganz bestimmte, sündigere Orte wie Pigalle, Montmartre oder Belleville denken.

Regisseur Brad Birds rattenscharfe Geschichte ist in einem dezent futuristisch stilisierten Paris angesiedelt. Entsprechend spielen in Giacchinos flotter Komposition besonders die moderneren Einflüsse, welche den traditionellen Musette erweiterten und aufpeppten, die entscheidende Rolle. So findet sich nicht nur der bereits im ersten Score-Track (Nr. 2, „Welcome to Gusteau’s“) im Anschluss an die Marseillaise erscheinende Musettewalzer. Ebenso geben sich die nach dem zweiten Weltkrieg integrierten Einflüsse des von den amerikanischen Befreiern mitgebrachten Jazz und außerdem lateinamerikanischer Musik ein Stelldichein. Und damit tritt dem Akkordeon die Gitarre zur Seite. Der recht feurige Tango in „Colette Shows Him Le Ropes“ ist dafür nur ein Beispiel. Außerdem durchweht teilweise ein kräftiger Hauch von Big-Band-, Bar- und Loungemusik das zu Hörende.

Darüber hinaus sind die musikalischen US-Cartoonstandards der 30er bis 60er Jahre eines Scott Bradley und Carl Stalling und damit auch gekonnt-witziges, mitunter temporeiches Mickey-Mousing mit von der Partie (z. B. in „The Paper Chase“ und „Dinner Rush“). Im Gegensatz zu den wesentlich sparsamer besetzten Ensembles für beispielsweise die Abenteuer von Tom & Jerry stand Giacchino das groß besetzte Hollywood Studio Symphony Orchestra (ca. 80 Spieler) zur Verfügung. Damit verwebt und verwirbelt er sämtliche genannten Stile in frei adaptierter Form zum abwechslungsreichen und unterhaltsamen Mix. Insgesamt handelt es sich um ein nicht nur dem Film dienliches, sondern auch als Höralbum taugendes, spritziges musikalisches Feuerwerk. Besonders hervorzuheben ist dabei die pfiffige Instrumentierung, die viel des Reizes ausmacht. Die verschiedenen thematischen Bezüge des Scores erschließen sich besonders nach mehreren Hördurchgängen.

In den USA hat der kleine Nager ein recht respektables Einspielergebnis produziert. Unübersehbar ist allerdings das bereits am Startwochenende merklich gedämpfte Zuschauerinteresse. So bildet Ratatouille mit „nur“ rund 47 Mio $ im Vergleich zu Findet Nemo (70,3 Mio $), Die Unglaublichen[ (70,5 Mio $) und Cars (60,1 Mio $) mit deutlichem Abstand das Schlusslicht. Denselben Trend belegen allerdings die in Frankreich innerhalb der ersten Wochen erreichten Zuschauerzahlen. Zwar liegt Ratatouille dort seit rund drei Wochen in den Charts auf Platz eins. Die rund 1,4 Millionen verkauften Kinokarten rangieren aber auch hier markant hinter denen von Findet Nemo (größer 9 Mio) oder Die Unglaublichen (rund 5,5 Mio). Die Ursache dafür dürfte zumindest teilweise in den besonders in den letzten zwei Jahren geradezu in Serie über die Leinwände flimmernden Konkurrenzproduktionen zu suchen sein. Der Markt ist derzeit schlichtweg übersättigt. Entsprechend dürften viele potentielle Zuschauer des Animationskinos durch allzu viele eher mittel- bis drittklassige Repliken derzeit etwas müde sein. Bleibt zu hoffen, dass der zweifellos liebevollst inszenierte „Remydemmy“ aus der Disney-Pixar-Schmiede hierzulande zumindest weniger stark übersehen wird. Etwas, das auch für das gelungene Filmmusikalbum gilt.

Die französische Sängerin Camille interpretiert im Eröffnungsstück des Albums eine Song-Version von Remys Thema. Mein Kommentar dazu: recht gewöhnungsbedürftig! Allerdings, auch ohne den Song ist das Album von Disney-Records mit rund 60 Minuten Score mehr als nur ordentlich bestückt. Das sich einstellende Hörvergnügen ist vergleichbar mit dem ebenfalls originellen Album zu Die Unglaublichen. Remy wünscht: Guten Appetit!

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum 3. Oktober 2007.

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Erschienen:
2007
Gesamtspielzeit:
62:36 Minuten
Sampler:
Disney Records (EMI)
Kennung:
094639719624

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